Kapitel 155

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Johannes:

Ich ging gerade mit einer vollen Schubkarre zum Misthaufen, als Jess mir mit samt den drei Pferden entgegen kam.

"Was machst du denn schon hier?", fragte ich verwundert. Eigentlich müsste sie um diese Zeit in der Klinik sein.

"Nach der letzten Nacht hat Kasey mir heute frei gegeben. Machen wir schnell die Pferde?", fragte sie.

"Ich muss noch fertig misten, aber du könntest mit Silvano oder so anfangen und ich komm dann dazu.", schlug ich vor.

"Okay. Dann lass dich mal nicht aufhalten.", sagte sie und so beendete ich meine Arbeit schnell noch, bevor ich mich dann auf die Suche nach Jess machte. Ich fand sie schließ-lich am Dressurviereck, wo sie mit nur einem Halfter und zwei Stricken einfach nur perfekt Dressur ritt. Jeder Schritt saß perfekt und das obwohl sie auf so einem jungen Pferd saß und dazu noch kaum auf es einwirken konnte. Ein-fach nur unglaublich! Doch was mich störte waren die Tränen in ihren Augen. Was war in dieser Nacht nur passiert? Es schien sie auf jeden Fall ordentlich mitgenommen zu haben, denn als sie zum Schritt durch parierte konnte ich genau erkennen, dass sie kreidebleich war.

"Jess?", fragte ich vorsichtig. Ich konnte nicht ganz ein-schätzen, was nun los war. Wortlos hielt sie vor mir an, stieg ab und fiel mir schluchzend in die Arme.

"Was ist los? Was war heute Nacht?", fragte ich besorgt und strich ihr tröstend über den Rücken, doch von ihr kam keine Antwort. Was war nur los? So fertig hatte ich sie erst ganz wenige Male erlebt.

In dem Moment kam Stephanie zu uns und ich warf ihr nur kurz einen Blick zu, woraufhin sie Silvano mit nahm und wieder verschwand. Ich wand mich nun wieder Jess zu und strich ihr immer wieder tröstend über den Rücken, bis sie sich langsam etwas beruhigte.

"Was ist los?", fragte ich besorgt. So langsam machte mir das doch etwas Angst.

"Ich hab aufgegeben.", schluchzte sie, doch das verwirrte mich nur noch mehr.

"Wen oder was hast du aufgegeben?", fragte ich weiter.

"Amy.", antwortete sie. Das war also das Problem. Mit ihr schien irgendwas nicht zu stimmen.

"Ist sie tot?"

"Nein."

"Dann ist doch alles gut oder nicht?"

"Nein."

"Was ist denn passiert?"

"Sie hat nur noch versucht sich um zu bringen und nachdem Kasey ihr alles weggenommen hat, hat sie mit ihrem Kopf ge-gen die Wand geschlagen, bis das Blut kam. Ich hab noch nie einen Menschen gesehen dessen Wunsch zu sterben so stark war. Ich konnte das nicht mehr ertragen. Ich hab sie aufge-geben. Wegen mir ist sie jetzt auf der Geschlossenen."

"Vielleicht ist sie da besser aufgehoben."

"Nein. Da geht sie kaputt. Du kannst dir nicht vorstellen, was sie da mit ihr machen."

"So grausam kann das doch nicht sein."

"Einen Menschen der schwer traumatisiert ist, weil er ent-führt und gefesselt wurde an ein Bett zu fesseln, damit er sich nichts mehr antun kann findest du also nicht schlimm? Damit wird alles nur noch schlimmer. Sie geht da ein."

"Süße, du kannst da nichts für. Du hast alles versucht um ihr zu helfen. Mehr hättest du nicht tun können. Du kannst nicht jeden Menschen retten. Auch wenn du das gern würdest."

"Ich hab versagt. Und das genau bei der Person, die ich in und auswendig kenne."

"Du hast nicht versagt. Du hast alles versucht, aber du kan-nst keine Wunder bewirken. Wenn ein Mensch den Entschluss gefasst hat zu sterben, kann man dagegen nichts tun. Das hast du selber gesagt. Außerdem hast du sie schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen. Nach so vielen Jahren sind auch die besten Freunde fremd. Außerdem lebt sie doch noch. Viel-leicht können deine Kollegen ihr ja doch noch helfen. Es ist doch alles nicht so aussichtslos."

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