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•Marks Sicht•

Als Nitti eine gute Stunde nach mir ins Studio kam hatte ich schon einiges geschafft. Es hatte mir geholfen, nicht mehr über Lena nachzudenken. Ich wollte nicht mit ihr streiten und jetzt hatte sie mich total missverstanden. „Oh schon da", meinte Nitti überrascht. Ich seufzte nur. Fragend sah er mich an. „Sag nichts. Können wir einfach anfangen", murrte ich. Ich konnte jetzt absolut niemanden gebrauchen, der mich über meine Gefühle ausfragte. Ich wusste eh keine Antwort, egal was die Frage wäre.

Zum Glück trat im selben Moment Ralf durch die Tür, weshalb wir tatsächlich dann anfingen zu arbeiten. Es lief flüssig und das war auch besser so, da uns nicht mehr viel Zeit blieb bis zur Deadline. Morgen hatte ich ein Promo-Interview und das ausgerechnet in Zürich, sodass der Weg länger dauern würde. Aber immerhin könnte ich meine Schwester dort besuchen. Sie war vor ein paar Jahren mit ihrem Freund zusammengezogen, der aus Zürich kam. Er war Manager einer relativ großen Bank und Natalie arbeitete als Angestellte in einem Ingenieurbüro. Ich war immer irgendwie froh, wenn ich daran dachte, dass meine kleine Schwester einen guten Job und einen tollen Mann hatte, die ihre Zukunft sicherten. Mal schauen, wie viel Zeit ich morgen für sie haben würde. Das Interview war am späten Nachmittag und würde nächste Woche ausgestrahlt werden. Bis zum Release meines Albums waren es noch gute zwei Wochen.

„Mark? Ey du Tagträumer! Wir arbeiten!", stieß Ralf mich plötzlich an. „Oh, sorry, klar. Wo waren wir?", murmelte ich. So machten wir tatsächlich zwei Songs fertig an dem Tag. Damit fehlten noch drei. Es gab sie natürlich schon aber sie waren noch nicht fertig und Ralf müsste bald mit dem Mixing anfangen, sonst würde es knapp werden. Er hatte ja auch noch was anderes zu tun. Deswegen war ich froh, dass wir heute unserem Ziel näher gekommen waren. Auch wenn wir dafür ein weiteres Mal bis kurz nach elf im Studio waren und uns von bestellten Essen ernähren mussten.

Als ich dann endlich ins Auto stieg seufzte ich. Gestern war ich um diese Zeit zu Lena gefahren, wollte mit ihr reden und hatte zufällig diesen Typen bei ihr gesehen. Und jetzt hatten wir genau deshalb Streit. Bei einem Blick auf den Beifahrersitz bemerkte ich die Pfannkuchen vom Frühstück. Die hatte ich total vergessen. Da kam mir eine Idee.

Ich kramte aus meinem Handschuhfach einen alten Block und einen Stift und begann ein paar Zeilen zu schreiben: »Hey Leni, ich hoffe du wirfst den Zettel nicht gleich weg. Ich wollte dir nur erklären, dass es tatsächlich Zufall war, dass ich dich vorgestern mit diesem Mann gesehen hab. Ich wollte vorbeischauen und vielleicht ein bisschen quatschen, als ihr da grade ankamt und dann wollte ich nicht stören und bin wieder gefahren. Sei nicht sauer bitte! Ich mag nicht mit dir streiten, wenn wir uns eh schon kaum sehen. Morgen bin ich in Zürich, also vermutlich eher heute, kommt drauf an, wann du den Zettel ließt. Vielleicht bringen dich die Pfannkuchen ein bisschen zum Lächeln, auch wenn sie schon kalt sind. Hab dich lieb, dein Forsti« Dafür hatte ich zwei Seiten eines kleinen Zettels beschrieben, welchen ich dann an die Dose klemmte. Damit fuhr ich zu Lenas Wohnung.

Es brannte kein Licht mehr und dies mal sah ich auch niemanden in der Umgebung. In der Wohnung unter ihr war noch jemand wach, weshalb ich beschloss dort zu klingeln. „Wer stört?", lachte eine leicht lallende Frauenstimme in die Gegensprechanlage. Ich schmunzelte. „Ich wollte nur ins Treppenhaus. Hab ein Geschenk für jemanden dabei", erklärte ich. „Schade, du klingst süß", kicherte sie und ließ mich rein. In der Etage unter Lena stand die junge Frau dann in der Tür und griente mich an. Sie hielt ein Glas Rotwein in der Hand und musterte mich genauestens. „Und du wolltest wirklich nicht zu mir?", fragte sie etwas enttäuscht. „Nein, tut mir leid", schmunzelte ich und ging lächelnd an ihr vorbei. Bei Lenas Tür legte ich die Dose mit dem Zettel an und ging wieder runter. „Warte mal!", rief die Frau plötzlich, als ich grade wieder an ihr vorbei war. Ich drehte mich also zu ihr. „Du bist Mark Forster! Ich hab dich hier schon öfter bei Lena gesehen", erklärte sie. „Das stimmt wohl", gab ich zu. „Dann war das Geschenk für sie", schlussfolgerte die Angetrunkene. „Gut kombiniert Sherlock", gab ich grinsend zurück, woraufhin sie kicherte und ihre Wangen noch etwas roter leuchteten. „Ich geh jetzt besser und du solltest schlafen gehen, gute Nacht", sagte ich schließlich. Sie schnaufte frustriert auf, was irgendwie niedlich war, ging aber zurück in ihre Wohnung und schloss die Tür.

Kopfschüttelnd ging ich zurück zu meinem Auto und fuhr heim. Hoffentlich würde Lena den Zettel auch lesen. Ich musste jetzt noch ein paar Sachen für Zürich packen, nicht zu vergessen das Dalapferd aus Schweden für Natalie. Danach war es bereits nach Mitternacht aber ich legte mich endlich schlafen. Wenigstens ein paar Stunden bis der Wecker klingeln würde, damit ich den Flug nicht verpassen würde.

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