53

545 31 14
                                    


•Marks Sicht•

Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns von Lenas Mama und machten uns auf den Weg zu meiner Familie. Eigentlich dachte ich, dass Lena auf dem Beifahrersitz noch schlafen könnte aber sie war zu nervös, auch wenn sie versuchte das runterzuschlucken. Ich nahm schließlich sanft ihre Hand, die auf ihrem Oberschenkel lag und streichelte sie kurz. „Ich bin auch nervös, aber was soll denn passieren?", fragte ich. „Keine Ahnung... Deine Familie mag mich vielleicht nicht oder so... ich weiß es nicht", meinte sie. „Das glaube ich zwar nicht aber selbst wenn, dann überzeugen wir sie halt vom Gegenteil. Dich kann man nur mögen!", versuchte ich positiv zu klingen. Sie versuchte sich an einem Lächeln. „Und wenn sie Finja besser für dich fanden?", stellte sie dann eine Frage, über die ich noch gar nicht nachgedacht hatte. Nicht nur ich hatte bis vor kurzem gedacht, dass ich Finja irgendwann heiraten würde und eine Familie gründen. Auch meine Familie war davon ausgegangen. Es wussten ja bis vorgestern nichtmal alle, dass wir überhaupt getrennt waren. „Naja... es ist ja immer noch meine Entscheidung", sagte ich nur. Das schien sie aber nicht wirklich zu beruhigen. „Und ich habe mich für dich entschieden. Weil ich dich liebe", stellte ich also klar und sah kurz zu ihr, um ihr zu versichern, dass ich das auch so meinte. Sie lächelte sofort wieder ein bisschen mehr. „Es ist immer noch irgendwie überraschend wenn du das sagst aber... ich liebe dich auch", gab sie zurück und gab mir kurz einen Kuss auf die Hand. Sofort kribbelte alles in mir und ich musste lächeln.

Es dauerte nicht mehr allzu lange bis wir dann ankamen und natürlich wieder ziemlich nervös wurden. Als wir geklingelt hatten nahm ich ihre Hand und unsere Finger verschränkten sich wie automatisch. Ich atmete tief durch und da ging auch schon die Tür auf. Mein Puls schoss in die Höhe aber zunächst sah ich in das Gesicht meiner Schwester, die uns aufgemacht hatte. „Hey, da seid ihr ja", lächelte sie und ich merkte, wie sie versuchte besonders ruhig zu sein, um uns nicht noch nervöser zu machen. Wie umarmten uns kurz und auch Lena wurde natürlich freundlich umarmt. „Mama ist in der Küche, die anderen im Wohnzimmer. Geht doch erstmal in die Küche", schlug Natalie vor. Das war vielleicht tatsächlich eine gute Idee. Ich nickte nur und nachdem wir Jacken und Schuhe abgelegt hatten griff ich wieder Lenas Hand, bevor wir in die Küche gingen, wo Natalie Mama aufgehalten hatte, damit diese nicht wieder zu den anderen lief. „Marek, da bist du ja wieder und... oh", war sie überrascht. Auf Polnisch fragte sie mich, was Lena hier machte. Ich wurde rot und schwitzte immer mehr während Lena sich sichtlich unwohl damit fühlte, dass sie nicht mal wusste, was sie gesagt hatte. „Ähm...", begann ich und antwortete schließlich refelxartig auf Polnisch, dass Lena meine Freundin war. Diese verfestigte ihren Griff um meine Hand, als Mamas Blick sie traf. Erstmal musterte sie meine neue Freundin nur stumm. „Hallo erstmal", sagte sie dann schließlich und umarmte sie etwas steif. Hand geben war nicht ihr Ding aber die Umarmung wirkte dennoch etwas formal. „Hallo, ich bin Lena", gab selbige zurück. „Ich bin ein bisschen überrascht... Marek du hättest wenigstens was ankündigen können", sagte Mama dann zu mir. Schuldbewusst senkte ich den Blick. „Ja... sorry", murmelte ich nur. Mama seufzte nur. „Dann kommt doch mit ins Wohnzimmer", sagte sie dann. Lena sah mich unruhig an. „Alles gut. Wenn irgendwas ist, rennen wir halt zusammen weg", versuchte ich mich an einem Scherz, der sie nur bedingt zum Lachen brachte.

Kaum betraten wir den Raum war es still. Alle Blicke lagen auf uns. Natalie stand hinter uns und versperrte mir gedanklich den Fluchtweg, was vielleicht auch besser war. Dann begannen ein paar meiner Tanten auf Polnisch miteinander zu reden. Mama unterbrach sie schließlich und erklärte, ebenfalls auf Polnisch, dass Lena und ich ein Paar waren. So viel Polnisch kam bei uns nur in ‚Ausnahmesituation' vor, eigentlich sprachen wir deutsch miteinander. Natürlich folgten einige Fragen, auch nach Finja und die angespannte Stimmung hielt noch eine Weile an.

Nach dem Kuchen entschuldigten wir uns kurz, um ‚Lenas Sachen rauf zu bringen' und gingen auf den Dachboden. „Ich hoffe es ist okay, wenn wir uns das hier oben mit Natalie und Robin teilen heut' Nacht", sagte ich. „Kein Ding", meinte sie aber ich merkte, wie angespannt sie immer noch war. Also zog ich sie einmal in meine Arme. Wir beide atmeten tief durch. Es war doch eigentlich alles gut gegangen. Keine allzu unangenehmen Fragen, keine bösen Sticheleien. „Ich weiß immer gar nicht, was die alle miteinander reden. Es ist komisch, wenn man kein Wort versteht", gab sie zu. Wenn ich so drüber nachdachte konnte ich das nachvollziehen. Mir war das nicht so aufgefallen, da ich das meiste verstand aber sie wusste ja überhaupt nicht, ob es böse Worte oder ganz normale Sachen waren, die meine Tanten da austauschten. „Bis jetzt ist noch kein einziges böses Wörtchen über dich gefallen und glaub mir, wenn dann hätte ich was gesagt", versuchte ich sie zu beruhigen. Sie nickte etwas. „Natürlich sind alle ein bisschen überrascht aber ich glaube sie mögen dich", fügte ich an. „Meinst du? Bis jetzt haben nur Natalie und deine Mutter mich mal aufmunternd angelächelt... alle anderen sind so... keine Ahnung... wenn die polnisch sprechen, ist es ein bisschen, als hätte mir jemand die Tür vor der Nase zugemacht", erklärte sie ihr Gefühl. „Das ist wirklich ein bisschen unfair...", gab ich zu. „Meinst du, das ist jetzt noch den ganzen Tag so?", fragte sie dann. „Puh... ich hoffe nicht aber... naja... es werden zumindest noch Fragen kommen", sagte ich.

Schließlich gingen wir dann auch bald wieder runter. Sich verkriechen brachte ja nichts. In meinem Kopf machte ich schon fest, dass wir morgen fahren würden, wenn das den ganzen Abend noch so bleiben würde. Noch einen ganzen Tag mit dieser Anspannung wollte ich für mich selbst nicht und auch für Lena nicht. „Da seid ihr ja! Helft ihr mir eben in der Küche", meinte Mama direkt. Und so folgten wir ihr, um ein bisschen zu helfen und natürlich auch zu reden. „Ich bin ehrlich. Ihr hättet euch einen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um hier zusammen aufzuschlagen als Weihnachten aber... ich freu mich für euch. Wirklich", erklärte Mama. „Danke", sagte Lena sofort. So nur zu dritt fühlte sie sich sichtlich wohler. „Ich sehe wie ihr euch anschaut und lächelt. Ihr macht euch glücklich und das ist ja die Hauptsache", fügte Mama an. Wir beide wurden sofort rot.

Dann halfen wir aber erstmal beim Kochen und gingen dann zurück zum Rest der Truppe. Natalie sah mich fragend an. „Alles gut", sagte ich nur leise, als wir uns setzten. Ich neben meine Schwester, Lena neben Mama. Als dann meine Tanten beim Essen wieder auf Polnisch redeten legte ich kurz das Besteck weg, da ich merkte, wie Lena wieder unsicher wurde. Warum machten sie das? Merkten sie nicht, wie unfair das war? „Łucja", sprach ich sie an. Sie sah mich abwartend an und auch Lena sah auf. „Könnt ihr Deutsch sprechen bitte? Ich finde es ein bisschen unfair, Lena versteht kein Wort von eurem Getuschel", sagte ich. Ich spürte einen Tritt von Lena an meinem Bein. Ihr war das unangenehm. Meine Tante hingegen sah sofort entschuldigend zu uns rüber. „Natürlich, klar, entschuldigt bitte", sagte sie. „Wir hätten auch einfach euch fragen können. Wir haben uns gefragt, wie alt du eigentlich bist", sagte sie zu Lena. „28", gab sie zurück. „Acht Jahre seid ihr ja dann auseinander", stellte meine andere Tante fest. Was auch immer das jetzt heißen sollte. „Ja", sagte ich nur schulterzuckend.

Am Abend waren wir erstmal sehr froh, uns wieder zurückziehen zu können. So richtig entspannt war es nicht geworden unten. Natalie und Robin wollten in ein paar Minuten nachkommen, somit hatten wir diese Zeit auf dem Dachboden für uns. „Danke, dass du das vorhin gesagt hast. Also mit dem Polischen", bedankte Lena sich. „Ist doch logisch. Es war halt echt unfair", gab ich nur zurück. „Komm, lass uns hinlegen", sagte ich dann und so kuschelten wir uns unter die Decke. „Wie lange bleibst du normalerweise hier Weihnachten?", fragte sie irgendwann vorsichtig. Es war verständlich, dass sie sich unwohl fühlte hier. „Unterschiedlich. Meistens noch über Silvester", erklärte ich dennoch ehrlich. „Sei mir nicht böse aber... ich glaub ich... würde dann vor dir zurückfahren nach Berlin", meinte sie unsicher, wie ich reagieren würde. „Hey, alles gut aber wenn, dann komm ich mit", sagte ich sofort. „Musst du nicht. Es ist deine Familie, ihr seht euch bestimmt nicht so oft", wollte sie mich überreden. „Das stimmt aber ich vermisse sie zugegebenermaßen eher selten. Im Gegensatz zu dir", lächelte ich und küsste sie kurz, bevor sie antworten konnte.

Dann kamen Natalie und Robin rauf zu uns, um ins Bett zu gehen. „Marek, Lena ich wollte noch was vorschlagen", meinte Natalie direkt. Abwartend sahen wir zu ihr. „Wollen wir morgen noch Papa besuchen fahren für Kaffee und Kuchen? Ich nehme an, ihr bleibt nicht so lange, wie sonst", schlug sie vor. Ich seufzte, hatte eigentlich keine Lust nochmal alle Fragen zu beantworten. Manchmal war es eh ein bisschen komisch zwischen mir und Papa. Eigentlich verstanden wir uns sehr gut aber in manchen Momenten war es einfach seltsam. Auch Lena schien sich nicht sicher zu sein. „Kommt schon! Karo ist wohl auch gar nicht da im Moment, dann ist nur ein Augenpaar auf euch gerichtet", wollte Natalie uns überreden. Karo war Papas mittlerweile nicht mehr ganz neue Freundin. Auch mit ihr kam ich eigentlich klar aber nur mit Papa war es einfacher. „Also... irgendwann lerne ich ihn ja eh kennen", meinte Lena schließlich. Seufzend stimmte ich also zu. Vielleicht wäre das sogar besser, als morgen noch den ganzen Tag hier zu sein, auch wenn ein Teil meiner Familie morgen nach Hause fahren würde.

Und so stand er Plan und wenig später war es still auf dem Dachboden. „Gute Nacht, kleine Fee", flüsterte ich nur noch. „Seit wann nennst du mich so? Und wieso klein?", wollte Lena leise kichernd wissen. „Du bist halt meine ganz persönliche Fee und immerhin ein Stück kleiner als ich", gab ich nur zurück. Immer noch leicht kichernd küssten wir uns kurz. „Wie lange geht das jetzt?", fragte Natalie gespielt genervt. Schmunzelnd verstummten wir und gaben uns nur noch einen Kuss bevor wir schließlich einschliefen.

Fandet ihr, es lief gut?🤔

Der Weg des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt