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•Marks Sicht•

Ein paar Tage später waren Lena und ich mal für zwei Tage beide in Berlin. Natürlich hatten wir weiter Termine aber wenigstens sahen wir uns endlich mal wieder. Zum Glück war Lena aber grade nicht bei mir, als ich den Brief in meiner Jackentasche wiederfand. Schnell verstaute ich ihn in meinem Nachtschrank und versuchte ihn wieder zu vergessen. Natürlich funktionierte das nicht. Als Lena später klingelte und ich ihr öffnete hätte ich mich am liebsten von ihrem Lächeln anstecken lassen aber stattdessen dachte ich daran, wie schnell es verschwinden würde, wenn sie von dem Brief wüsste. Dennoch küssten wir uns erstmal zur Begrüßung. Sofort wurde ich für einige Sekunden ruhig. „Ich hab dich vermisst", flüsterte sie gegen meine Lippen und umarmte mich fest. Ich legte sofort meine Arme um sie. „Ich dich auch. Wann... wann haben wir uns denn mal wieder für länger?", fragte ich vorsichtig. „In drei Wochen hast du doch frei", meinte sie. Sofort nickte ich glücklich. Sie hatte recht. Dann würde ich eine Woche mit ihr herumreisen zu ihren Terminen. Und müsste die ganze Zeit an den Brief denken ohne etwas zu sagen. „Ist irgendwas?", fragte sie verwundert. „Hm? Nein", sagte ich kopfschüttelnd. Sie sah mich noch einige Sekunden forschend an, zog dann aber erstmal ihre Jacke aus. Tief durchatmend beobachtete ich sie und zog sie dann direkt wieder an mich. „Kochen wir zusammen?", fragte ich sie. Sofort nickte sie und zog mich in die Küche. Ich spürte immer wieder ihren Blick auf mir, versuchte aber mir nichts anmerken zu lassen. „Wie liefen die letzten Tage?", wollte sie irgendwann wissen. Ich wusste, dass sie das nicht einfach so fragte. Sie ahnte etwas. „Ach... stressig aber es macht ja auch Spaß", sagte ich nur. „Mark, was ist los? Du bist komisch", brach es schließlich doch aus ihr heraus. „Leni, es ist nichts. Wirklich. Alles gut", gab ich seufzend zurück. Natürlich glaubte sie mir nicht. „Du schaust mich immer an, als wäre ich todkrank. Mir geht's aber gut. Nur dein Verhalten verwirrt mich", erklärte sie. War ich wirklich so auffällig? „Sorry... aber es ist wirklich nichts, was du wissen musst", sagte ich. „Also ist doch was!", gab sie sofort zurück. Ich seufzte. Was sollte ich denn machen? Sie wollte es doch nicht wissen. „Jetzt sag mir einfach, was los ist! Es ist seltsam, wenn du so bist", bohrte sie weiter und fuchtelte mit dem Messer herum. „Kannst du das Ding weglegen?", fragte ich sie schmunzelnd, woraufhin sie mit roten Wangen das Messer ablegte. Dann machte sie einen Schritt auf mich zu und sah mich fordernd an. „Du willst es nicht wissen, glaub mir", versuchte ich es. „Bitte?", gab sie empört von sich. „Dir geht's irgendwie nicht gut. Natürlich will ich wissen warum!", fügte sie an. „Leni... vertrau mir... bitte... ich weiß, dass du es nicht hören möchtest", bat ich sie ruhig. „Woher?! Ich weiß doch nichtmal worum es geht!", meinte sie deutlich. „Glaub mir einfach", sagte ich verzweifelt, obwohl ich mir eigentlich ziemlich sicher war, dass sie nicht nachgeben würde. „Verdammt! Nur weil du so ein Gefühlslegastheniker bist, heißt das nicht, dass du alles mit dir ausmachen musst! Ich hab wirklich Geduld mit dir aber bitte, ich bitte dich, rede mit mir, wenn irgendwas ist! Und ich weiß das irgendwas ist!", schrie sie mittlerweile beinahe. „Ob du's glaubst oder nicht, das ist nicht der Grund!", gab ich giftig zurück. Es lag nicht immer an meinem komischen Gefühlsproblem. Das konnte sie ruhig glauben. „Woran dann? Was um Himmels Willen ist los? Muss ich Angst haben, mir Sorgen machen, keine Ahnung! Sag was!", regte sie sich weiter auf. Ich schwieg einen Moment. Was sollte ich denn sagen. „Hallo?! Sag was, hab ich gesagt!", meinte sie sauer. Das hatte sich ganz schön hochgeschaukelt. Vermutlich verlor ich auch deshalb die Geduld. „Man, wenn du's unbedingt wissen willst...dein Vater hat n Brief an mein Management geschickt. Und jetzt heul nicht rum, dass ich doch nichts hätte sagen sollen!", ließ ich schließlich sauer die Bombe platzen.

Daraufhin folgte Stille. Ich sah wie schockiert sie war und merkte, dass ich mindestens den letzten Satz niemals hätte sagen sollen. Plötzlich schossen Tränen in ihre Augen und ich wollte sie in meine Arme ziehen aber sie stieß mich weg und lief aus der Küche. „Lena!", rief ich noch aber da knallte schon die Tür. „Scheiße!", fluchte ich und lief ihr nach. Im Treppenhaus war sie schon nicht mehr. Draußen sah ich sie im Auto. Aber sie fuhr nicht los. Wahrscheinlich konnte sie vor lauter Tränen nicht sehen. Mit schlechtem Gewissen ging ich zu ihrem Auto und klopfte vorsichtig an die Beifahrertür. Sie zeigte mir den Mittelfinger aber ich stieg dennoch ein. „Hey, ich... es tut mir leid. Natürlich darfst du mich jetzt scheiße finden... Ich hatte mit Bella gesprochen und wusste, dass du es nicht wissen wolltest", erklärte ich. Ein Schluchzen versetzte mir einen kleinen Stich. „Man, das ist doch nicht deine Schuld!", weinte sie. „Ich wollte es ja unbedingt wissen", murmelte sie. Schließlich zog ich sie so gut es ging an mich. „Kommst du wieder mit hoch und wir reden in Ruhe?", fragte ich sie leise. Stumm nickte sie, ich strich ihr noch sanft die Tränen weg und gab ihr ein aufmunterndes Lächeln bevor wir ausstiegen. War es richtig gewesen, ihr davon zu erzählen?

Findet ihr, es ist eine gute Eigenschaft, nicht lügen zu können bzw. nichts verheimlichen zu können?

Der Weg des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt