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•Marks Sicht•

Am nächsten Tag frühstückten wir erstmal entspannt und machten uns nach einer Runde mit Kiwi auf den Weg zum Elchpark. Die Fahrt dauerte allerdings so seine Zeit und vor allem führte uns das Navi durch ziemlich viele kleinere Dörfer und dann in den Wald. So langsam fühlte es sich an, als wären wir weit weg von jeder größeren Straße. „Meinst du, wir sind richtig hier?", fragte Lena schon skeptisch aber an der nächsten kleinen Abzweigung tauchte ein Schild zum Virum Älgpark auf und dann dauerte es auch gar nicht mehr so lange bis wir einen recht steilen Hang runterfuhren auf einen Parkplatz. Da der Park nur in der Saison dauerhaft geöffnet war und außerhalb nur mit Termin, war es ziemlich leer. Bis jetzt war noch kein Elch zu sehen. Wir stiegen aus und Lena nahm Kiwi an der Leine mit zu dem kleinen Laden, wo bereits die Familie stand, die mit uns fahren würde, sowie der Mann, dem alles gehörte, ein anderer jüngerer Mann und eine Frau, die für den Laden zuständig war. Wir wurden freundlich begrüßt, erst auf Englisch und dann auch auf ganz gutem Deutsch. „Solange wir warten, können Sie sich im Laden umsehen", erklärte die Frau freundlich woraufhin wir also durch den kleinen Verkaufsraum gingen, während die beiden Kinder der Familie draußen an einer Schaukel spielten. Ich musterte den kleinen Jungen und das etwas ältere Mädchen kurz und versuchte mir vorzustellen, wie es wäre selbst ein oder zwei solcher Wirbelwinde dabei zu haben. Sofort musste ich lächeln und folgte dann meiner Frau zu den Küchenutensilien in Elchform. Die ein oder andere skurrile Sache war dabei aber schließlich fanden wir nichts, was wir mitnehmen wollten. „Wenn das für Sie in Ordnung ist, passe ich auf ihren Hund auf, wenn Sie gleich fahren", sagte die nette Frau vom Laden, als wir wieder rauskamen. „Wo wäre sie denn dann?", fragte Lena noch, woraufhin die Frau ihr kurz zeigte, wo Kiwi hinter der Kasse des Ladens gefahrlos bleiben konnte. Da sie sich dort auch tatsächlich recht schnell über den Wassernapf hermachte und sich dann gemütlich hinlegte, war Lena beruhigt und konnte ihre Hündin bei der Dame lassen.

Das Paar, das noch mit fahren würde war in der Zwischenzeit eingetroffen und so stiegen wir wenig später in den alten Militärwagen, der von einem Traktor gezogen wurde. Der junge Mann, der scheinbar sowas wie der Praktikant war, klappte kleine, etwa 30 Zentimeter hohe, Laden an den Seiten des Wagens hoch. So fühlte man sich nicht mehr ganz so ungeschützt. Das Dach war aus Metall und theoretisch dürfte man auch dort drauf mitfahren. Allerdings entschieden wir uns dagegen und so saß die Familie mit dem Rücken zu uns auf der rechten Wagenseite und wir, sowie das andere Paar auf der Linken Seite. Anschnallen musste man sich nicht und wenig später ging's auch schon los. Ganz langsam zog der Traktor den Hänger auf ein Tor zu, welches der Praktikant kurz öffnete und hinter uns wieder schloss. Dieses Tor, sowie der Zaun waren ziemlich hoch, weshalb ich grade überlegte, wie groß so ein Elch eigentlich war, bis wir den ersten etwas weiter weg liegen sahen. Das Geweih ragte aus dem grünen Gras und wir fuhren langsam den Weg entlang. Eine Herde von kleineren Hirschen lief noch an uns vorbei bevor wir ein bisschen weiter im Gehege anhielten. Schon wenig später kamen ein paar Elche zu uns. Lena strahlte, wie ein kleines Mädchen bis über beide Ohren aber auch ich freute mich irgendwie wie ein Kind über das alles. Die beiden Kinder auf der anderen Seite des Wagens waren genauso begeistert und als der ältere Herr dann etwas Weide verteilte, mit der wir die Tiere füttern durften, kamen sie noch näher. Die Männer konnten gefahrlos zwischen den großen Tieren umherlaufen und uns Dinge erklären. Elche können beispielsweise nicht wirklich beißen, da sie nur unten Schneidezähne haben. Die großen weichen Nasen der faszinierenden Waldbewohner kamen bis in den Wagen rein, was uns alle immer wieder zum Lachen brachte. Auf die Geweihe musste man ganz schön aufpassen aber man konnte sie anfassen und es war ein total seltsames Gefühl, weil sie weich und warm waren. Es wuchs eine Art Fell darauf. In der Brunft rieben die Elche sich dieses an Bäumen oder bei Rangeleien ab und irgendwann fiel dann auch das ganze Geweih ab. Zwischen den großen Elchen liefen auch ein paar jüngere Tiere umher, die wirklich unglaublich niedlich waren mit ihren langen beiden und den großen Ohren. Das Fell war bei ihnen, wie bei den großen, ziemlich fettig aber irgendwie war es trotzdem ein cooles Gefühl, diesen sonst ja sehr scheuen Tieren so nah zu sein.

Wir fuhren kurz darauf noch ein Stück weiter und die Männer verteilten Kartoffel- und Apfelstückchen. „Die sind wie Bonbons", meinten die beiden. Außerdem erklärten sie, dass man sich so ein Stück auch selbst zwischen die Lippen schieben konnte. Dann würde der Elch näher kommen und das Stück nehmen. Man konnte quasi einen Elch küssen. „Willst du?", fragte ich Lena schmunzelnd, die ein bisschen unschlüssig schien. „Du?", fragte sie zurück. „Du zuerst, ich mach ein Foto und dann andersrum", schlug ich vor, woraufhin Lena ein möglichst großes Stück Apfel in denn Mund nahm und dem Elch etwas entgegen kam. Ich hielt schmunzelnd die Handykamera auf sie und filmte dann, wie Harald, so hieß der Elch, ihr den Apfel abnahm und dabei durchaus eine gewisse Menge Elchsabber hinterließ. Kichernd fragte Lena mich nach einem Taschentuch, was ich ihr sofort gab. „Bäh", murmelte sie. „Jetzt hast du n Elch geknutscht", grinste ich. „Du musst auch noch!", meinte sie und so drehten wir das ganze um. Es war ein seltsamer Moment als die große Schnute auf mich zukam und die weiche Nase hinterließ auch bei mir ihre Sabber. Trotzdem war das große Tier ganz vorsichtig dabei, auch wenn ich genauso schnell versuchte mit dem Taschentuch die Spuren zu beseitigen, wie Lena. „Sehr süß", meinte sie beim Betrachten des Videos, was sie gemacht hatte. Den Rest der Tour genossen wir ohne Handys aber als wir zurück am Laden waren grinsten wir beide vor uns hin. Kiwi bellte Lena freudig entgegen und als wir uns die Hände gewaschen hatten bedankten wir uns nochmal bei den beiden Männern, die die Tour mit uns gemacht hatten. Nachdem wir bezahlt hatten machten wir uns dann aber auch bald auf den Rückweg zur Wohnung.

Lena hatte sich zwar nur mühsam überreden lassen, wieder Beifahrer zu sein, weil ich ja schon den Hinweg gefahren war, aber dann war sie doch ziemlich bald eingeschlafen. Ich dachte nochmals darüber nach, wie der Tag mit einem Kind gewesen wäre. Unserem Kind. Er oder sie hätte bestimmt genauso viel Spaß an der Tour gehabt wie die Kids der anderen Familie, die dabei war. Es war eine schöne Vorstellung und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass meiner Meinung nach nicht mehr allzu viel Zeit vergehen müsste, bis wir das tatsächlich wahr machen würden. Ich wusste, dass Lena immer der Meinung war, man sollte erst mit sich im Reinen sein, bevor man ein Kind zur Welt bringt, um die eigenen Probleme nicht weiterzugeben aber wann wäre man schon Vollkommen? Wahrscheinlich nie. Und jetzt, wo wir beide uns anscheinend so wohl in unserem Leben fühlten, zusammen und irgendwie angekommen, waren wir doch näher dran an unserer Vollkommenheit, als je zuvor. Es wäre schwierig mit unseren Berufen aber andere konnten es ja auch und den perfekten Zeitpunkt gäbe es sowieso nicht. Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir.

Würdet ihr einen Elch knutschen? Ich war mittlerweile schon öfter in dem Elchpark und hab mich nie getraut😂

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