Kapitel 30

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Jess:

Nachdem er eingeschlafen war, blieb ich noch einen Moment bei Johannes liegen, bevor ich mich aus seiner Umarmung wand und leise das Zimmer verließ, um zu Kyle zu gehen. Dieser lag hell wach in dem Bett und schaute mich groß an.

"Wie geht's dir?", fragte ich und setzte mich zu ihm auf die Bettkante.

"Dieses Bett ist himmlisch!", schwärmte er und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Ich wusste genau, wie er sich gerade fühlte. Nach so vielen Jahren auf der Straße in einem Bett zu liegen, war einfach ein unglaubliches Gefühl.

"Und wie geht es dir?", wiederholte ich meine Frage.

"Es geht so, aber schlafen ist nicht.", antwortete er.

"Das dachte ich mir schon fast. Nimm hiervon mal eine.", sagte ich und reichte ihm eine Schachtel Tabletten.

"Was ist das?", fragte er skeptisch.

"Beruhigungsmittel. Nichts was dich umbringt. Einfach nur damit du schlafen kannst."

"Okay."

So nahm Kyle nun eine von den Tabletten, bevor ich die Packung wieder an mich nahm.

"Wie lange dauert es, bis das Zeug wirkt?", fragte er.

"Ungefähr eine halbe Stunde.", antwortete ich.

"Und was mach ich in der Zeit?"

"Mit mir reden."

"Okay."

"Wie ging es denn nach dem Tod deiner Schwester weiter?"

"Ich bin weg gelaufen und in den nächst besten Zug gestiegen. Hauptsache weit weg. Irgendwann bin ich dann hier am Bahnhof angekommen da kam ein Mann zu mir und meinte er wüsste, was ich bräuchte. Er hat mir Heroin gegeben und dann ging es mir genauso wie dir. Es hat mich meine Probleme vergessen lassen und so bin ich immer tiefer in die Szene gerutscht und hab angefangen zu dealen. So hab ich dann auch Johannes kennen gelernt."

"Und was ist mit deiner Mutter?"

"Keine Ahnung."

"Hast du nie irgendwie nach ihr gesucht?"

"Nein."

"Warum nicht, wenn ich fragen darf?"

"Ich weiß es nicht. Ich glaube aus Angst, dass sie tot ist oder dass ich ihren Typen treffe."

"Meinst du wirklich, dass er dich wieder erkennen würde?"

"Ja. Da bin ich mir ziemlich sicher."

"Das glaub ich nicht. Er hat dich ewig nicht gesehen. In der Zeit hast du dich garantiert verändert. Gerade durch die Sucht."

"Meinst du ich sollte sie suchen?"

"Ja. Ich denke, das könnte dir helfen einen Abschluss zu finden und sie würde sich garantiert freuen. Immerhin hat sie ihre beiden Kinder verloren. Da wäre sie bestimmt froh, wenn sie zumindest dich wieder sieht. Wenn du willst, kann ich dir auch helfen."

"Warum hilfst du mir so sehr?"

"Weil ich weiß, wie es dir geht. Ich weiß, wie es ist, wenn man plötzlich nichts mehr hat und ich weiß wie scheiße es ist allein einen Entzug machen zu müssen. Ich mag dich und ich will nicht, dass es dir genauso ergeht, wie mir damals. Deshalb helfe ich dir. Ich hab den ganzen Scheiß schon einmal durch und weiß wo du dich an wen wenden musst. Wenn ich helfen kann dann tu ich das auch. Außerdem ist es mein Job Menschen wie dir zu helfen."

"Dein Job bedeutet dir viel oder?"

"Ja. Es war immer mein Traum Ärztin zu werden und so kann ich meinen Traum verwirklichen und gleichzeitig Leuten helfen, die so sind wie ich."

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