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•Marks Sicht•

Nach ein paar weiteren Kilometern führte mich der Weg an den Resten einer alten Mühle vorbei. Die Landschaft war wunderschön hier. Je weiter ich von da aus kam, desto mehr erinnerte mich die Gegend an einen Golfplatz. Würde man die Bäume ignorieren, wäre es lediglich eine weite wellige Landschaft, die an einem See lag, der nicht mehr weit vom heutigen Ziel Krokstorp entfernt lag. Da erinnerte ich mich an meinen vorletzten Besuch eines Golfplatzes.

-Rückblende-
Ein guter Bekannter hatte mich zu einer Golfveranstaltung eingeladen. Mich, der noch nie in seinem Leben einen Golfschläger in der Hand gehalten hatte. Er wollte irgendetwas Großes feiern und hatte anscheinend jeden eingeladen, den er kannte. Ich wollte mich auf keinen Fall blamieren und hatte mich deshalb ein paar Wochen zuvor mit Lena zum Golfen verabredet. Sie war vor einigen Jahren eine Zeit lang öfter mit Freunden Golfen gewesen und hatte sich bereiterklärt, mir ein bisschen was zu zeigen, damit ich nicht völlig ahnungslos zu dieser Feier musste. An einem Mittwoch Vormittag wollten wir dies nun in die Tat umsetzen. Es war aufgrund der Uhrzeit nicht viel los. Eigentlich durften wir auch nur rein, weil ein Bekannter von Lena dort Mitglied war und unsere Namen ein bisschen nachgeholfen haben aber egal, Hauptsache ich konnte üben.

Dazu sollte es allerdings gar nicht kommen. Wir hatten grade die Fläche betreten, da bemerkte Lena, dass sie ihr Handy im Auto vergessen hatte. Allerdings erwartete sie noch einen dringenden Anruf, weshalb ich es für sie holen ging. Wie sie mir erzählte, kam in der Zeit ein anderer Golfer auf sie zu, der sie fragte, ob sie schon einmal gegolft habe. Schließlich hatten sie wohl irgendwie besprochen, dass er ihr nochmal ein paar Schläge zeigt, sodass sie es mir besser zeigen konnte. Immerhin war es ja einige Zeit her gewesen. Als ich mit ihrem Handy in der Hand wieder in ihre Nähe kam, sah ich gerade noch, wie dieser Typ seine Hände zunächst von Hinten um ihre Arme legte, als wolle er ihr Helfen. Er stand dabei ziemlich dicht hinter ihr. Soweit sah es aber nach völlig normalem Golfunterricht aus. Ich schmunzelte darüber. So sicher war sie sich also doch nicht, dass sie mir noch alles zeigen konnte.

Plötzlich sah ich, wie seine Hände zu ihrer Hüfte wanderten und schließlich relativ forsch und plötzlich ihren Hintern packten. Ich verschnellerte sofort meine Schritte, während ich beobachten konnte, wie Lena sich ruckartig von ihm losriss und ihn entgeistert ansah. Als ich näher kam hörte ich sie noch ein „Fass mich nicht an!", fauchen. Aber er grinse nur und griff nach ihrem Arm. Mich schien er überhaupt nicht wahrzunehmen. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass ich losgejoggt war, kam dann aber endlich bei den beiden an. Schnell zog ich Lena am anderen Arm zu mir, sodass er sie losließ und mich überrascht ansah. „Ein Wort und ich schneide dir höchst persönlich die Eier ab", kam es plötzlich ziemlich sauer aus meinen Mund. Die Wortwahl überraschte mich selbst in dem Moment genauso, wie Lena und ihn. Allerdings schien es zu wirken, denn er lief schnellen Schrittes davon.

Lena sah etwas perplex zu mir auf. Ich wusste überhaupt nicht was ich sagen sollte. Wie sich dieser kurze Moment mit seinen Händen an ihrem Hintern für sie angefühlt haben musste, wollte ich gar nicht wissen. Schnell zog ich sie in meine Arme. „K-können wir gehen?", fragte sie leise. Ich nickte sofort und so verließen wir zügig das Gelände. Die ganze Fahrt bis zu ihr, saß sie völlig abwesend auf dem Beifahrersitz. In ihrer Wohnung umarmte ich sie schließlich wieder. Sie sah so hilflos aus irgendwie. „I-Ich... Danke", flüsterte sie. Ich merkte, dass sie ihre Tränen zurückhielt. „Alles gut", gab ich leise zurück. Wir standen einfach einige Zeit so da, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Dennoch blieb ich bei ihr. Sie war noch mit Max zusammen aber da dieser die Nacht nicht zu Hause sein würde, blieb ich bei ihr bis zum Morgen. Ich hatte Angst, das sie irgendwie davon träumte oder sonst was.
-Rückblende Ende-

Zwar hatten wir damals Arm in Arm geschlafen aber am nächsten Morgen war es als wäre nichts gewesen. Sie war in der Nacht sogar nochmal aufgewacht und hatte mich geweckt aber auch dass ich sie festgehalten hatte, als sie mir weinend gestand, dass das Gefühl von seinen Händen noch immer in ihr war, schien sie als freundschaftlich zu betrachten. Für mich hatte sich diese Nacht unfassbar angefühlt. Die Umstände waren alles andere als schön aber ich war für sie da, so gut ich konnte. Nach einem sanften Kuss auf die Stirn, zu dem ich mich überwunden hatte, war sie wieder eingeschlafen und ich hatte sie die ganze Nacht nur angesehen und jeden Zentimeter ihres Gesichtes in mein Gehirn gebrannt. Natürlich hatte ich sie als bester Freund immer beschützt wie meine kleine Schwester aber diese Nacht hatte sich für mich anders angefühlt. Dennoch lief mir bei dem Gedanken an diese Geschichte jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken. So ein Arschloch! Ich hätte ihm einfach eine reinhauen sollen! Kopfschüttelnd lief ich weiter. Ich wollte nicht mehr daran denken, hatte Angst, dass ich beim nächsten Mal vielleicht eine Minute später bei ihr wäre. Also nicht nur eine, sondern zwei zu spät. Dass ihr mehr passieren könnte. Verdammt, wieso konnte ich diesen Gedanken nicht loswerden? Vielleicht weil es grade dunkel wurde und ich nicht wusste wo sie war? Das war bekloppt. Sie war zwar in einem anderen Land aber es ging ihr gut. Sie war bestimmt noch im Studio. Moment wieso wurde es dunkel? Es war erst Nachmittag. Und da fing es auch schon an zu schütten. Fluchend ging ich den letzten Kilometer schneller, bis ich endlich an der Hütte ankam. Klatschnass. Schlechten Gedanken folgten immer schlechte Situationen. Plötzlich klingelte mein Handy. Wer rief mich denn jetzt bitte an? Jeder wusste, dass ich wandern war. Lena? War ihr doch etwas passiert und mein Gefühl hatte gestimmt? Wieso war ich hier und nicht bei ihr?

Der Weg des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt