Kapitel 144

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Jess:

"Alles okay?", fragte ich vorsichtig.

"Bei mir ja, aber du müsstest mal nach Ty gucken.", antwor-tete Alex.

"Wieso? Was ist los?"

"Es kamen komische Geräusche aus dem Zimmer und dann haben wir nachgeguckt. Der sitzt da völlig fertig auf dem Boden und sieht aus als würde er sich jeden Moment umbringen."

"Ach scheiße! Warum muss ich mit meinen Vermutungen eigent-lich immer Recht haben?", fluchte ich und eilte zu Ty. Dieser saß allerdings nicht mehr auf dem Boden, sonder stand in der Mitte des Raumes. Doch was mir besonders Angst machte war, dass er einen Revolver in der Hand hielt und auf Nithan zielte, der ein paar Meter weit entfernt stand und offen-sichtlich mit der Situation total überfordert war.

"Ty, lass das! Das, was du da siehst, ist nicht echt! Mach jetzt nichts, was du nachher bereuen könntest!", redete ich auf ihn ein, doch er schien mich gar nicht wahr zu nehmen.

"Was ist das jetzt auf einmal?", fragte Alex verwirrt.

"Der sieht gerade etwas völlig anderes vor sich und reagiert wie er es in dieser Situation tun würde."

"Der will ihn jetzt aber nicht erschießen, oder?"

"Doch."

"Trifft der?"

"Alex, er war Scharfschütze! Natürlich trifft der!"

"Bitte, mach irgendwas!"

"Das hab ich vor! Du gehst jetzt wieder in euer Zimmer. Ich kriege Nithan da schon heil raus. Das verspreche ich dir."

"Wie kannst du das versprechen?"

"Ich hab Thomas schon aus deutlich brenzlicheren Situationen geholt. In der Beziehung bin ich Profi..", sagte ich und so verschwand Alex, während ich mich Nithan zu wand.

"Du bleibst einfach ruhig stehen. Dir wird nichts passieren. Dafür sorge ich. Du musst jetzt nur ruhig bleiben!", sagte ich und als von ihm ein Nicken kam, wand ich mich Ty zu.

Langsam ging ich auf ihn zu, doch er schien mich gar nicht wahr zu nehmen. Vorsichtig legte ich eine Hand auf seine Schulter und sagte: "Das ist nicht der, den du siehst. Das ist Nithan und er wird dir nichts tun, also nimm bitte die Waffe runter!", sagte ich ernst und konnte erkennen, wie er zu zittern begann und sich mehrere Tränen in seinen Augen sammelten. Langsam ließ er die Waffe sinken, doch bevor ich aufatmen konnte, befand sich der Lauf an seinem Kopf.

"Lass das! Selbstmord bringt niemanden etwas!", sagte ich, doch von ihm kam keine Reaktion. Schnell versuchte ich ihm den Revolver ab zu nehmen, doch er ließ nicht locker.

"Ty, jetzt lass die verdammte Pistole los! Wir kriegen das alles hin! Gib jetzt nicht auf!", flehte ich regelrecht und konnte spüren, wie mir die Tränen kamen. Ich hatte ja schon viel erlebt, doch das überforderte mich einfach. Bei den Pa-tienten, die sich die Pulsader aufschnitten, oder versuchten sich zu erdrosseln, hatte ich wenigstens noch die Chance sie schnell zu verarzten oder wieder zu beleben. Und genau das hätte ich nicht, wenn er sich jetzt erschießen würde. Ich könnte nur daneben stehen und zusehen.

"Verdammt, jetzt gib ihr die Pistole! Selbstmord bringt nichts! Ich weiß, wovon ich spreche. Und vor allen Dingen solltest du mal an Jess denken. Sie gibt alles, um dir zu helfen. Lass sie jetzt nicht mit dem Glauben zurück, dass sie schuld an deinem Tod ist!", stimmte nun auch Nithan mit ein. Und das war der Moment in dem Ty in sich zusammen brach und die Waffe zu Boden falen ließ. Schnell nahm ich sie an mich, um sie so weit wie möglich weg zu schieben, bevor ich ebenfalls auf die Knie fiel und Ty in meine Arme schloss.

Angel behind the AppearanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt