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Nach diesem unglaublichen Sex kuschelten wir, gaben uns unschuldige Küsse und verbrachten eine lange Zeit damit uns einfach nur in die Augen zu sehen. Irgendwann gingen wir duschen und nachdem ich noch etwas länger unter dem heißen Wasserstrahl stand, sah ich, dass Vegas den Champagner und die Erdbeeren auf dem Balkon ausgebreitet hatte. Im Bademantel setzte ich mich zu ihm und sah ihm dabei zu, wie er an seiner Zigarette zog.
Dieser unendliche Frieden, den ich in seiner Nähe empfand war so greifbar, dass ich Angst bekam. Was war, wenn er nicht genau so empfand wie ich und ihm irgendwann bewusst wurde wie durchschnittlich ich war. Ich werde ihm niemals das Wasser reichen können. Mein Aussehen, meine Intelligenz, mein Können im Bett, meine Disziplin... alles war weit davon entfernt, Vegas ebenbürtig zu sein. Ich sah ihm dabei zu, wie er die Flasche öffnete und entschied es anzusprechen. -Ich kann an mir arbeiten, weißt du? Also natürlich nicht an allem, aber ich könnte mich weiter bilden, oder wenn du mehr Muskeln bevorzugst, oder mehr oder weniger Körperbehaarung, einen anderen Geruch oder wenn dir beim Sex was fehlt, dann kannst du es mir ruhig sagen...-
-...Was?- rief Vegas entsetzt und schüttete fast den Champagner auf den Tisch. Er setzte sich auf und seine Falte auf der Stirn, die immer da war, wenn er wütend war, tauchte auf. -Wie kommst du darauf?- fragte er aufgebracht und stellte mit zu viel Wucht die Flasche auf den Tisch.

Ich wollte keinen Streit beginnen. Es sollte eine offene Unterhaltung darüber werden, was er von mir erwartet und was er sich still und heimlich wünschte. Jedoch blickte er mich voller Zorn an und sorgte dafür, dass ich es bereute meine Befürchtungen laut ausgesprochen zu haben.
Eigentlich wurde ich gerne von ihm angesehen. Anders als Time hatte Vegas mich noch nie von oben herab betrachtet oder mir abfällige Äußerungen an den Kopf geworfen, wie "Deine Muskeln waren auch schon mal definierter" oder "Dein Hautton ist schon dunkel geworden." oder "Zum Glück ist mein Penis größer, sonst würdest du wahrscheinlich garnichts spüren." So war er nicht immer. In der Regel machte er mir Komplimente, aber diese kleinen Sticheleien hatten sich tief in mein Selbstbewusstsein gefressen.

Unsicherheit machte sich in mir breit und auf einmal wollte ich mich vor Vegas intensivem, aufgebrachten Blick verstecken. Das war das erste Mal, nach 12 verdammten Monaten, in denen ich unsicher wegen meines Körpers wurde. Ich wollte mich so nicht mehr fühlen und Vegas hatte diese Gedanken von Anfang an aus meinem Kopf verschwinden lassen. Wieso kam es mir gerade jetzt wieder in den Sinn?

-Ich bin... Ich möchte doch nur...- stammelte ich.
-Es gibt nichts.- sagte er und nahm meine Hand. -Rein garnichts. Du warst das was ich wollte. Dein Körper, dein Geruch und deine Seele. Ich liebe alles an dir. Jeden kleinsten Winkel. Wieso denkst du, dass du dich ändern musst? Magst du dich nicht mehr? Willst du dich verändern?-
-Nein! Ich... bin kurz unsicher geworden. Du bist so charismatisch und gutaussehend, klug und stark und...-
-... und ich bin vollkommen verrückt nach dir.- unterbrach er mich.
Allerdings war ich noch nicht fertig und es war wichtig, dass ich alles aussprach. -Vegas.- sagte ich liebevoll und brachte ihn zum Schweigen. -Ich bin bei weitem nicht perfekt. Aber du bist es. Ich liebe dich. Und ich will nicht, dass du irgendwann gelangweilt von mir bist.-

Plötzlich fasste er sich an seinen Hinterkopf und sah beschämt auf den Boden. Ich selber wusste auch nicht was ich sagen oder tun sollte. Die Sekunden zogen sich, doch dann drehte er den Stuhl frontal zu mir und nahm meine Hände. -Du bist alles, aber nicht langweilig.- fing er an. -Ich liebe es wenn du morgens im Halbschlaf anfängst zu meckern, weil ich dich geweckt habe. Ich liebe es, dass du Stunden damit verschwenden kannst, dich für ein Outfit zu entscheiden. Ich liebe es dir immer wieder zu beweisen, dass du genug bist. Ich liebe es dich zu erinnern, dass du Essen musst und ich liebe es dein Motorrad verkehrssicher zu machen.- zählte er auf.
-Das sind alles nur negative Sachen.- stellte ich gekränkt fest, was ihm ein sehr warmes Lächeln entlockte.
-Ich liebe es wenn du mir mitten im Streit sagst, dass du mich liebst. Ich liebe es, dass du mich anrufst, wenn du dich unwohl fühlst. Ich liebe es dir Blumen mitzubringen, weil deine Augen jedes Mal wie ein Blitzlichtgewitter funkeln. Ich liebe es dir beim Malen zuzusehen.
Ich liebe es, dass du dein Herz auf der Zunge trägst. Ich liebe es, dass du perfekt in meine Arme passt.- Je mehr er sagte umso sprachloser wurde ich. Seine Worte erreichten mein Herz und ließen keinen Platz mehr für negatives.
-Es wird nichts und niemanden auf dieser Welt geben, was ich dir vorziehen würde. Selbst wenn es mein Platz an Kinns Seite wäre.-

Seit dem du da bistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt