Jess:
Wieder zuhause angekommen machte ich direkt Summer und Windy fertig, um mit ihnen rüber zum Stall zu gehen. Wie gewohnt stellte ich sie übergangsweise in die freien Boxen, bevor ich mich auf die Suche nach Johannes machte. Ich fand ihn schließlich im Round Pen, wo er auf dem Boden saß, während die Mustang Stute direkt neben ihm ganz entspannt fraß.
"Das nenn ich mal einen Fortschritt!", sagte ich begeistert.
"Ja. Anfassen darf ich sie immernoch nicht, aber sie duldet mich neben sich.", stimmte er mir zu.
"Das ist doch schonmal ein Anfang. Alles andere kommt noch."
"Und wenn du hier bist hat Kasey auf mich gehört?"
"Warum?"
"Ich hab doch gesagt ich ruf Kasey an, wenn du nicht wenig-stens ein paar Stunden schläfst. Sie hat mir versprochen, dass sie dich nach Hause schickt."
"Na danke auch."
"Jess, du siehst aus wie eine wandelnde Leiche. Du brauchst dringend mal wieder eine ordentliche Portion Schlaf."
"Ich kann schon auf mich selber aufpassen!"
"Jess! Bitte! Fang jetzt nicht an rum zu zicken!"
"Du kannst mich mal!", schimpfte ich und wand mich von ihm ab. Was dachte er sich nur dabei? Mittlerweile sollte er wissen, dass ich schon auf mich selber aufpassen konnte.
"Jessica!", hörte ich ihn noch rufen, doch das war mir egal. Schnellen Schrittes ging ich weiter und machte Silvano fer-tig. Irgendwie war er mittlerweile zu meinem Retter in der Not geworden. Er machte einfach Spaß und in seinem Sattel konnte ich vergessen. Auch wenn ich den Sattel an diesem Tag weg lies. Ohne lief er genauso gut und ich brauchte einfach den Kontakt zu ihm. Es blieb also bei nur einer Trense und ich begann zum Aufwärmen mit einer Runde durch das Gelände, bis er dann locker war und ich zum Viereck ritt, um ausgie-big mit ihm zu trainieren. Schon bald verlor ich mich in seinen gleichmäßigen, perfekten Bewegungen und driftete in eine andere Welt ab. Eine Welt in der es nur mich und diesen wundervollen Hengst gab. In der wir beide einen verflochte-nen Tanz vollführten. Einen Tanz bestehend aus Vertrauen und Verbundenheit. Wie sehr ich es doch liebte so eng mit einem Pferd verbunden zu sein und die tollsten Lektionen zu rei-ten. Vor allen Dingen, wenn ich bedachte, dass das vor zwei Jahren bei diesem Pferd noch völlig undenkbar war. Der Klei-ne hatte sich wirklich großartig entwickelt! Da wurde ich schon traurig, wenn ich bedachte, dass wir nur noch wenige Wochen zusammen hatten. Schon nächsten Sonntag würde seine neue Besitzerin ihn anschauen kommen. Bis nach Dubai würde er reisen. Am liebsten hätte ich ihn einfach selber gekauft, aber ich wusste selber, dass das nicht ging. Er würde gehen. So wie viele Pferde vor ihm, doch bei ihm fiel mir das un-glaublich schwer. Er würde zu einer großartigen Reiterin ge-hen, die die ganz großen Turniere mit ihm reiten würde. Er würde zum Champion werden. Ich musste ihn los lassen, doch das war so verdammt schwer!
"Jess? Ist alles gut bei dir?", holte Johannes mich wieder in die reale Welt. Ich nickte nur, doch gleichzeitig spürte ich, wie mir eine Träne die Wange entlang lief.
"Bist du sicher? Als du das letzte Mal so geritten bist wäre Amy fast gestorben. Ist irgendwas mit ihr?", fragte Johannes weiter und das gab mir den Rest. Ich hatte mir vorgenommen nicht zu weinen. Stark zu bleiben für Thomas und die Jungs, aber jetzt konnte ich einfach nicht mehr. Die Tränen liefen ununterbrochen meine Wangen entlang und der Hengst unter mir fiel verwirrt in den Schritt. Schon stand Johannes bei mir und packte den Hengst am Zügel, damit er stehen blieb, bevor er zu mir hoch schaute. Sanft legte er eine Hand auf meinen Oberschenkel und fragte: "Was ist los? Ist was mit Amy?"
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Angel behind the Appearance
Teen Fiction!Achtung! In diesem Buch werden Themen wie Gewalt, Drogen, selbstverletzendes Verhalten und verschiedene psychische Krankheiten behandelt. Wenn diese Themen dich triggern, solltest du dir gut überlegen, ob du dieses Buch wirklich lesen möchtest. "En...