Kapitel 79

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Jess:

"Johannes?", fragte ich unsicher. Er hatte mir noch immer nicht geantwortet.

"Ich nehm es dir auf jeden Fall nicht übel, wenn du es tust, aber dann mach es bitte irgendwie so, dass es nicht so dra-matisch ist. Ich will dich nicht in einer riesigen Blutlache oder aufgehangen finden."

"Das würde ich dir nie an tun. Für dich ist es so schon hart genug. Ich hätte es am liebsten, wenn du mich gar nicht fin-den müsstest."

"Und ich möchte, dass du dich verabschiedest. Du musst nicht sagen Tschüss. Ich geh mich jetzt umbringen, aber bitte tu irgendwas, damit ich weiß, dass das der Abschied war."

"Okay. Willst du einen Brief oder lieber nicht?"

"Doch. Ich glaube schon. Dann hab ich wenigstens noch etwas von dir als Abschied."

"Okay. Dann schreib ich dir was."

"Was ist mit dir? Kommst du damit klar?"

"Mittlerweile schon. Ich hab so das Gefühl, dass ich noch am besten damit klar komme. Ich mach mir eher Sorgen um euch und vor allen Dingen um dich. Wie kommst du damit klar?"

"Es ist schon echt hart."

"Wenn du reden willst oder irgendwas ist, kannst du jeder Zeit zu mir kommen. Ich bin immer für dich da und die Ande-ren sind das auch. Du kannst mit jedem über alles reden. Auch wenn du Probleme hast, was Heroin an geht. Und wenn ich dir einen Tipp geben darf, dann öffne dich den Pferden. Ge-rade mit Halim kannst du dicht zusammen rücken. Er merkt es auch, wenn ich irgendwann nicht mehr komme. Ihr braucht euch gegenseitig. Er ist ein sehr charakterstarkes Pferd, das ei-nem einfach auf eine ganz besondere Art hilft. Guck ihn dir an. Der steht da und konzentriert sich auf jede Bewegung die wir machen. Er merkt genau, dass etwas nicht stimmt."

"Du und deine Pferde. Für dich sind die wie deine Kinder."

"Meine Pferde sind die größten Schätze, die ich besitze. Die geben einem jeden Tag so unglaublich viel. Schon allein, dass sie uns erlauben auf ihrem Rücken zu sitzen ist ein Ge-schenk. Das ist nicht selbstverständlich. Diese Tiere kön-nten dich ohne Probleme umbringen, aber das tun sie nicht. Stattdessen vertrauen sie dir und lassen dich sogar auf ih-rem Rücken sitzen. Sie lassen sogar zu, dass du ihnen eine Richtung zeigst in die sie gehen sollen. Das ist alles ande-re als normal. Jedes mal, wenn du sie reiten darfst, ist das ein Geschenk und wenn sie mit dem zufrieden sind, was du tust, geben sie es dir zurück. Sie schenken dir Vertrauen und das ist das größte Geschenk, das du von einem Fluchttier bekommen kannst. Wenn ein Tier, das normalerweise vor dir weg rennen würde, mit erhobenem Schweif auf dich zu galop-piert ist das ein riesiges Geschenk."

"Wenn ich ehrlich bin, hab ich das noch nie so betrachtet. Ich hab das irgendwie als selbstverständlich angesehen."

"Das ist es aber ganz und gar nicht. Ganz im Gegenteil. Die Pferde schenken dir jeden Tag so viel Vertrauen und das al-ler wichtigste ist, dass du dieses Vertrauen niemals miss-brauchen darfst. Und das ist das, was gerade im großen Sport viel zu kurz kommt. Die Ansicht, dass ein Pferd ein Lebewe-sen ist, das einem unglaublich viel gibt. Wenn man ihr Ver-trauen einmal hat, kann man so viel mit ihnen erreichen. Stattdessen wird das Pferd leider viel zu oft als Sportgerät benutzt. Und das, obwohl es so tolle Tiere sind, die alles für dich tun. Stimmt's Halim? Du bist kein Sportgerät oder?", fragte ich und gab dem Hengst ein Zeichen woraufhin er mit dem Kopf schüttelte. Einer der kleinen Tricks, die ich ihm mittlerweile spaßeshalber beigebracht hatte.

"Wie viel Scheiße du diesem Pferd jetzt schon beigebracht hast. Unglaublich!", lachte Johannes.

"Rumblödeln gehört auch mal dazu und er hat da echt Spaß dran, oder?", fragte ich und gab ein weiteres Zeichen, wo-raufhin Halim eifrig nickte.

"Es ist ja schon irgendwo genial.", lachte Johannes.

"Ja. Und wir haben es geschafft dich zum lachen zu bringen. Allein das ist es mir wert.", sagte ich und stand auf, um dem Hengst sein verdientes Leckerli zu geben.

"Kommst du runter zu uns?", fragte ich nun und klopfte auf den Boden, woraufhin Halim sich schließlich auf den Boden legte. Direkt wurde er wieder ausgiebig gelobt, bevor ich mich zu ihm setzte und den einen Arm über seinen Rücken leg-te, während ich den Anderen um Johannes legte, der mittler-weile wieder zu mir gerückt war.

"Du hast schon recht. Dieses Pferd hat einfach eine ganz besondere Ausstrahlung.", sagte Johannes nun.

Angel behind the AppearanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt