Kapitel 169

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Johannes:

"Und Verkauft!", vernahm ich den Auktionator wie durch einen Schleier und das war der Moment in dem ich die Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Damit war es entschieden. Sie war verkauft. Und auch wenn von Anfang an klar war, dass das passieren würde, tat es doch unglaublich weh.

Eine Träne nach der Anderen lief mir die Wange entlang und ich verließ das Stadion langsam wieder. Die Stute neben mir verstand die Welt nicht mehr und stupste mich immer wieder sanft mit der Nase an, doch das machte es kein Stück einfa-cher. Sie war so ein tolles Pferd, aber ich musste sie gehen lassen. Sie hatte jetzt eine neue Besitzerin. Sie würde es dort gut haben. Das musste ich mir nur noch oft genug sagen.

Bei Jess angekommen schloss sie mich einfach nur in ihre Ar-me und zog mich fest an sich. Und damit gab sie mir genau das, was ich in diesem Moment so dringend brauchte. Halt. Doch gleichzeitig tat es auch verdammt weh, denn ich wusste, dass ich sie ebenfalls gehen lassen musste. Noch nicht jetzt, aber in gerade mal einem Jahr musste ich mich auch von ihr verabschieden. Scheiße, warum war das Schicksal nur so ein verdammtes Arschloch? Warum war es mir einfach nicht gegönnt glücklich zu sein? Warum musste ich alles verlieren, was ich liebte? Was hatte ich verdammt nochmal getan das al-les zu verdienen?

"Entschuldigung, darf ich kurz stören?", unterbrach uns in dem Moment eine Frau. Am liebsten hätte ich sofort nein ge-sagt und ich war mir sicher, dass es Jess da nicht anders ging, doch bevor wir irgendwas sagen konnte, schritt Sue ein und sagte: "Natürlich. Ich nehm Johannes mit."

Und ehe ich mich versah, hatte sie mich auch schon von Jess weg gezogen und ging mit mir zusammen weg von dem Turnierge-lände und in den Wald, wo wir uns auf einen umgefallenen Baumstamm setzten.

"Nimm es mir bitte nicht böse, aber ich glaube es ist ein-facher, wenn Jess das gerade klärt. Dann musst du es nicht machen.", erklärte sie und auch wenn ich sie vor wenigen Mi-nuten am liebsten erwürgt hatte, musste ich ihr jetzt doch zustimmen und war ihr irgendwie dankbar.

"Ist das ihre...", schniefte ich, doch ich wagte es nicht diesen Satz aus zu sprechen.

"Ja. Sie hat die Kleine gekauft. Und glaub mir, bei ihr wird sie in guten Händen sein."

"Woher willst du das wissen?"

"Sie hat mit mir und Jess zwei Jahre studiert, bevor sie nach England gezogen ist. Ich kenn sie schon eine Weile und ich kann dir versprechen, dass sie gut auf die Kleine auf-passen wird. An sie kannst du sie sorglos abgeben."

"Was hat sie mit ihr vor?"

"Das wird Jess dann klären. Du musst dir auf jeden Fall kei-ne Sorgen machen, dass mit ihr irgendwas schreckliches pas-siert. Sie ist zwar weit weg, aber in den besten Händen."

Ich nickte nur. Das tröstete mich zwar etwas, aber einfacher wurde es deshalb doch nicht. Ich musste sie trotzdem gehen lassen. Genauso wie Jess.

"Du hast dich wirklich Hals über Kopf in die Maus verliebt, oder?", unterbrach Sue meine Gedanken.

"Er hat 100 Tage lang fast den ganzen Tag mit ihr verbracht und unglaublich viel mit ihr erlebt. Da ist es unmöglich sich nicht in so ein wundervolles Pferd zu verlieben.", hör-te ich Jess in dem Moment sagen und kurz darauf spürte ich auch schon einen Arm um meinen Schultern. Sanft zog sie mich zu sich und fragte: "Hat Sue dir erklärt, wer die Kleine ge-kauft hat?"

Ich nickte nur.

"Sie kommt in einen wunderschönen Offenstall mit einer rie-sigen Weidefläche und einem befestigten Paddock im Winter. Da steht sie in einer Herde mit 20 anderen Pferden und kann sich den ganzen Tag frei bewegen. Und Christina und ihre Tochter werden mit ihr Vielseitigkeit reiten. Dann kann sie auch ihren Spaß beim Springen ausleben und für ihr Tempera-ment ist das auch das perfekte. Besser hätte es gar nicht laufen können.", berichtete sie.

"Wann fährt sie?", war das Einzige, was mich interessierte.

"Heute Abend. Unser Plan ist, dass du ihr jetzt so eine Stunde in Ruhe eine Einführung gibst und ihr alles erklärst, was sie beachten musst und dann hast du den Rest des Tages Zeit dich zu verabschieden. Sie wird sie dann gegen sieben Uhr aufladan und losfahren."

"Okay."

"Möchtest du lieber alleine sein oder soll ich hier bleiben? Dann kümmern sich die Anderen um unsere Jungs."

"Ja."

"Was ja? Soll ich hier bleiben?", fragte sie und ich nickte.

"Okay. Dann geh ich und fahr mit den Anderen los die Pferde machen.", beschloss Sue und ging.

"Wollen wir los oder brauchst du noch einen Moment?", fragte Jess, als sie außer Hörweite war.

"Ich weiß nicht.", antwortete ich ehrlich.

"Okay. Dann warten wir noch und wenn du so weit bist, sagst du einfach Bescheid.", sagte sie und zog mich noch etwas nä-her zu sich.

So saßen wir noch eine Weile, bis wir dann zurück zu dem Turniergelände gingen. Dort stand eine Frau mit langen, braunen Haaren an der Box der Stute und streichelte sie sanft. Ihre Augen strahlten und auch die Stute schien kei-neswegs scheu oder unsicher. Das war ja immerhin schon mal ein guter Anfang.

Und so ging es auch weiter. Ganz in Ruhe unterhielten wir uns über die Kleine und ich erklärte ihr alles, bevor wir dann schließlich ein wenig Bodenarbeit mit ihr machten und die Frau sich auf ihren Rücken schwang. Und zu meinem Er-staunen war die Stute völlig ruhig. Sie schaute zwar kurz verwirrt nach hinten, da bisher noch niemand außer mir und ganz kurz auch Tara und Sarah, auf ihrem Rücken gesessen hatte, doch sie akzeptierte die Frau schnell und die Beiden fummelten sich schon bald zusammen. Und ich musste zugeben, dass sie da wirklich in ganz tolle Hände kam. Diese Frau würde sie bestens fördern und ich war mir sicher, dass sie ein tolles Pferd aus ihr machen würde. Trotzdem fiel es mir extrem schwer sie los zu lassen und ich war mehr als nur glücklich darüber, dass ich zumindest noch zwei Stunden hatte in denen ich mich in Ruhe von ihr verabschieden kon-nte. Und diese Zeit nutzte ich indem ich noch ein aller letztes Mal ein paar Dressurlektionen mit ihr ritt, bevor ich ihr dann Sattel und Trense ab nahm und frei noch ein we-nig mit ihr spielte. Und genau das war das, was ich so sehr vermissen würde. Natürlich standen auf dem Gestüt haufenwei-se tolle Pferde mit denen ich spielen konnte, doch das war einfach nicht das Gleiche. Nur sie reagierte auf die aller kleinsten Signale und nur mit ihr machte das so unglaublich viel Spaß. Mit einem Wildpferd zu spielen war einfach was völlig anderes. Das war so ein besonderes Gefühl und das würde ich mit keinem anderen Pferd jemals erreichen können. Dafür waren unsere Pferde schon viel zu abgestumpft. Sie hingegen kannte nur die Körpersprache und sie wurde noch von keinem Menschen verfuscht. Mit ihr hatte nur ich gearbeitet und ich musste zugeben, dass ich darauf doch verdammt stolz war. Jess hatte mir zwar immer mit Rat und Tat zur Seite ge-standen, aber dennoch hatte ich dieses komplett wilde Pferd ausgebildet und es mit ihr zusammen so weit gebracht, dass ich all mein Ziele erreicht hatte.

Zum Schluss versorgten wir die Stute dann in aller Ruhe und ich putzte sie gründlich, während Jess alle Sachen packte.

Und dann war es so weit. Die Anderen kamen und ich musste mich endgültig von der Kleinen verabschieden. Ein aller letztes Mal halfterte ich sie auf und führte sie aus der Box heraus. Dort verabschiedeten sich alle von ihr und jeder streichelte sie noch ein letztes Mal, bevor ich sie in den Anhänger führte. Ganz brav trottete sie mir hinterher und dann hieß es auch für mich Abschied nehmen. Ein letztes Mal hielt ich ihr meine Hand hin und sie legte sanft ihre Nüs-tern daran. So, wie sie es bei unserer ersten Berührung ge-tan hatte. Und das war der Moment in dem mir mal wieder die Tränen kamen. Wir hatten so viel miteinander erlebt und ich hätte nie erwartet, dass dieser Abschied so schwer werden würde. Doch ich musste es endlich hinter mich bringen. Ich musste sie gehen lassen.

"Tschüss meine Kleine! Danke für alles, was du mir beige-bracht hast! Ich werd dich nie vergessen, das verspreche ich dir!", flüsterte ich und strich ihr noch einmal sanft über den Kopf, bevor ich schweren Herzens den Anhänger verließ.

Angel behind the AppearanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt