Jess:
Diesen Tag würde ich niemals vergessen! Da war ich mir si-cher. Völlig am Ende aber über glücklich stieg ich von Ha-lims Rücken und Johannes schloss mich direkt in seine Arme.
"Du hast es geschafft!", flüsterte er und strich mir trös-tend über den Rücken.
"Wir haben es geschafft.", schniefte ich unter Freuden Trä-nen. Ich konnte das alles einfach immer noch nicht glauben.
Als ich mich dann wieder beruhigt hatte, ging ich mit Johan-nes zusammen zurück zum Stall. Zoe und Sue hatten Halim be-reits mit genommen und so gingen wir zu zweit, Arm in Arm, über den Turnierplatz auf dem langsam Ruhe ein kehrte. Die Prüfung waren alle vorbei und die Zuschauer hatten sich auf den Weg nach Hause gemacht. Es waren nur noch wenige Reiter zu sehen, die ihre Pferde verluden und ihre Sachen packten.
Einige Meter vor dem Stallzelt verharrte ich allerdings in meiner Bewegung und schaute den Mann vor mir an.
Ich schaute ihm direkt in die grünen Augen und ich konnte spüren, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Das konnte nicht sein! Ich musste ihn verwechseln. Das konnte einfach nicht sein!
"Stimmt irgendwas nicht?", fragte Johannes verwirrt, doch ich schaffte es nicht ihm zu antworten. Stattdessen flossen mir die Tränen unaufhaltsam die Wange entlang.
"Jess? Was ist los?", fragte Johannes erneut und Sorge klang in seiner Stimme mit. Am liebsten hätte ich ihm alles er-klärt, doch ich konnte nicht. In meinem Hals steckte ein riesiger Kloß, der es mir unmöglich machte irgendwas zu sa-gen. Und selbst wenn ich es gekonnt hätte, was hätte ich sa-gen sollen? Ich wusste doch selbst nicht, was los war. Ent-weder ich drehte durch oder... Nein. Ich musste durch der-hen. Eine andere Erklärung gab es dafür nicht.
Wie erstarrt stand ich da und starrte den Mann an, während mir immer mehr Tränen die Wange entlang liefen. Dem Mann vor mir schien es allerdings nicht anders zu gehen. Er starrte mich genauso an und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.
"Jessie?", fragte er irgendwann und das war der Moment in dem ich die letzten Schritte auf ihn zu ging und ihm einfach nur noch um den Hals fiel. Er schloss mich fest in seine Ar-me und in dem Moment war ich wohl der glücklichste Mensch auf diesem Planeten. So unglaublich lange hatte ich auf die-sen Moment gewartet und es war noch so viel besser als ich es mir immer vorgestellt hatte.
"Entschuldigung, aber wer zur Hölle sind Sie und was wollen Sie von Jess?", fragte Johannes schließlich völlig verwirrt.
"Ich bin Thomas und wer bist du?", fragte der Mann freund-lich, jedoch ohne mich los zu lassen.
"Ich bin Johannes. Was willst du von Jess?", fragte Johannes ernst. Da stand aber jemand ordentlich auf dem Schlauch. Da-bei hatten wir uns schon immer so ähnlich gesehen.
"Schatz, das ist mein Bruder.", schniefte ich.
"Oh.", kam es nur noch von ihm. Ich nahm ihn allerdings gar nicht wirklich wahr. Ich war einfach unheimlich... Ja. Was war ich eigentlich? Auf jeden Fall erleichtert und glücklich ihn lebend wieder zu sehen und wie es aussah, ging es ihm wirklich gut.
"Ich hab dich so vermisst!", schluchzte ich nach einiger Zeit des Schweigens.
"Ich dich auch, meine Kleine. Ich dich auch.", sagte er und strich mir beruhigend über den Rücken.
So standen wir eine lange Zeit, bis ich mich wieder beruhigt hatte und mich langsam wieder von ihm löste.
"Wie geht's dir?", fragte er nun.
"Sehr gut. Und dir? Wie lange bist du schon draußen? Und was machst du auf einem Dressurturnier?", sprudelte es nur so aus mir heraus.
"Ich bin seit ungefähr einem Jahr draußen und hab gestern in der Zeitung gelesen, dass eine gewisse Jessica Blade hier als Favoritin gilt. Da dachte ich ich gucke mal, ob ich die nicht vielleicht kenne.", berichtete er ruhig.
"Scheint als kennst du die diesjährige Meisterin.", meinte ich mit einem Lächeln.
"Ja. Das sah aber auch mega gut aus! Seit wann reitest du eigentlich Dressur? Ich dachte die ganze Zeit im Kreis rei-ten ist langweilig und dir fehlt da die Action."
"Als ich das gesagt hab, war ich um einiges kleiner und un-erfahrener. Mittlerweile reite ich seit 14 Jahren Dressur und bin mit meinem Pferd kurz vor Grand Prix."
"Du hast ein eigenes Pferd?"
"Ja. Der, den ich vorhin geritten bin. Halim. Der gehört seit bald 14 Jahren mir."
"Und du reitest dann nur den?"
"Nein. Nebenbei reite ich noch ein Pferd von einer Freundin auf Turnieren und einmal die Woche im Training und hab immer zwei Pferde, die ich ausbilde. Das ist mein Nebenjob."
"Aha. Und was machst du hauptberuflich?"
"Ich stehe kurz vor meinen Prüfungen zur Fachärztin in einer Entzugsklinik."
"Jetzt echt?"
"Ja. Ich hab mein Abi nachgeholt, Medizin studiert und die Ausbildung jetzt fast abgeschlossen."
"Wow! Toll! Hast du damals direkt den Entzug gemacht?"
"Nein. Ich hab noch zwei Jahre weiter gemacht und es so weit auf die Spitze getrieben, dass ich fast an einer Überdosis gestorben wäre. Danach hab ich dann einen Entzug gemacht. Und was hast du so gemacht?"
"Ich musste im Gefängnis ja dann einen Entzug machen und hab da mein Abi und eine Ausbildung zum Einzelhandelsverkäufer gemacht. Seit letztem Jahr arbeite ich in einem Laden."
"Und wo wohnst du?"
"Wenn der Typ eben den Stall für den du reitest richtig durchgesagt hat, wohne ich nur ein paar Meter daneben."
"Ernsthaft? Wie kommt es, dass wir uns nie gesehen haben?"
"Ich denke mal du wirst Nachmittags reiten, oder?"
"Meistens schon, aber das ist unterschiedlich."
"Ich arbeite Nachmittags."
"Achso. Okay. Und wie bist du hier her gekommen? Du hast doch bestimmt keinen Führerschein, oder?"
"Mit der Bahn."
"Ernsthaft? Das ist doch mega umständlich!"
"Ja, aber es funktioniert."
"Zurück fährst du mit uns."
"Wann fahrt ihr denn? Ich muss morgen wieder arbeiten."
"Jetzt gleich. Wir müssen nur noch die Pferde verladen dann geht es wieder los."
"Okay. Wie viele Pferde habt ihr denn mit?"
"Alle vier."
"Jetzt echt?"
"Ja klar. Ich hab da sämtliche Prüfungen mit genommen."
"Wie schaffst du das?"
"Ich hab meinen persönlichen Pfleger an meiner Seite. Er kümmert sich um alles, sodass ich nur reiten muss."
"Achso. Und nach dem Schatz eben zu beurteilen, würde ich mal vermuten ihr seid zusammen?"
"Ja. Johannes und ich sind seit bald sechs Jahren zusammen und er arbeitet seit etwas mehr als sechs Jahren bei uns im Stall als mein Pfleger.", erklärte ich und so unterhielten wir uns, bis Johannes anmerkte: "Wir müssten so langsam mal los. Die anderen Beiden warten bestimmt schon."
"Ja. Stimmt.", bemerkte ich mit einem Blick auf die Uhr.
"Welche anderen Beiden?" fragte mein Bruder leicht verwirrt.
"Sue und Zoe. Sue ist meine beste Freundin und Zoe ist ihre große Schwester. Die wohnt hier in der Nähe und zu dem Tur-nier hier können wir immer bei ihr übernachten."
"Und wo sind die?"
"Im Stall. Die kümmern sich schon um die Pferde."
"Achso."
DU LIEST GERADE
Angel behind the Appearance
Teen Fiction!Achtung! In diesem Buch werden Themen wie Gewalt, Drogen, selbstverletzendes Verhalten und verschiedene psychische Krankheiten behandelt. Wenn diese Themen dich triggern, solltest du dir gut überlegen, ob du dieses Buch wirklich lesen möchtest. "En...