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Ohne ein Wort des Abschieds war Daenerys in ihr Zimmer gegangen. Und ich ging in meines. Vor einem Jahr hätte ich an dem Tag ein Fest gefeiert, an dem ich die Sicherheit erhalten hätte, dass ich Königin werden würde. Doch nun... so zerschnitt Daenerys das Band, dass mich an ihrer Seite hielt. Und so musste ich gehen. Schnee hatte freien Raum. Sie gehörte ihm... ich könnte nichts mehr tun. Ich müsste die Eiseninseln halten. Es kam einer Verbannung gleich. Gerade als ich in mein Zimmer ging bemerkte ich, dass hier ein Diener gewesen sein musste. Denn auf dem Tisch stand ein Krug mit Bier und einem Kelch daneben. Und unter dem Krug lagen noch zwei Briefe. Beide, eindeutig am Siegel zu erkennen, von Theon! Schrieb er mir täglich? Gestern hatte ich ja die Nacht bei Daenerys verbracht. Ich setzte mich und füllte mir den Kelch mit Bier. Das Bier war noch schön kühl obwohl es im Zimmer, dank des brennenden Feuers im Kamin, schön warm war. Ich trank einen Schluck und brach das Siegel.

Asha,
Sansa und ich reden jeden Abend miteinander. Jon ist fast jede Nacht fort. Wo Jon hin geht weiß ich nicht wirklich. Doch Sam nimmt er selten mit. Und jedes Mal wenn sie zurückkommen sieht Sam so niedergeschlagen ab. Samwell und ich sind nun gute Freunde. Dafür musste ich nicht mal lügen. Er ist ein guter Mann. Einer der wenigen hier. Ich darf ihn sogar Sam nennen. Sansa und ich haben heute den ganzen Tag geredet. Da Jon über Nacht nicht zurückkam. Sam nahm er nicht mit. Ich habe fest vor ihn morgen Abend auszufragen, wenn er mit Jon zurückkommt. Jon meinte, er nimmt ihn wieder mit. Samwell hat mir neulich erzählt, dass er einen Adoptivsohn hat. Und eine Freundin. Er versucht Jon zu überreden, dass Goldie, so lautet der Name seiner Geliebten, hier in der Burg leben darf und vielleicht in der Küche arbeiten dürfte. Auch, damit sein Sohn einen guten Platz zum Aufwachsen hat. Jon ist dagegen. Wieso, weiß Sam nicht. Er meinte, Jon habe sich verändert seit er wieder erwacht ist. Was das genau bedeutet weiß ich nicht. Aber ich verspreche dir, ich finde es morgen heraus. Gerade ist es weit nach Mitternacht. Ich war heute Abend mit Sansa auf der Burgmauer. Sie stellte sich neben mir auf die Zinnen und spähte hinunter. Erst machte ich nichts, doch dann nahm sie meine Hand und zog mich mit zu sich hinauf. Ihre Hand war so weich und warm. So zart. Doch statt meine Hand los zu lassen hielt sie meine fest und spähte nach unten. Dann begann sie zu erzählen. Sie erzählte, wie ihre Zeit bei Ramsay war und wie furchtbar. Doch dass ihr erst heute klar ist, dass ich ähnliches erlebt habe. Auf eine andere Art und Weise gleich grausam. Dass er mich vielleicht noch schlimmer zugerichtet hat. Ich meinte, dass es sie schlimmer erwischt habe. Und ich habe ihr gestanden, dass ich sie dafür bewundere, dass sie eine Stärke zeigt, die ich nicht mal vor Ramsay an den Tag legen konnte. Sie drückte meine Hand fester. Sie sagte, als wir jünger waren, bevor der Krieg ausbrach, fand sie schon immer, dass ich ein sehr gut aussehender Mann sei. Doch ein Ritter aus den Balladen war ich nicht. Da hatte sie recht. Ich war ein Schwein, Asha, du willst nicht wissen, was für ein furchtbares Schwein dein Bruder war. Sansa meinte, sie habe mich verabscheut, als ich nichts dagegen getan habe, dass sie vergewaltigt wurde. Da liefen mir die ersten Tränen runter. Es tut mir so leid, dass ich ihr nicht half und das sagte ich ihr. Doch mein Körper gehorchte mir zu dieser Zeit nicht! Ich wollte schreien und ihn weg stoßen doch konnte ich mich nicht bewegen. Das sagte ich ihr und wimmerte und sie unterbrach mich indem sie meine Tränen weg wischte. Ich sah in ihre Augen. Sie hat so wunderschöne blaue Augen. Dann sagte sie, mein gutes Aussehen habe ich behalten. Meine wilden Locken haben ihr schon immer gefallen, meinte sie. Sie erzählte, an dem Tag, an dem ich ihr zur Flucht verhalf und mit ihr an der Hand von der Burgmauer sprang in die Freiheit, an dem Tag wurde ich ein Ritter aus den Balladen, der die Lady in höchster Not rettet, ungeachtet des eigenen Lebens. Ich stotterte, dass ich solche Worte nicht verdient habe und Sansa. Asha, Sansa küsste mich. Sie hat mich geküsst! Ich habe die Augen aufgerissen aber sie wich nicht zurück. Ihre Lippen lagen weiter auf meinen. Ihre Hände legte sie an meinen Nacken und an meine Schulter, damit ich nicht zurückzucken konnte. Und das wäre ich auch nicht. Ich legte meine Hände an ihre Seite und erwiderte ihren Kuss. Wir standen eine Weile so da. Asha, ich habe Sansa Stark geküsst! Ich liebe sie, Asha, das weißt du. Vielleicht empfindet sie genauso. Als wir uns lösten glänzten ihre Augen. Ich habe so einen Blick seit Jahren nicht mehr gesehen. Seit meiner Zeit als Mündel in Winterfell nicht mehr. Viele Frauen haben mich früher so angesehen. Doch nur bei Sansa bedeutet es mir etwas. Bei keiner zuvor hat mich dieser Ausdruck so berührt. Asha, ich glaube dieser Ausdruck bedeutet, dass sie sich in mich verliebt hat! Von Liebe möchte ich noch gar nicht sprechen. Doch ein Funken ist da! Asha, sie ist in mich verliebt! Als wir uns lösten legte sie ihre Hand an meine Wange uns sah mich an. Ich strich nur versonnen durch ihr rotes Haar. Es ist so weich. Und ich fragte sie, womit ich das verdient habe. Und sie sagte, ich habe es einfach verdient. Und ich sei ein Mann, der wohl als einziger in Westeros den Rittertitel verdient hätte. Und dass ich ihr heldenhafter Ritter in der Stunde der Not war. Dann nahm sie meine Hand erneut und führte mich runter. Erst als wir wieder zu anderen Leuten kamen ließ sie meine Hand los. Bei allen Göttern, Asha, ja, ich werde dir deine Informationen beschaffen doch will ich im Moment nichts mehr als Sansa Stark zu meiner Frau machen.
Dein Bruder, Theon Graufreud.

Verwirrt sah ich auf das Schreiben. Theons Liebe wurde erwidert! Das freute mich so sehr für meinen geliebten Bruder. Ich wünschte ihm alles Glück dieser Welt! Wenigstens einer von uns beiden sollte glücklich sein. Ich öffnete den zweiten Brief. Hier waren schon deutlich wichtigere Informationen, das erkannte ich an der Schrift. Den ersten Brief hatte er schnell geschrieben. Wohl all seine Gedanken direkt auf Papier gebracht. Auf dem zweiten Brief hatte er seine Schrift gebessert und genau geschrieben. Wohl jeden Satz bedacht.

Asha,
verbrenne diesen Brief direkt, nachdem du ihn gelesen hast. Ich habe glaube ich alles herausgefunden! Jon Schnee hatte hinter der Mauer eine Geliebte Ygritte. Eine Wildlingsfrau. Diese wurde beim Angriff auf die schwarze Festung getötet. Als sie sich gegenüber standen. Jon konnte sie nicht töten doch tötete sie ein anderer. Jon wurde zum Lordkommandanten gemacht. Desweiteren hat Jon an der Mauer verfügt, die Wildlinge herein zu lassen. Was getan wurde. Doch viele der Brüder der Nachtwache hassten ihn dafür und eines Nachts lockten sie ihn hinaus und erstachen ihn. Er verblutete an einer ganzen Menge Messerstiche und starb.

Ich sah vom Brief auf. Jon Schnee und sterben? Naja dafür dass er tot war sah er mir recht lebendig aus! Und für einen Wanderer sah er zu gesund aus.

Milisandre, eine rote Priesterin, belebte ihn nach mehreren Tagen wieder. Seine Leiche war schon kalt! Und sie schenkte ihm neues Leben. Asha, glaube mir! Sam sagt die Wahrheit. Das schwöre ich! Er hat die verschworene Bruderschaft dazu gebracht ihren Lordkommandanten zu töten! Nach seiner Auferstehung hängte er die Verräter auf. Unter ihnen ein Kind. Ein kleiner Junge, der Jon retten wollte indem er eine Wildlingsfrau tötete. Leider Yigritte, was der Junge nicht wissen konnte! Die Eltern des Jungen wurden von Wildlingen ermordet und der Sohn von Jon. Jon ging danach. Er meinte, dass der Schwur bis zu seinem Tod gelte und er tot gewesen sei. Er meinte, er sei nun entbunden. So eroberte er Winterfell zurück und ist nun hier. Doch Sam weiß mehr! Er erzählte mir nebenbei davon, dass Lyanna Stark nicht von Rhaegar entführt wurde. Sie ging freiwillig mit ihm! Sie liebte Rhaegar und er sie! Rhaegar annullierte seine Ehe zu Elia Martell und heiratete dann Lyanna Stark! Asha, denk nach was das bedeutet! Der Grund wieso Robert Baratheon in den Krieg zog war, dass seine große Liebe Lyanna entführt wurde! Dabei waren sie ein Paar! Sie liebten sich! Das alles hätte so leicht vermieden werden können.

Ich starrte auf den Brief. Ungläubig las ich dir Zeilen durch, wo Jon wiederbelebt worden sein sollte. Aber gut... ich würde in den nächsten Tagen ja auch gegen eine Armee aus Untoten kämpfen also zu dem... Außerdem wusste ich wie rote Priester waren. Hatte ich ja hin und wieder mal einen in den freien Städten gesehen. Aber Lyanna und Rhaegar. Das sollte ich Daenerys erzählen! Bei dem Gedanken... Daenerys wäre niemals vertrieben worden. Nie von einem Reiterlord vergewaltigt worden... doch wie ich sie kannte wäre ihr das egal. Sie hätte niemandem helfen können ohne das.

Und angeblich gab es ein Kind. Angeblich fand Eddard Stark seine Schwester Lyanna verblutend im Kindsbett. In den Armen ein Kind. Doch was mit dem Kind passiert ist, und damit dem Kronprinzen, wären die Targaryen noch an der Macht, das wusste niemand. Ich werde mich umhören. Brandon weiß es vielleicht. Er scheint viel zu sehen und viel zu wissen. Heute sprach er mich auf meinen Kuss mit Sansa an. Doch er hatte uns nicht sehen können! Ich frage ihn bald aus. Wenn er es zulässt. Heute Abend besuche ich ihn in der Nacht. Ich hoffe das sind die Informationen, die du gebraucht hast. Es hat mich viel gekostet sie zu erhalten.
Theon

Ich starrte das Papier an. Las es mir unzählige Male durch bevor ich es ins Feuer warf. Bei allen Göttern... mir brummte der Schädel beim Versuch das alles zu verarbeiten. Was sich doch nicht alles hinter den Toren Winterfells verbarg. Mit vor Aufregung zitternden Händen schrieb ich Theon nun einen Brief.

Theon,
die Informationen sind unglaublich. Alles müssen wir persönlich besprechen. Komm sofort nach Drachenstein, wir treffen uns dort. Daenerys zieht in den Krieg und wir an ihrer Seite. Als Belohnung erhalten wir die Eiseninseln als Königreich. Aber ein Tipp von mir, die ich doch meine Erfahrungen mit den Frauen habe und nicht als Arschloch bekannt war wie du, nimm anständig Abschied von Sansa. Ich weiß nicht ob, wann oder wie wir aus der Schlacht zurückkehren. Und damit meine ich nicht, dass du in ihr Bett steigen sollst, wie auch immer du da was tun solltest, sondern küss sie. Sage ihr wie du empfindest und erkläre ihr, an wen du denken wirst, wenn du blutend am Schlachtfeld liegst und an Gründe denkst, um wieder aufzustehen. Und das werde ich auch zu Daenerys sagen. Also kehre schnell zurück. Ich vermisse dich, Brüderchen.
deine dich liebende Schwester Asha.

SalzliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt