Kapitel 50

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Johannes:

Als ich wieder aufwachte, stieg Jess gerade wieder ein und ich schaute mich verwirrt um. Es wurde mittlerweile schon langsam wieder hell. Waren wir etwa schon da?

"Guten Morgen!", begrüßte Jess mich mit einem Lächeln, doch ich konnte ihr ansehen, dass sie völlig fertig war.

"Morgen.", gähnte ich müde, bevor ich fragte: "Sind wir da?"

"Nein. Es ist überall Stau und ich hab gerade schnell die Pferde gefüttert und eine Runde geführt, damit die sich ein bisschen die Beine vertreten konnten. Wir sind wohl noch eine ganze Weile unterwegs.", berichtete sie.

"Du siehst müde aus.", bemerkte ich. Auch wenn müde schon gar kein Ausdruck mehr war. Sie war völlig am Ende.

"Mit genug Kaffee geht es.", meinte sie nur. Der Kaffee nützte bei ihr schon fast nichts mehr. Sie hätte da schon härtere Drogen gebraucht.

"Du solltest so nicht weiter fahren. Du musst schlafen.", schimpfte ich, denn das war definitiv nicht gut.

"Du bist lustig. Und wie kommen wir dann nach Hause? Du hast den Führerschein nicht. Ich muss schon weiter fahren."

"Ich glaube nicht, dass das so gut ist."

"Wir haben keine Alternative. Ich komm schon klar."

"Jess, du bist völlig fertig! Du kannst so nicht fahren!"

"Mach dir um mich mal keine Sorgen. Die Frage ist eher, wie es dir geht.", wechselte sie das Thema und fuhr los. Meine Güte! Sie konnte so schrecklich stur sein! Aber ich kannte sie lang genug, um zu wissen, dass ich sowieso keine Chance hatte, also gab ich einfach auf. Es hatte eh keinen Sinn.

"Psychisch oder körperlich?", ging ich daher auf ihren Thema Wechsel ein.

"Erstmal körperlich."

"Eigentlich ziemlich gut. Halt immernoch ein bisschen das Zittern, aber daran hab ich mich mittlerweile gewöhnt."

"Schön. Du siehst auch schon viel besser aus! Scheint als hätten wir es bald geschafft."

"Ja. Scheinbar schon."

"Und psychisch?"

"Nicht so super. Das Verlangen wird immer stärker."

"Welches Verlangen? Das nach Heroin oder das danach zu sterben?"

"Beides, aber an das Erste hab ich mich schon gewöhnt."

"Du tust mir echt leid, aber ich kann dir da nicht helfen."

"Du tust genug. Keine Sorge. Du hilfst mir schon, wenn du einfach nur da bist."

"Das ist schön zu wissen. Wenn irgendwas ist, dann sag Be-scheid. Sonst endet das so, wie am Freitag und das will ich nicht. Ich liebe dich und ich will nicht, dass dir irgendwas passiert."

"Ich weiß. Tut mir leid, dass ich dich so geschockt habe."

"Alles gut. Ich weiß, wie es dir geht. Außerdem schockt mich sowas nicht mehr. Da hab ich schon schlimmeres gesehen."

"Danke! Ich weiß echt nicht, was ich ohne dich tun würde!"

"Da geht es mir mit dir doch auch nicht anders."

"Wie lange fahren wir denn noch?"

"Laut den Nachrichten, ist Stau bis nach Hause."

"Na super. Die armen Pferde."

"Ja. Die muss ich dann noch ordentlich bewegen."

"Wenn wir zuhause sind, gehst du als aller erstes ins Bett! In deiner Verfassung setzt du dich garantiert nicht auf ir-gend ein Pferd! Das kann machen wer will, aber du nicht!"

"Das geht vielleicht mit den Dreien, aber wen soll ich auf Summer setzen?"

"Dann longier ihn halt, aber du setzt dich da nicht mehr drauf! Das geht nicht gut!"

"Warum nicht?"

"Du hast drei Tage nicht geschlafen und hast ein extrem anstrengendes Wochenende hinter dir. Du gehörst ins Bett!"

"Mir geht's gut!", schimpfte sie nur und ich konnte ihr an sehen, dass das ein weiterer Punkt war bei dem es keinen Sinn hatte mit ihr zu diskutieren.

"Du und dein riesiger Dickschädel!", schimpfte ich.

"So bin ich nun mal. Außerdem muss ich auch noch zu Kyle. Schlafen kann ich heute Abend."

"Wehe du klappst mir zusammen!"

"Nein. Ich weiß, dass du mit sowas nicht umgehen kannst."

"Und denk dran, dass du nächste Woche die Prüfungen hast! Da musst du wach sein!"

"Wozu gibt es Kaffee?"

"Wenn du so weiter machst, klappst du bald zusammen! So viel Kaffee ist auch nicht gesund!"

"Ich bin hier die Ärztin, ja? Ich weiß schon, was gut für mich ist und was nicht."

"Das Gefühl hab ich gerade nicht."

"Johannes, mir geht's gut! Hör einfach auf! Für solche Dis-kussionen hab ich gerade echt keine Nerven!"

"Für was für Themen hast du denn noch Nerven?", fragte ich, denn sie wirkte nicht als hätte sie das noch für irgend etwas. Sie war einfach nur völlig am Ende und das gepaart mit dem Stau war nicht gerade förderlich für ihre Nerven.

"Was hältst du denn von Thomas?", fragte sie. Ja. Was sollte ich von ihm halten? Ich kannte ihn erst seit wenigen Stunden und hatte da nicht gerade viel mit ihm zu tun gehabt.

"Er scheint ganz nett zu sein. Und man merkt vor allen Din-gen, dass du ihm echt wichtig bist.", antwortete ich, denn das hatte ich gemerkt. Er war der Erste, der sich genauso viele Sorgen um Jess machte, wie ich es tat.

"Ja. Er hat schon immer alles für mich getan. Ohne ihn wäre ich jetzt tot, aber das weißt du ja schon.", meinte sie.

"Ja. Aber er scheint schon schwer in Ordnung zu sein."

"Das ist er. Übrigens wird er bei uns einziehen. Da hast du doch kein Problem mit, oder?", fragte sie. Okay. Das kam jetzt plötzlich. Es war ja nicht so, dass das eigentlich mein Haus war. Naja. Immerhin fragte sie vorher. Auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass sie nur eine Antwort dul-den würde. Aber was hatte ich auch dagegen ein zu wenden? Er war ihr Bruder und sie hatte ihn 17 Jahre lang vermisst. Ich konnte es ihr nicht verübeln, dass sie ihn jetzt bei sich haben wollte und wir hatten mehr als genug Platz.

"Nein. Wenn es dich glücklich macht natürlich nicht. Und wie ich dich kenne, wird Kyle wohl auch bei uns einziehen.", meinte ich daher. Ich kannte es von Jess mittlerweile, dass auch mal ein Patient bei uns wohnte. So war sie eben und da musste ich mit leben.

"Aber nur übergangsweise.", verteidigte sie sich.

"Ist schon okay. Solang du nicht noch mehr Junkies von der Straße adoptierst, die bei uns einziehen.", scherzte ich. Wobei mich das bei ihr nicht mal wundern würde.

"Ne. Da hört es dann auf.", sagte sie jedoch. Mal sehen, wie lange sie bei dieser Meinung blieben würde.

"Dann ist ja gut.", sagte ich nur mit einem Lächeln.

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