Jess:
Tief schaute er mir in die Augen und von diesem Moment an wusste ich, was er vor hatten. Wie in Zeitlupe beugte er sich zu mir runter. Was sollte ich jetzt tun? Wollte ich das wirklich? Wollte ich mich noch einmal auf eine Beziehung ein lassen? Mit ihm? Konnte ich das? Konnte ich ihm so vertrauen, wie es nötig war?
In diesem Moment schossen mir tausende Fragen durch den Kopf und ich wusste auf keine von ihnen eine Antwort. Natürlich mochte ich Johannes. Sogar sehr. Aber war ich auch bereit für eine Beziehung? Konnte ich ihm das geben, was er braucht? Scheiße, das überforderte mich alles! Am liebsten wäre ich sofort aufgesprungen und geflüchtet, aber ich konnte nicht. Irgendwas hielt mich genau an diesem Platz und ich blieb wie gelähmt sitzen.
Und dann lagen seine Lippen auf meinen. Ganz sanft und vorsichtig küsste er mich und das löste etwas in mir aus, was ich nie zuvor gefühlt hatte. Es war als würde in meinem Inneren ein riesiges Feuerwerk toben und das war der Moment in dem ich auf all meine Fragen genau eine Antwort fand. Ja! Ich wollte nichts mehr als ihn. Sue hatte Recht. Wenn ich mich nicht auf ihn einlassen würde, würde ich es den Rest meines Lebens bereuen.
Noch bevor ich reagieren konnte, nahm Johannes seine Lippen allerdings wieder von meinen.
"Das.", flüsterte er: "Genau das ist mein Wunsch. Bist du einverstanden?"
Ja. Das war ich. Und wie ich das war! Doch ich brachte nicht einen Ton heraus. Und so tat ich das einzig richtige. Ich legte meine Lippen auf seine. Sanft zog er mich zu sich und ich konnte spüren, dass sein Herz genauso schnell schlug wie meines. Wie von selbst fanden meine Hände den Weg in seinen Nacken, während seine auf meinem Rücken liegen blieben.
Und so saßen wir vor der riesigen Villa mit einem wundervollen Sonnenuntergang im Hintergrund und küssten uns. Kitschiger ging es echt nicht, aber es musste wohl einfach so sein. Ich war auf jeden Fall glücklicher als je zuvor und ich war mir sicher, dass es Johannes nicht anders ging.
Erst nach einer langen Zeit lösten wir uns voneinander und Johannes schaute mir wieder so tief in die Augen. Sanft legte er eine Hand auf meine Wange und flüsterte: "Du bist so wunderschön!"
Ich schaute ihn nur aus großen Augen an. Er war der erste Mensch, der so etwas zu mir sagte und damit musste ich erstmal irgendwie klar kommen. Ich hatte mich nie als sonderlich hübsch empfunden.
"Bleibst du bei mir?", fragte er nach einem kurzen Moment des Schweigens. Ich konnte nur nicken. Niemals würde ich ihn verlassen. Dafür liebte ich ihn viel zu sehr. Das war mir in den letzten Minuten klar geworden.
"Ich würde vorschlagen du ziehst hier her und stellst Halim in den Garten. Damit wäre dein größter Traum schonmal wahr geworden.", schlug er vor.
"Wie kommst du darauf, dass das mein größter Traum ist?", fragte ich verwundert. Woher wusste er das?
"Stephanie hat mal gesagt, dass jeder Pferdebesitzer davon träumt mit seinem Pferd zusammen zu wohnen. Du hast die Möglichkeit. Hier kann er nicht ausbrechen und wir müssen nicht den Rasen mähen."
"Aber ich hab hier weder einen Stall noch einen Reitplatz."
"Darf ich dir was zeigen?", fragte er und stand auf. Ich nickte nur und folgte ihm zu einem kleinen Stall.
"Hier standen früher meine Ponys. Der Stall steht noch.", erklärte Johannes.
"Und was ist mit dem Reitplatz? Habt ihr so etwas auch mal eben um die Ecke?", fragte ich weiter.
"Nein, aber es gibt einen Weg, durch den du in fünf Minuten am Gestüt bist. Dann kannst du auf dem Weg warm reiten und dann da trainieren."
"Gibt es hier dran auch irgend einen Nachteil?"
"Ja. Du musst mich auch weiterhin Tag und Nacht ertragen und in diesem Haus kann man sich sehr gut verlaufen."
"Damit komm ich klar. Notfalls müssen wir eben Schilder aufstellen. Und dich kann ich den ganzen Tag ertragen. Wir sehen uns sowieso nur nachts und bei den Pferden."
"Und am Wochenende."
"Wobei es sein kann, dass ich da jetzt auch arbeiten muss."
"Wann fängst du eigentlich in der Klinik an?"
"Ich hab diese Woche Prüfungen, am Freitag Abschluss und dann hab ich zwei Wochen frei, bevor ich da anfange."
"Dann haben wir ja sogar zwei Wochen zusammen."
"Ja, und da werde ich so ziemlich den ganzen Tag reiten."
"Wieso? Du reitest doch nur drei Pferde."
"Ja, aber in den zwei Wochen trainiere ich zwei bis drei Mal die Woche mit Lucifer und trainiere noch mit ein paar Anderen. Außerdem sind in diesen Wochen haufenweise wichtige Turniere. Wenn ich frei habe, reite ich so viel, wie möglich. Ich brauche das Geld."
"Jetzt nicht mehr."
"Natürlich. Warum sollte ich es nicht brauche?"
"Zum Beispiel, weil ich gerade haufenweise Geld und eine riesige Villa geerbt hab. Du wohnst hier, musst also keine Wohnung mehr bezahlen und dein Pferd steht auch hier, also hat die Stallmiete sich ebenfalls erledigt."
"Aber ich bezahle für Halim auch Hufschmied, Wurmkur, Futter und die Startgebühr für Turniere. Die Stallmiete bezahle ich nicht mal. Dafür helfe ich im Notfall bei Carol aus. Außerdem ist es ab und zu auch mal nicht schlecht ein wenig Geld zu sparen. Vielleicht kann ich mir dann auch die Schabracke leisten."
"Was für eine Schabracke?"
"Ich hab so eine tolle Schabracke gesehen, die auf Halim wunderschön aussehen würde, aber die ist sau teuer."
"Wie gesagt, ich hab einen Haufen Geld geerbt."
"Deshalb kannst du mir trotzdem nicht alles bezahlen! Ich arbeite und verdiene mein Geld selber. Ich hab jahrelang für mich selber gesorgt und das kann ich auch weiterhin."
"Aber auch du brauchst irgendwann mal einen freien Tag."
"Das hab ich. Die Pferde sind meine Freizeit. Das ist nicht nur Arbeit, sondern auch Spaß. Deswegen mach ich das ja. Ich liebe es meine kleinen Schützlinge so zu fördern, dass sie mal ganz nach oben kommen"
"Wie weit nach oben schaffen die es eigentlich so?"
"Das zweite Pferd, das ich ausgebildet habe, hat mit Carol Silber und Gold bei Olympia geholt."
"Wow! Das ist krass!"
"Ja. Mein Ziel ist es da mit Halim irgendwann selber mal zu reiten und meiner Meinung nach hätte Melody auch das Potential es nach ganz oben zu schaffen."
"Reitest du sie auch weiterhin?"
"Nein. Ich mach mit ihr die Saison noch fertig und dann wird sie verkauft. Da kommt dann das nächste Pferd."
"Und Magic?"
"Die reite ich noch dieses und nächstes Jahr. Ich bilde jedes Pferd zwei Jahre aus. Da gehen die dann sicher M uns sind schon die ersten S Dressuren gelaufen."
"Ist das nicht alles ein bisschen schnell?"
"Die Pferde sind für den großen Sport gezüchtet. Das sind alles Champions, die nur darauf warten gefördert zu werden. Die haben das erste halbe Jahr Zeit die Grundlagen zu lernen, laufen dann die kleineren Turniere, um die Grundlagen zu verfestigen und dann geht es vierjährig an die ersten Lektionen."
"Aha. Okay."
"Und was machen wir jetzt?"
"Ich würde vorschlagen wir holen schon mal einen Teil von unseren Sachen hier her und sehen dann morgen weiter."
"Das klingt nach einem guten Plan."
DU LIEST GERADE
Angel behind the Appearance
Teen Fiction!Achtung! In diesem Buch werden Themen wie Gewalt, Drogen, selbstverletzendes Verhalten und verschiedene psychische Krankheiten behandelt. Wenn diese Themen dich triggern, solltest du dir gut überlegen, ob du dieses Buch wirklich lesen möchtest. "En...