111

363 35 12
                                    


•Marks Sicht•

Wie jedes Jahr kam Weihnachten schneller, als man dachte aber ich hatte es geschafft bis dahin „Übermorgen" am Klavier mit dem Gesang dazu auswendig zu lernen. Es war der 23.12. und Lena und ich waren grade auf dem Weg ihre Mama vom Bahnhof abzuholen und dann nach Polen zu fahren. Es war noch ziemlich früh und wurde grade erst hell. Eigentlich wollte Lenas Mama schon einen Tag früher kommen aber es war etwas dazwischen gekommen und so hatte sie nachts Bahn fahren müssen. Am Bahnsteig begrüßte Lena ihre Mutter total glücklich. Gestern hatte Lena mir gestanden, dass sie ihrer Mama noch gar nicht erzählt hatte, dass sie Kontakt zu ihrem Vater hatte. Genauso wusste sie nicht, dass Lena eine Schwester hatte und sie sie auch schon zweimal getroffen hatte. Aber vielleicht hätte sie ja in den nächsten Tagen Zeit ihr alles zu erzählen. Erstmal gingen wir wieder zum Auto und machten uns wieder auf den Weg.

Einige Stunden fuhren wir schon, hatten die Grenze passiert und kurz danach Fahrerwechsel gemacht, da ich mit den polnischen Schildern besser klarkam. „Wir sind bald da", sagte ich beim Ortsschild. Wir drei würden in einem kleinen Ferienhaus wohnen, dass unserer Familie gemeinsam gehörte für genau solche Anlässe. Wenn mal alle zusammenkommen, müssten ja auch alle irgendwo unterkommen. Schmunzelnd beobachtete ich, wie Lena regelrecht an der Scheibe klebte und neugierig raussah. Am Haus angekommen stiegen wir aus und brachten erstmal unsere Taschen rein. Bis wir bei meiner Tante mit allen anderen verabredet waren, dauerte es noch ein bisschen und da ihr Haus direkt gegenüber lag hätten wir auch keinen langen Weg vor uns. „Irgendwie ist es genauso, wie ich es mir vorgestellt hab", stellte Lena beim Gang durchs Haus fest. Fragend sah ich sie an. „Die alten Holzmöbel, die Teppiche auf den alten Dielen... alles einfach", zählte sie auf. Schmunzelnd umarmte ich sie einmal zufrieden. Hoffentlich würde es dieses Jahr nicht so angespannt werden wie beim letzten Weihnachten. Damals hatte ich meiner Familie Lena vorgestellt und alle waren irgendwie skeptisch gewesen, weil ich ja zuvor noch mit Finja zusammen gewesen war. Mama und Natalie verstanden sich zwar auf Anhieb super mit ihr aber der Rest war eher irgendwie abweisend gewesen. Und dieses Jahr war auch noch Lenas Mama dabei und wenn die Stimmung so wäre wie letztes Jahr, wäre es mir vor ihr noch peinlicher gewesen. Ich wollte nur das Beste für Lena und das sollte auch ihre Mutter wissen.

Dann war es soweit: Wir hatten uns fertig gemacht und wollten nun über die Straße zu meiner Tante rüber. Entschlossen hatte ich Lenas Hand genommen, ihre Mutter folgte uns in kleinem Abstand zur Haustür meiner Tante. Ich klingelte und schluckte einmal schwer. Hoffentlich würde es einfach gut werden. Tatsächlich begrüßte meine Tante uns alle mit überschwänglichen Umarmungen und meine gesamte anwesende Familie tat es ihr gleich. Das war mal ein Hallo. Dieses Weihnachten war schon eher das, was ich unter Weihnachten verstand. Schon am Abend vor dem 24. verbrachten wir alle Zeit zusammen. Die gesamte Familie unterhielt sich laut, lachte und teilte Erinnerungen und Geschichten. Diesmal hatte ich das Gefühl, es freuten sich sogar alle Lena wiederzusehen.

Einen kurzen Moment hatte ich dann, in dem ich nur das Klavier anblickte und mir einfiel, was ich morgen vorhatte. Ich würde für Lena „Übermorgen" singen. Die ganze Zeit überlegte ich, wie ich es schaffen würde mit ihr allein ins Wohnzimmer meiner Tante zu kommen. Wenn meine ganze Familie dabei wäre würde ich keinen Ton rausbekommen, das wusste ich. „Hey", holte Lena mich aus meinen Gedanken, als sie grade vom Klo wiederkam. „Hey", lächelte ich zurück und legte kurz einen Arm um sie, als sie neben mir saß. „Fühlst du dich wohl hier?", fragte ich dann einfach grade raus. Überrascht sah sie auf, lächelte dann aber. „Ja... ich meine schau dich um: alle freuen sich irgendwie. Niemand guckt uns mehr komisch an obwohl ich keine Ahnung habe, was seit letztem Jahr anders ist... vielleicht hat es einfach nur gedauert aber... ich mag deine Familie", erklärte sie mir mit strahlenden Augen. „Oh schau, unsere Mütter scheinen sich auch gut zu unterhalten", deutete sie auf die zwei, die sich grade begeistert über irgendwelche Rezepte unterhielten. Erleichtert sah ich sie wieder an. „Es wird gut, sowieso", schmunzelte ich. Sie lachte leise und gab mir einen kurzen Kuss.

Den ganzen Abend verbrachten wir noch hier und als wir dann wieder die Straßenseite wechselten und in unser Bett krochen. Vielleicht ein bisschen zu glücklich zog ich sie fest an mich. Ein etwas unernstes „Au", verließ ihre Lippen, woraufhin sie aber sofort lachte. „Sorry... ich freu mich nur so, dass alles so... harmonisch ist jetzt", erklärte ich und wurde ein bisschen rot. Aber Lena lachte nur nochmal, drehte sich zu mir und küsste mich. „Ich liebe dich", flüsterte sie. „Ich dich auch", gab ich sofort zurück und küsste sie nochmal. Immer wieder küssten wir uns bis wir müde wurden und einschliefen. Es war einfach alles so schön grade. Wenn ich es nicht wüsste, würde ich denken, ich hätte irgendwas genommen, so schwebend fühlte ich mich.

Schon mal ein bisschen Weihnachtsstimmung☺️

Der Weg des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt