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Niemals in meinem Leben hätte ich gedacht, dass ich nach Hause gehe, um mein zu Hause zu verlassen. Jeder hat bei uns die perfekte Verbindung gesehen und sogar eine Wahrsagerin hat uns ewiges Glück versprochen. Augenscheinlich meinte sie nicht mit einander. Ich habe viel zurück gesteckt. Die letzten zwei Jahre habe ich nur vor mich her gelebt, kam meinen Pflichten nach und habe immer von einer besseren Zeit geträumt. Nur leider war das nicht Times Wunsch. Er hatte sich immer wieder gegen mich und für willkürliche Typen entschieden, von denen er sogar die meisten Namen bereits vergessen hatte.

Aber das war jetzt vorbei. Ich würde endlich für mich einstehen und den Wunsch nach Respekt und Akzeptanz an erster Stelle setzen. Ich bin immer noch von sehr viel Liebe umgeben, die mir Halt und Trost spendeten.

Ich stellte meine Koffer ab und ging auf direktem Weg ins Wohnzimmer. Setzte mich gegenüber von Time, der dort, wie mir jetzt erst klar wird, ziemlich selbstgefällig saß. Ich bemühte mich ruhig zu bleiben. Ich wollte mich mit ihm aussprechen und eine gemeinsame Lösung finden. Die Vorstellung dass meine Wut diese Trennung hinauszögern würde, war genug um ihm zwar mit Bedauern aber aufrichtig in die Augen sehen zu können. Wir sahen uns einen Moment lang an und es war, als würden all die schönen Erinnerungen an meinem inneren Auge vorbei ziehen. Ich wollte ihn nicht verlassen, ich wollte seine Wärme und sein Licht nicht verlieren. Aber ich wollte noch weniger weiter wie ein Vogel in einem Käfig stecken. Ich unterbrach als erster die Stille. -Warum?- Dieses Wort wirkt gewichtslos, als könnte es jeden Moment im nichts verschwinden. Aber dieses eine kleine Wort konnte auch einen ganzen See voller Trauer tragen und wie ein Taifun ein stolzes Land auslöschen. Ich sah ihm an, dass er die richtigen Worte suchte, allerdings wollte ich eine Antwort auf alles und nicht auf diese eine Nacht. -Taytay, ich habe einen Fehler gemacht und ich wusste nicht, dass dieses Foto existiert. Ich hätte so etwas niemals zugelassen.- ich ignorierte seine Aussage und fragte erneut. -Wieso war ich dir nie genug?- ich spürte, wie sich eine Träne in meinem Auge sammelte, aber ich hielt sie zurück. Ich habe mir schon vor langer Zeit geschworen, dass er sie nicht mehr sehen wird. -Du bist genug. Du bist mein Leben. Ich habe zu viel getrunken...-
-Time!- unterbrach ich ihn. Ich hatte seine Ausreden so satt und er konnte sowieso nicht mehr sagen, was ich nicht schon gehört hatte.

-Das Reicht. Ich will nicht mehr. Ich beende unsere Beziehung.- Sein ganzes Gesicht war mit einem Schlag angsterfüllt. -Nein! Wir können das hinbekommen. Ich ändere mich. Ich werde nicht mehr weggehen und nur noch bei dir sein. Du kannst das nicht einfach so beenden.- er wurde panisch und sah aus, als würde er jeden Moment den Verstand verlieren. -Ich möchte aber nicht mehr. Ich habe dich jahrelang angebettelt mir treu zu sein. Ich habe alles getan, damit du nur mich siehst und trotzdem hat dir das nicht gereicht. Wir sind zu kaputt, das bekommt man nicht mehr hin.- Time kam zu mir und kniete sich vor mich hin. Er sah gebrochen aus und zum aller ersten Mal schenkte er mir eine seiner Tränen. -Taytay, das kannst du nicht ernst meinen. Ich bin niemand ohne dich. Ich überlebe nicht ohne dich. Ich...- Plötzlich stockte er und sein Blick verfinsterte sich. Er fasste unsanft mein Kinn und riss meinen Kopf zur Seite. -Du Heuchler! Was ist das? Du kommst hier her, verurteilst mich, bist aber kein Stück besser!- wütend warf er meinen Kopf in die andere Richtung und stellte sich hin. Ich hatte ihn noch nie so rasend erlebt. Aber ich riss mich zusammen. Es war Time, er würde mich nie verletzen. -Das hatte nichts mit dir zu tun. Ich...-

Time schlug mit beiden Händen links und rechts neben mich auf die Couch. Ich zuckte zusammen und verschluckte meine Worte. So aufbrausend hatte ich ihn noch nie erlebt. Doch im nächsten Moment wurde er beunruhigend still. Ich wollte etwas wegrücken um Raum zwischen uns zu bekommen, aber er war schneller und nahm meinen Kopf zwischen seine Hände. -Wir sind quitt. Bisher hatte immer tiefe Schuld an mir genagt, aber du bist auch kein Unschuldslamm.- er setzte sich auf mich und erdrückte mich mit seinem Gewicht. Mein Herz fing an wie wild zu schlagen, und zum ersten Mal machte mir seine Nähe Angst. -Time, geh runter.- sagte ich so ruhig wie ich konnte, doch er hörte mich nicht. -Ich verzeihe dir! Wir können von Vorne anfangen und werden wieder glücklich.- er legte seine Stirn an meine und sah mich an. -Time! Lass mich los. Geh runter von mir!- ich versuchte ihn von mir herunter zu schieben, aber er war einfach zu schwer. Ich brauchte Abstand. Körperlichen Abstand von ihm. Ich wusste nicht was in ihn gefahren war, aber er war wie in einem Rausch. -Wir vertragen uns jetzt und wenn wir drüber geschlafen haben, sieht die Welt morgen ganz anders aus.- er festigte seinen Griff um mein Gesicht und küsste mich.

Noch nie hatte sich mein ganzer Körper so sehr gegen seine Berührungen gewehrt. Mein Magen zog sich zusammen und jeder Muskel versteifte sich. Ich presste meine Lippen auf einander und drückte gegen seine Schultern, aber ich bekam ihn keinen Zentimeter bewegt. Als dann noch seine Hand den Pullover aus meiner Hose zog, ergriff mich noch nie dagewesene Panik. Die Angst erdrückte mich. Ich holte als letzten Ausweg aus und schlug ihm mit der flachen Hand auf die Wange. Damit hatte ich ihn. Er rückte ein Stück von mir weg und sah mich geschockt an. Der Überraschungsmoment hielt aber nicht lange an. Sein Blick wurde kalt und er nahm meine Arme um sie an der Lehne zu fixieren. -Eine Nacht mit einem Fremden und schon denkst du, du kannst dir alles erlauben?- schrie er mich an. Danach schlug er mir mit solch einer Wucht ins Gesicht, dass ich spürte wie meine Wange und meine Lippe aufplatzen. Die Stelle, die er getroffen hatte wurde taub, aber die seelischen Schmerzen waren unerträglich. Direkt danach zog er meinen Kopf an meinen Haaren in den Nacken. -Wir gehören zusammen! Du und ich. Für immer. Und daran wird niemand etwas ändern, auch du nicht.-

Time war in seinem Wahn gefangen. Er bekam nichts mehr mit und lenkte seine gesamte Energie auf mich. Ich musste mich hier heraus bringen. Also versuchte ich mich zusammenzureißen und gab ihm was er wollte. -Du hast Recht, wir bekommen das wieder hin, aber geh bitte von mir herunter, ich bekomme keine Luft mehr.- ich sah ihm in die Augen und erkannte ihn nicht mehr. Die Wärme und Vertrautheit war verschwunden. Wie konnte es sich nur so entwickeln? -Du magst es doch mich auf dir zu spüren.- Erwiderte er und näherte sich wieder meinem Gesicht. Meine Lungen ließen keinen Sauerstoff mehr rein und mein Hals fühlte sich wie Schleifpapier an. Ich hielt meine Übelkeit zurück und ließ ihn mich küssen. In diesem Küss lag keine Liebe. Er war hart und es ging nur noch darum, mich zu besitzen. Trotzdem machte ich mit und als er abgelenkt war, konnte ich eine Hand aus seinem Griff befreien und sie langsam zu meiner Hosentasche führen, in der sich mein Handy befand. Ich entsperrte es und rief die letzte Nummer an, die ich gewählt hatte. Als etwas Zeit vergangen war, löste ich mich von ihm und sagte laut genug. -Time, bitte geh runter von mir. Lass mich los!-

Als ob er es geahnt hatte, glitt sein Blick direkt zu meiner Hand und er sah das Handy. -Was soll die Scheiße! Wen rufst du da an?- schrie er und griff danach. Ohne zu sehen, ob überhaupt jemand den Anruf angenommen hatte, warf er mein Handy gegen die Wand und es zersprang in tausend Teile. Ich bekam Panik und versuchte mich loszureißen. -Es reicht! Lass mich los! Du tust mir weh!- ich schubste ihn von mir, doch aus einem unerklärlichen Grund bewegte er sich kein Stück. Ich war unter ihm gefangen und wusste nicht mal, ob ich es geschafft hatte, jemanden den Hilferuf zu überbringen. -Du undankbarer Bastard! Ich habe dich zu dem gemacht, der du heute bist und so dankst du es mir?- Wieder schlug er mir ins Gesicht und mein Kopf flog zur Seite. Dann nahm er mein Kinn in seine Hand und zwang mich ihn anzusehen. -Du wirst niemandem sonst gehören als mir!- knurrte er und dann nahm er ein Kissen und drückte es auf mein Gesicht. Ich wehrte mich und versuchte ihn von mir los zu bekommen. Wie konnte es so ausaten? Meine Gedanken vernebelten sich und ich tauchte in ein schwarzes tiefes Loch.

Seit dem du da bistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt