Jess:
Wenig später hatten wir den Hengst auch schon gründlich ge-putzt und ich nahm ihn erst einmal genauer unter die Lupe.
"Der Sattel passt nicht.", bemerkte ich und deutete auf die leichten Druckstellen an dem Rücken des Hengstes.
"Okay. Dann lass ich da mal einen Sattler drüber gucken.", meinte Jasmin, bevor sie den Sattel auf legte. Schon schos-sen die Ohren des Hengstes nach hinten und er stampfte mit dem Huf auf den Boden.
"Weg mit dem Sattel. Das tut ihm weh.", sagte ich und nahm ihm den Sattel wieder ab, woraufhin der Hengst sich wieder entspannte.
"Siehst du das? Der hat Schmerzen. Deshalb bockt der.", er-klärte ich.
"Okay. Und jetzt?"
"Du lässt den Sattel korrigieren und ich reite ihn ohne."
"Nein! Das geht nie im Leben gut!"
"Vertrau mir einfach. Ich reite lang genug schwierige Pfer-de, um zu wissen, was ich tue.", meinte ich und Thomas nick-te zustimmend.
"Okay. Dann hol ich mal eine Trense.", meinte Jasmin.
"Nein. Hol mal was gebissloses.", widersprach ich ihr.
"Das ist Selbstmord!"
"Nein. Problemlösung. Er hat eine sehr kleine Maulspalte. Das Gebiss wird ihm auch weh tun.", erklärte ich und darauf-hin holte Jasmin eine gebisslose Zäumung. Diese nahm ich ihr nun ab und als der Hengst diese sah, legte er die Ohren bis zum Anschlag an und peitschte mit dem Schweif.
"Alles gut. Keine Angst. Ich tu dir nicht weh.", redete ich beruhigend auf ihn ein und als der Hengst merkte, dass die Trense kein Gebiss hatte, entspannte er sich langsam wieder.
"Siehst du? Er macht das nicht, weil er doof ist, sondern weil er Schmerzen hat. Du musst ihm nur zuhören.", erklärte ich und lobte den Hengst, bevor wir dann auch schon zu dem Reitplatz gingen, wo Thomas mir auf den Rücken des Hengstes half. Und kaum saß ich oben, schoss der Hengst auch schon nach vorne und begann los zu buckeln. Ich saß das allerdings locker aus und ließ ihm einfach die Zügel lang, um ihn dann vorwärts zu treiben. Schon bald erreichte er ein Tempo bei dem es für ihn unmöglich war noch zu buckeln, sodass er nur noch rannte. So ließ ihn einfach laufen und er fand langsam Spaß daran und lief immer geschmeidiger und lockerer, sodass ich schließlich nach für nach die Zügel aufnehmen durfte und ihn mit einer ganz feinen Parade in den Trab übergehen ließ. Und plötzlich war er das liebste Pferd und ich konnte alles mit ihm machen. So ritt ich ihn noch etwa eine Stunde, bis ich bei den Anderen am Zaun wieder an hielt und den Hengst ausgiebig lobte, bevor ich ab stieg.
"Wie hast du das gemacht?", fragte Jasmin ungläubig.
"Er hat Probleme sich richtig zu lösen. Ich denke mal er ist los gebockt und du hast versucht vorne gegen zu halten, oder?"
"Ja. Klar."
"Und das konnte er nicht halten. Das versucht er dir damit zu sagen. Lass ihn einfach am langen Zügel vorwärts laufen und nehm ihn erst auf, wenn du merkst, dass er locker wird."
"Okay. Danke!"
"Kein Problem. Er ist echt ein tolles Pferd."
"Problempferde sind voll dein Ding, oder?"
"Das sind keine Problempferde. Das einzige Problem ist, dass wir sie nicht verstehen und deshalb falsch handeln. Kein Pferd der Welt buckelt und bockt, weil es daran Spaß hat. Das machen sie, weil sie uns damit irgendwas sagen wollen."
"Deine Chefin hat echt Glück mit dir! Ich wusste ja schon immer, dass du gut mit Pferden kannst, aber das ist echt un-glaublich! Da wäre ich nie im Leben drauf gekommen! Ich hät-te ihn jetzt verkauft."
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Angel behind the Appearance
Teen Fiction!Achtung! In diesem Buch werden Themen wie Gewalt, Drogen, selbstverletzendes Verhalten und verschiedene psychische Krankheiten behandelt. Wenn diese Themen dich triggern, solltest du dir gut überlegen, ob du dieses Buch wirklich lesen möchtest. "En...