Zurück in meinem Zimmer war ich das erste Mal allein. Ich zog meine Kleidung aus und meine Jogginghose an. Mit einem Glas Wein stellte ich mich zu den Geschenken und Glückwunschkarten, die hergebracht wurden. Es waren einige, aber ich entdeckte sofort den Strauß meiner Eltern und nahm ihre Karte. "Lieber Tay, herzlichen Glückwunsch zu deiner Ausstellung. Wir sind sehr stolz auf dich. In Liebe Ma und Pa" melancholisch sah ich die Karte an. Ich vermisste sie, jetzt gerade mehr als sonst. Ich nahm mein Handy und rief sie an. -Hi Mam-
-Tay, mein Liebling. Was ist los ?-
-Nichts. Ich habe nur eure Karte gesehen und wollte mich bedanken. Sie ist toll!-
-Wie war die Vernisage?-
-Ein Erfolg. Morgen findet die Auktion statt. Ich werde direkt im Anschluss wieder zurück fliegen.-
-Das freut uns. Dein Vater hat George heute morgen direkt los geschickt um alle Zeitungen zu kaufen. Der Arme musste ihm sogar Bilder von den Artikeln schicken!-
-Haha. Ich hoffe, es hat ihm nicht alle Nerven gekostet.- nach einer kurzen Stille fragte sie dann.
-Liebling, was bedrückt dich?-
Ich biss mir auf die Lippen, konnte die Tränen nicht mehr zurück halten. Ich wollte den Rat meiner Mutter haben, aber ich wollte sie nicht belasten. Sie würde in den nächsten Flieger steigen und herkommen.
-Ich vermisse euch einfach.-Nachdem wir aufgelegt hatten öffnete ich Times Chat und schrieb ihm ohne seine ganzen Nachrichten zu lesen. Ich wollte seine Ausreden nicht sehen. "Ich bin morgen Abend zu Hause. Wenn du reden möchtest dann sei da. Ich möchte nicht dass du her kommst." Ich schickte die Nachricht ab und brach zusammen. Ich weinte um meine gescheiterte Beziehung und um Time, der rücksichtslos mit meinem Herz gespielt hatte. Der Schmerz erdrückte mich und legte sich auf mich, wie eine tonnenschwere Last. Aber im laufe des Abends wurde es weniger und ich konnte wieder atmen. Ich saß auf dem Boden vor dem Bett und starrte in die leere.
Mein Handy holte mich zurück in die Gegenwart, als es klingelte. Ich wischte mir über mein Gesicht und sah auf den Bildschirm. Es war Kinn. Obwohl ich mit ihm sprechen wollte, nagte das schlechte Gewissen an mir. Wir hatten nie Geheimnisse und ich wollte, dass es so blieb.
-Hey, was gibt's?-
-Tay, würdest du bitte dieser Empfangslady sagen, dass ich zu dir gehöre und sie mich rauf lassen soll?-
Kinn ist hier?
-Warte.- sagte ich noch und legte auf. Ich nahm das Hoteltelefon und wählte den Empfang. -Sie können den Gast rein lassen. Danke-
Wenige Minuten später klopfte es an der Tür. Ich öffnete sie und sah Kinn an. In dem Moment, als sein Blick mich traf, spürte ich Erleichterung.Wir setzten uns auf den Balkon und ich schüttete ihm mein Herz aus. Ich erzählte ihm von all den Malen, wo ich ihn erwischt hatte und von meiner Wut und meinem Schmerz, die ich seit dem in mir getragen hatte. Kinn war sprachlos und konnte es nicht glauben. Für ihn führten Time und ich eine Vorzeigebeziehung und dieser Betrug verletzte ihn auch zutiefst.
Er fluchte und nannte bestimmt neunzig Möglichkeiten ihm wehzutun. Ich lachte, als ich es mir ausmalte.
Mit Kinn war alles einfach, er konnte mich immer aus den tiefsten Löchern holen und jeden Tag retten. Wir tranken gemeinsam und rauchten die Zigarre, die er mitgebracht hatte.
-Aber eine Sache verstehe ich nicht.- sagte Kinn und fasste an meinen Hals. Sofort viel mir der Knutschfleck ein, den ich bis jetzt vergessen hatte und ich rückte etwas panisch von ihm weg. -Der ist doch kein Tag alt.- fügte er hinzu. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Mir war klar, dass ich es ihm sagen musste, aber ich war gerade noch nicht bereit dazu. - Also um ehrlich zu sein, gibt es da jemanden, der mir die letzten Wochen immer wieder zufällig begegnete. Wir kamen ins Gespräch und ich fühle mich wohl mit ihm. Er ist auch in der Stadt und als ich das Foto von Time und diesem Typen sah, bat ich ihn zu bleiben. Und er blieb.- Ich sah Kinn an und suchte nach Missbilligung in seinem Blick oder Argwohn, den ich verdient hätte. Aber er hörte einfach nur zu, ohne das gesagte zu werten. - Ich weiß nicht was passiert wäre, wenn er nicht da gewesen wäre. Er hat mich vor mir selbst gerettet.- fügte ich hinzu. Kinn legte eine Hand auf meinen Unterarm und drückte ihn. -Es ist ok. Solange du nichts bereust stehe ich immer hinter dir. Ich kenne dich und weiß, dass er besonders sein muss, wenn du ihn so nah an dich heran lässt. Selbst wenn du nicht weißt wohin es führt, nimm es an. Du hast es verdient glücklich zu sein.- Kinns Worte setzten mir einen Kloß in den Hals. Ich wusste er würde anders denken wenn er herausfand dass es Vegas ist. Aber ich hatte noch nicht den Mut, es auszusprechen. Wer weiß ob er wiederkommen wird? -Danke für dein Verständnis. Ich stelle ihn dir vor, wenn ich soweit bin.-
Nachdem Kinn sich vergewissert hatte dass er mich mit gutem Gewissen allein lassen konnte, verabschiedete er sich von mir und ging. Es war mitten in der Nacht und ich legte mich mit der Jogginghose aufs Bett und schlief direkt ein.
Der nächste Tag verlief stressig. Ich wurde erst mittags wach und war direkt gestresst. Ich musste in zwei Stunden bei der Auktion sein. Nach dem Duschen packte ich meine Sachen zusammen und nahm auch alle Karten aus den Blumen um sie zu verstauen. Nach einem weiteren Blick in den Spiegel, entschied ich mich doch für eine Weste und warf mein gesamtes Outfit wieder um. Kurz bevor ich hinaus ging sah ich ein letztes Mal zum Bett und dachte an Vegas, der immernoch nichts von sich hat hören lassen.
Ich ging zur Lobby um auszuchecken und entdeckte Nana die mich sofort anstrahlte. -Herr Romjakpoth! Ich hoffe sie hatten einen angenehmen Aufenthalt und besuchen uns wieder.- Ihre offen fröhliche Art war ansteckend. -Ja, vielen Dank. Sollte ich wieder in der Stadt sein, wird dieses Hotel meine erste Wahl sein. Könnten Sie bitte die Koffer zum Flughafen bringen lassen. Ich werde um 17 Uhr abreisen.- Ich reichte ihr meine Karte, damit sie alles verbuchen konnte. -Die Rechnung wurde bereits gezahlt.- sagte sie und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich sah sie fragen an. -Der gutaussehende Mann, den ich den zweiten Abend zur Bar geführt hatte kam gestern Abend, hat etwas für sie abgegeben und wollte die Rechnung zahlen. Ich wollte Ihnen Bescheid geben dass er da war, aber er stoppte mich und sagte er möchte den Besuch nicht stören.- Völlig perplex sah ich sie an. Vegas war hier? Wieso hatte er das Hotel gezahlt? -Können sie die Zahlung stornieren?- fragte ich sie, aber Nana schüttelte den Kopf. -Er hat es Bar bezahlt. Er sagte sie könnten sich mit ihm in Verbindung setzen wenn es ihnen nicht passt. Und das hier sollte ich ihnen übergeben.- Es war eine weiße Papiertasche, die verschlossen war. Ich bat Nana die zu meinen Koffern zu stellen. Danach verabschiedete ich mich und nahm das erste Taxi. Auf dem Weg zum Auktionshaus versuchte ihn zu erreichen, aber sein Handy war ausgeschaltet. Wahrscheinlich war er schon im Flugzeug.
Die Auktion lief problemlos über die Bühne. Alle Bilder wurden um ein vielfaches des Startgebotes versteigert und jeder Empfänger wirkte mehr als zufrieden. Am Ende schüttelte ich noch unmengen von Händen und dann war ich auch schon auf dem Weg zum Flughafen. Ein Angestellter des Hotels wartete dort mit den Koffern und half mir noch beim einchecken. Die Tüte nahm ich mit meinem Handgepäck in den Wartebereich.
Während ich in einem der Restaurants auf mein Essen wartete, nahm ich die Tüte in die Hand. Sie war leicht und ich war wirklich gespannt, was sich dort drin befand. Vorsichtig öffnete ich sie und entdeckte einen Stoffbären. Er war total weich und seine Augen spendeten Trost. Ich freute mich mehr als ich sollte, über dieses alberne Geschenk. Ich nahm ihn heraus und setzte ihn auf den Tisch. Danach schoss ich Fotos von mir und dem kleinen Teddy und schickte eins davon an Vegas. "Dankeschön. Er ist bezaubernd." Als ich wieder in die Tüte sah, fand ich noch eine Karte. Sie war schlicht, in grau gehalten und hatte nur ein Abbild einer weißen Rose. Ich drehte die Karte um und fing an zu lesen. "Ich danke dir für die letzten zwei Tage. Du bist in meinen Augen ein ganz besonderer Mann und ich kann nur hoffen, dass wir uns in Bangkok nicht aus den Augen verlieren. Dieser Bär ist ein Versprechen, auf alles, was ich noch mit dir erleben möchte, aber fangen wir doch mit ungezügeltem Sex in meinem Auto an. Ich wünsche dir einen guten Flug und bleib dir treu. Dein von dir faszinierter Stofftierverkäufer.
PS: Solltest du meine Unterstützung brauchen, bin ich nur einen Anruf entfernt."
Völlig überwältigt von seinem Geschenk las ich mir die Karte immer und immer wieder durch. Wie konnte es sein, dass Vegas so gut in solchen Sachen war, was aber niemand bisher wahrgenommen hatte?Als das Flugzeug zur Landung ansetzte wurde ich immer nervöser. Die Tatsache, dass ich Time gleich begegnen würde, spannte mich an. Ich musste all die schönen Jahre mit ihm hinter mir lassen und es beenden. Am Flughafen wartete ein Fahrer von Kinn auf mich, der mich nach Hause brachte. Vor der Tür schloss ich kurz die Augen und redete mir selber Mut zu. Nach einigen Minuten ging ich dann hinein.

DU LIEST GERADE
Seit dem du da bist
RomanceEine Geschichte über Tay und Vegas. Seid offen, ich war es auch