Kapitel 168

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Jess:

Lange unterhielten wir uns in dieser Nacht noch, bis es dann am nächsten Morgen schon früh wieder zu dem Turnierplatz ging. Wie auch an den letzten Tagen fütterten wir die Stute, doch dann putzten wir sie auf Hochglanz und gingen in den kleinen Wald neben dem Turnierplatz, wo Diana ein paar Fotos von uns und der Stute machte. Und dann war es auch schon so weit. In aller Ruhe machten wir die Stute fertig und auch Sue wechselte zu dem langen, roten Kleid, bevor Johannes Ra-shida dann locker ein wenig aufwärmte.

Und ehe wir uns versahen standen wir auch schon am Einlass. Johannes war mittlerweile tierisch nervös und ich musste zu-geben, dass es mir da nicht anders ging. Trotzdem zwang ich mich die Ruhe zu behalten. Wenn ich jetzt auch noch hibbelig wurde, würde Johannes endgültig durchdrehen.

Ich blieb also so ruhig wie irgendwie möglich und redete be-ruhigend auf ihn ein, bis es dann auch schon los ging. Sue betrat als erste die Bahn und stieg auf das Podest in der Mitte. Dort setzte sie die Geige an und begann zu spielen. Wie abgesprochen spielte sie die ersten Takte, bevor Johan-nes dann ein ritt.

"Zeig ihnen, was ihr könnt!", sagte ich noch, doch das hätte ich gar nicht sagen müssen, denn die Beiden zeigten eine ab-solut grandiose Kür. Erst vom Boden aus in der Freiarbeit in der sie auch ihre Kunststücke zeigten und schließlich stieg er auch auf und zeigte die Dressur Kür, die wir erarbeitet hatten. Nahezu jeder Schritt saß und als er schließlich bei Sue auf dem Podest stand und die Stute such verbeugte, ha-gelte es Applaus. Das war einfach nur perfekt!

Die Drei verließen die Bahn nun wieder und ich steckte der Stute noch einige Leckerlies zu, bevor wir sie absattelten und in die Box stellten, bis auch die anderen Teilnehmer durch waren. Danach legten wir der Stute wieder die Trense an und Johannes stieg wieder auf. Während die Anderen nun zu den Tribünen gingen, begleitete ich Johannes zum Einlass.

"Ich hab Angst.", flüsterte er.

"Ich auch. Aber wir können sie nicht behalten und nach der Vorstellung kommt sie bestimmt in ganz tolle Hände."

"Ich hoffe es."

"Das tun wir alle, aber wir haben da leider keinen Einfluss drauf. Und mich interessiert jetzt mal, welchen Platz die Kleine gemacht hat. Ihr seid garantiert unter den top 3."

"Das ist mir momentan relativ egal."

"Ich kann es verstehen. Aber wir können es nicht ändern. Und jetzt musst du da rein und deine Platzierung abholen."

"Wenn dann ist das unsere.", sagte er noch, bevor er mit den Anderen in das Stadion ritt. Und tatsächlich hatten die Bei-den den zweiten Platz gemacht und durften mit Schleife und Blumenstrauß die Ehrenrunde reiten. Danach verließen alle das Stadion wieder und dann hieß es warten. Von den hinteren Plätzen an wurden die Pferde nun nacheinander aufgerufen und versteigert. Johannes ritt also zu mir und stieg ab. Von Freude über die Platzierung war nichts zu sehen, aber das konnte ich sehr gut verstehen.

"Zweiter Platz ist doch super.", versuchte ich zumindest ihn auf zu muntern und legte sanft einen Arm um ihn. Von ihm kam nur ein Nicken.

"Komm. Dann satteln wir sie schonmal ab. Wir haben ja noch einen Moment Zeit.", beschloss ich schließlich und nahm ihm die Zügel ab, um mit der Stute zusammen zurück zu ihrer Box zu gehen. Dort sattelten wir sie in aller Ruhe ab und putz-ten sie nochmal über, bevor wir ihr dann ihr Knotenhalfter an legten und zurück zu dem Stadion gingen. Da wir uns bei all dem viel Zeit ließen kamen wir genau pünktlich, als der Drittplatzierte das Stadion betrat. Allgemein herrschte un-ter den Trainern eine bedrückte Stimmung und keiner konnte sich so recht über seine Platzierung freuen. Viel zu groß war die Trauer darüber, dass man dieses Pferd nun in fremde Hände geben musste und es vielleicht nie wieder sehen würde.

Der Drittplatzierte wurde für einen absoluten Rekordpreis von 20.460 Dollar verkauft und dann war es auch schon so weit. Die Nummer unserer Stute wurde aufgerufen und Johannes atmete noch ein letztes Mal tief durch, bevor er mit ihr am Strick das Stadion ein aller letztes Mal betrat. Ganz brav trottete die Stute neben ihm her und sie blieben schließlich neben dem Truck stehen auf dessen Ladefläche der Auktionator stand. Dieser nannte nun die wichtigsten Daten der Stute, bevor Johannes dann das Mikrophon überreicht bekam und etwas über die Stute erzählen sollte.

"Ja. Was soll ich sagen. Die Kleine ist einfach toll.", be-gann er unsicher und um ihn herum begannen alle zu Lachen und auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Damit hatte er so verdammt Recht!

"Sie ein sehr temperamentvolles Pferd und braucht jemanden, der sie zwischendurch bremst und auch mal etwas deutlicher durch greift. Gleichzeitig ist sie aber auch sehr scheu und unsicher und braucht einfach ihre Zeit, um Vertrauen zu fas-sen. Wenn man ihr Vertrauen aber erstmal hat, geht sie für einen durch's Feuer. Egal, was man von ihr fordert, sie gibt immer ihr aller bestes und hat einen unglaublichen Ehrgeiz. Sie will lernen und sie will gefordert werden. Gleichzeitig braucht sie aber auch zwischendurch Pausen und liebt es, wenn man in der Freiarbeit mit ihr spielt. Vor allen Dingen ist sie aber ein liebevolles, freundliches und sehr umgäng-liches Pferd zum Spaß haben, aber auch für Turniere. Sie liebt es sich vor Publikum zu präsentieren und ist das per-fekte Dressurpferd. Mit ihr zu arbeiten macht einfach in al-len Bereichen Spaß und sie ist immer mit Herzblut dabei.", fügte er noch hinzu und ihm war deutlich an zu hören, das er den Tränen mit jedem Satz näher war. Er liebte dieses Pferd so sehr und ich wusste, dass es ihm gerade das Herz brach sie verkaufen zu müssen, aber ich wusste, dass wir keine an-dere Wahl hatten. Wir hatten weder Zeit noch Geld, um ein weiteres Pferd zu kaufen. Sie hatte jemanden verdient, der sich mit ihr alle Zeit der Welt nehmen konnte und sie in al-ler Ruhe fördern konnte. Das wussten wir beide, doch das machte es kein Stück einfacher.

"Ihr habt es gehört. Wir haben hier eine ganz tolle Stute und beginnen die Auktion mit einem Startgebot von 5.000 Dol-lar.", verkündete der Mann schließlich und schon hagelte es die ersten Gebote. Ich dachte schon wir würden den Rekord des vorherigen Pferdes nochmal brechen, doch bei einer Summe von 7.000 Dollar wurde es plötzlich ruhig. Es folgten nur noch vereinzelte Gebote und bei 7.525 hörte es plötzlich auf.

"7.525 zum Ersten, zum Zweiten, 7.525 zum Dritten und Ver-kauft!", verkündete der Auktionator und damit war es vorbei. Sie war verkauft. Das Pferd in das wir 100 Tage lang so viel Arbeit und Liebe gesteckt hatten gehörte nun einer fremden Frau. Und das für einen absolut lächerlichen Preis.

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