•Marks Sicht•Am nächsten Morgan war das erste was ich hörte ein kurzes „Au!" von Lena. So schnell ich konnte, ohne direkt wieder umzufallen durch den noch müden Kreislauf lief ich in den Flur und dann ins Wohnzimmer, wo sie sich den Fuß hielt. „Alles gut?", fragte ich besorgt und half ihr zum Sofa. „Bin gegen die Kiste gelaufen aber ist nicht so schlimm", erklärte sie. „Eigentlich wollte ich dich nicht wecken", fügte sie noch an. „Lieb von dir aber wir haben hier ja auch noch einige Kisten stehen, die ausgeräumt werden wollen", sagte ich nur und sah auf das Chaos um uns herum. „Auch wieder wahr", seufzte sie. „Lass uns frühstücken", schlug ich dann vor und so taten wir das auch. Bevor wir uns dann aber den Kisten widmeten gingen wir noch eine entspannte Runde mit Kiwi durch den benachbarten Park. „So und jetzt... lass uns den Wohnbereich erstmal machen, dann ist der größte Teil geschafft", schlug ich vor als wir zurück waren. „Dann los! Ich will endlich sehen wie alles hier aussieht", meinte Lena motiviert und so schnappten wir uns die ersten Kisten und legten los. Einige Stunden räumten wir die Dinge mal da und mal dorthin, lachten zusammen und richteten unser neues zu Hause ein. Je mehr von unseren Sachen einen Platz bekamen, desto mehr fühlte es sich auch nach einem zu Hause an. Endlich waren die Schränke nicht mehr leer und selbst wenn es nur Aktenordner waren, es wirkte bewohnt und lebendig. „Oh Gott alte Zeugnisse", meinte Lena schmunzelnd als sie einen weiteren Ordner hervorzog. Mittlerweile waren wir im Büro angekommen. Wir hatten zwei Schreibtische, sodass wir Beide unseren Platz hatten und mein Klavier stand an einer der Wände. Dass dieses es unbeschadet hier her geschafft hatte, hatte mich einfach nur erleichtert aufatmen lassen. Erstmal wollte ich jetzt aber einen Blick in Lenas Zeugnisse werfen. Ich klaute ihr den Ordner aus den Händen und ließ mich auf den Schreibtischstuhl fallen. „Ey!", rief sie empört kam aber zu mir gelaufen. „Mal sehen, wie das hier so aussieht... 9. Klasse", las ich. „Oh man, Bitte, die sind echt nicht gut", murmelte sie und wollte den Ordner zurück nehmen. Tatsächlich hätte ich ihr bei den Noten als Lehrer nicht unbedingt dazu geraten Abi zu machen aber sie hatte es ja scheinbar geschafft. Als ich sie kurz ansah merkte ich, wie verunsichert sie plötzlich war. Verwirrt versuchte ich ihren Blick einzufangen aber sie wich mir aus. Schließlich legte ich den Ordner auf den Tisch und zog Lena auf meinen Schoß. „Sind doch nur Noten, was ist denn?", wollte ich wissen. Ich warf einen weiteren Blick aufs Zeugnis. „Oh, wow so viele Fehltage hatte ich in zwei Jahren nicht", stellte ich verwundert fest. Wieder senkte sie den Blick als würde sie sich dafür schämen. Das war doch nur ein Zeugnis und außerdem von der 9. Klasse. Das interessierte nun wirklich keinen mehr. Was war denn schon dabei? „Ich war öfter krank", meinte sie aber irgendwas daran stimmte nicht, das merkte ich. „Hey, Leni, was ist los, hm?", fragte ich sie vorsichtig. „Ich hab ja nicht umsonst das Jahr darauf die Schule gewechselt", meinte sie nur. Ich wusste, dass ihre Schulzeit nicht die leichteste war aber wirklich darüber gesprochen hatten wir nie. Jetzt wo ich so darüber nachdachte, hatte sie das Thema immer gemieden. „Willst du nicht drüber reden? Dann können wir auch einfach weiter auspacken", schlug ich vor. Wenn sie nicht reden wollte, würde ich sie nicht zwingen. „Marek... es ist nur nicht so leicht", meinte sie dann und lehnte sich mehr an mich. Ich umarmte sie sofort und wartete einfach, ob sie reden würde. „Ich war oft nicht da, weil... weil mich da eh keiner wollte", begann sie schließlich. Schockiert über die Worte, die sie gewählt hatte, sah ich sie an aber sie hatte das Gesicht in meinem Shirt versteckt. „Wieso?", wollte ich wissen. „Was weiß ich?! Mal war ich zu laut, dann zu leise, zu schlau, zu dumm, du ehrgeizig, du faul, zu dünn, ich hab keine Ahnung", zählte sie auf und ich sah regelrecht wie sie wieder fühlte, was sie damals wohl zu oft gehört hatte. Aber ich konnte dazu auch nicht viel sagen. Dass das alles Blödsinn war wusste sie selbst. Seufzend drückte ich sie fester an mich. „Scheiße... Irgendwie hab ich sowas immer geahnt, wenn wir mal das Thema Schule angeschnitten haben. Du hast es immer gemieden und ich kann's auch verstehen. Aber wenn du das so sagst... das tut mir ja schon weh. Du hast das nicht verdient, niemand hat das", sagte ich leise. „Du bist perfekt so wie du bist", fügte ich noch an. Ich spürte sie schmunzeln. „Ich war ja nicht immer so aber ich hätte öfter mal jemanden gebraucht, der mir das sagt", meinte sie. „Wenn wir uns schon gekannt hätten, hätte ich dir das so oft gesagt wie ich gekonnt hätte", gab ich sofort zurück. Lächelnd sah sie auf. „Das glaub ich dir sogar. Aber es war nun mal nicht so", meinte sie. „Wie lange ging das so? Dass sie dich so runtergemacht haben?", wollte ich aber noch wissen. „Das fing so in der 7. an aber da war es noch nicht so schlimm... irgendwann haben sie mich einfach immer so außen vor gelassen. Dieses typische: Letzte beim Mannschaften wählen, keiner wollte mit mir zusammenarbeiten bei irgendwelchen Präsentationen und so. Dann kam dieses tuscheln untereinander, ich hab richtig gemerkt, dass sie sich über mich lustig gemacht haben und irgendwann haben sie sich auch keine Mühe mehr gegeben es heimlich zu machen", erzählte sie. „Ich hab mit Mama noch mit den Lehrern gesprochen aber das hat es eher schlimmer gemacht und dann hab ich lieber die Schule gewechselt zur Oberstufe hin", beendete sie die Erzählung. „Und dann war's besser?", fragte ich noch. Sofort lächelte sie noch mehr und nickte. „Die Kurse da waren viel cooler. Alle haben sich irgendwie miteinander unterhalten können. Klar mochte man den Einen mehr als manch Anderen aber alle waren irgendwie okay miteinander", erklärte sie zufrieden. „Ich meine, selbst nach dem ESC haben alle mir noch geholfen mit dem Abi klarzukommen und so", fügte sie an. Ich lächelte direkt beim Gedanken an den ESC 2010. Wenn ich mir vorstellte, mit 19 diesen Wettbewerb gewonnen zu haben... Ich hätte das nicht so gepackt wie Lena. Mit 19 wusste ich überhaupt nicht was ich mit meinem Leben vorhatte. Nicht umsonst hatte ich ein Jurastudium abgebrochen. „Wir sollten weitermachen", stellte Lena fest als sie auf die Kisten um uns blickte. Seufzend nickte ich und ließ sie los damit sie aufstehen konnte. Dann stand ich auch auf und klappte erstmal ihren Ordner wieder zu. Da fiel mir noch was ein und ich hielt sie nochmal kurz fest. „Hat dir einer von denen mal wehgetan? Körperlich mein ich?", fragte ich sie und spürte diese leichte Wut in mir. Aber sie schüttelte den Kopf und lächelte mich an. „Das ist Vergangenheit. Lass uns jetzt hier unsere Wohnung einräumen und dann genießen, dass wir zusammen sind", meinte sie aufmunternd. Sofort lächelte ich. Sie war wirklich ein durchweg positiver Mensch und ich liebte sie dafür. Also räumten wir noch weitere Kisten aus ehe wir dann mal Mittagessen machten und nochmal mit Kiwi in den Park gingen.
Es gibt also immer noch Dinge, die sie nicht voneinander wussten...
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Der Weg des Lebens
FanficAlles beginnt mit einer Wanderung zu sich selbst gespickt mit Erinnerungen und neuen Gedanken. Was daraus entsteht ist bei Erreichen des Ziels jedoch noch immer fraglich. Eine Geschichte aus Sicht von Mark Forster. Auszug aus Teil 15: Sofort saß ich...