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•Marks Sicht•

Am nächsten Tag holte ich dann eine Schwangerschaftstest aus der Apotheke. Lena hätte man leichter erkannt und einen noch größeren Presseaufschrei konnten wir nun wirklich nicht gebrauchen. Zurück im Hotel begrüßte ich sie erstmal mit einem Kuss, ehe ich ihr den Test hin hielt. Nur langsam griff sie danach und sah ihn dann unsicher an. „Was, wenn ich wirklich...?", fragte sie leise. Ich umarmte sie einmal fest. „Dann bekommen wir das hin", stellte ich ein weiteres Mal klar. Schließlich verschwand sie mit dem Teil im Bad und ich wartete ungeduldig. Mit zittrigen Händen kam sie dann wieder. „In zehn Minuten", murmelte sie. Wir setzten uns aufs Sofa und ich legte meine Arme um sie. Wir würden das schon irgendwie hinbekommen. Ich wollte ja Kinder mit ihr, das war nur grade ein bisschen plötzlich, wenn es stimmen sollte. „Zehn Minuten sind um", stellte ich nach einem Blick auf die Uhr irgendwann fest. Unsicher sah sie mich an. Ich legte schließlich meine Hände an ihre, die den Test hielten und drehte ihn mit ihr um. Wir beide sahen ungläubig auf das Ergebnis. Schwanger. Einen Moment lang schwirrte mir nur dieses Wort durch den Kopf. Lena war schwanger. Ich würde Vater werden. „Ich... ich muss Bella anrufen", meinte sie dann aber ich hielt sie fest. „Wir machen erstmal einen Termin beim Arzt", sagte ich. „Du glaubst es nicht oder? Du willst nicht, dass es stimmt", meinte sie enttäuscht, dabei war das totaler Blödsinn. „Quatsch! Leni, warte!", rief ich noch aber da war sie schon ins Bad verschwunden und ich hörte sie weinen. Ich lief ihr nach und klopfte vorsichtig. „Leni, komm raus, bitte. Vielleicht glaub' ich es wirklich noch nicht, aber dass ich nicht will, dass es stimmt, ist Quatsch", erklärte ich. „Wenn es stimmt, dann dauert's vielleicht noch ein bisschen, bis ich es realisiert habe aber dann... keine Ahnung, dann wird's bestimmt schön", versuchte ich es etwas hilflos weiter. Schließlich ging die Tür auf und sie drückte sich sofort an mich, sodass ich meine Arme um sie legte. „Tut mir leid", murmelte sie. „Schon gut, Leni", gab ich nur zurück und streichelte sanft über ihren Rücken. Sie war einfach ein bisschen durch den Wind. „Ich denke, es stimmt", sagte sie irgendwann. Fragend sah ich sie an. „Ich weiß nicht, irgendwie hab ich so ein Gefühl", erklärte sie schulterzuckend. Schmunzelnd küsste ich sie kurz. Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihren Bauch, wodurch wir beide plötzlich Gänsehaut bekamen. Es war irgendwie ein irres Gefühl, dass da wohl ein Baby sein würde. Unser Baby. „Ich liebe dich", war das einzige was ich sagen konnte. „Ich dich auch", gab sie zurück.

Stunde für Stunde gewöhnten wir uns an den Gedanken, sehr wahrscheinlich bald ein Baby in unseren Armen zu halten. Lena wäre eine wundervolle Mama. Wie sie mit Kindern umging, hatte ich schon oft genug beobachten können und es ließ mich jedes Mal lächeln. Ich saß eine ganze Weile verträumt auf dem Sofa. So lange, dass ich gar nicht merkte, dass Lena schon seit einiger Zeit allein auf dem Balkon verschwunden war. Als es mir dann aber auffiel, ging ich zu ihr und wollte sie sanft umarmen. Aber sie wich mir aus und machte ein paar Schritte beiseite. Verwirrt sah ich sie an. Hatte ich was falsch gemacht? „Ich... eigentlich weiß ich, dass es Quatsch ist", begann sie, weshalb ich sie abwartend ansah. „Aber ich... ich hab Angst, dass... ich kann nicht verdrängen, dass ich Angst hab, dass mir... naja... dass das passiert, was mir und Mama passiert ist", erklärte sie stotternd und sah dabei leicht beschämt weg. Sie hatte Angst, dass ich einfach abhaue und gleichzeitig, dass ich ihr böse dafür wäre. Aber ich verstand sie irgendwie auch. Der Schmerz saß tief, den ihr Vater verursacht hatte und ich konnte ihr nicht böse sein, dass sie einfach nicht wollte, dass ihrem Kind dasselbe passieren würde. Auch wenn ich natürlich nicht verstand, wie man das überhaupt konnte, sein Kind einfach zu verlassen. Selbst wenn man sich neu verliebt, wovon ich schon nicht glaubte, dass ich das irgendwann könnte, allein wenn ich Lena ansah.

Langsam machte ich wieder ein paar Schritte zu ihr und legte vorsichtig einen Arm um ihre Schultern, um sie an mich ziehen zu können. „Ich bin dir nicht böse, ja? Es ist okay, dass du diese Angst hast", sagte ich leise. Ungläubig sah sie auf. „Eigentlich glaub ich ja auch nicht, dass du...", begann sie aber ich legte sanft meinen Finger gegen ihre Lippen. „Das weiß ich doch. Ich sehe doch bei dir, wie dein Vater dich verletzt hat und es ist klar, dass du nicht willst, dass deinem Baby, unserem Baby, sowas passiert. Aber ich kann dir nur versprechen, dass ich niemals einfach abhauen würde. Grade weil ich ja weiß, wie sehr dir das immer noch wehtut. Selbst wenn wir aus irgendwelchen Gründen irgendwann nicht mehr zusammen sind, kann man das doch schaffen. Meine Eltern haben es ja auch geschafft und schau Natalie und mich an: Wir sind doch einigermaßen gelungen", redete ich ruhig und leise auf sie ein. Tatsächlich konnte ich ihr sogar ein leises Kichern entlocken. „Ganz davon abgesehen, dass ich... dass ich mir eigentlich ziemlich sicher bin mit dir", fügte ich noch ehrlich an. Ich sah, wie sich endlich ein Lächeln auf ihre Lippen legte. „Ich... ich bin mir auch sehr sicher mit dir", gab sie verträumt zurück. „Tut mir leid, dass ich im Moment so Zweifel habe", seufzte sie. „Leni, hör auf dich dauernd zu entschuldigen. Du hast im Moment ein bisschen Gefühls-Wirrwarr und Stress und wahrscheinlich wächst da ein Baby in deinem Bauch. Da kann man schon mal vor lauter Durcheinander ein paar Zweifel haben", sagte ich nur. Sie seufzte zufrieden. „Weißt du, dass ich dich liebe?", murmelte sie. Ich lachte leise. „Hast du schon ein paar Mal erwähnt, ja. Und ich hoffe du weißt, dass ich dich auch liebe", gab ich schmunzelnd zurück. Wieder kicherte sie ein bisschen. „Hast du auch schon mal erwähnt", gab sie noch zurück. „Dann ist ja gut", lächelte ich, ehe wir dann wieder rein gingen, wo wir am Laptop wieder mal ein paar Wohnungen ansahen. Diesmal auch ein bisschen größere. Wenn wir nun wohl zu dritt sein würden.

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