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•Marks Sicht•

„Marek", begann Lena. Es waren ein paar Tage vergangen seit dem Svenja da war und die Beiden über ihren gemeinsamen Vater gesprochen hatten. Und wir saßen wieder nebeneinander auf dem Sofa, um den Abend ausklingen zu lassen. „Was denn, Leni?", fragte ich also. „Ich glaube, ich möchte meinen Vater treffen", meinte sie unsicher und kraulte Kiwi weiter, die auf ihrem Schoß lag und döste. „Okay", sagte ich nur. Wenn sie das wollte, sollte sie es tun. „Aber... du... du musst dabei sein", fügte sie an, drehte sich ein bisschen zu mir und sah mich an. „Natürlich! Ich lass dich doch nicht alleine mit dem", gab ich sofort zurück und nahm ihre Hand. „Du schaffst das schon... Wir schaffen das zusammen", wollte ich sie beruhigen. Das Thema hatte sie schon seit dem Gespräch mit Svenja beschäftigt und ich hatte genau gespürt, dass sie nie ganz zur Ruhe gekommen war seit dem. „Ich weiß gar nicht so genau worüber ich mit ihm reden will...", meinte sie dann. „Wenn es sich richtig anfühlt mit ihm zu sprechen, dann tu das. Ich werde bei dir sein, dich unterstützen und auf dich aufpassen", versicherte ich nochmals. Sofort sah ich ein kleines Lächeln auf ihren Lippen. „Meinst du ich kann ihn hier her einladen? Ich weiß nicht ob ich will, dass er weiß wo wir wohnen aber... eigentlich will ich auch zu Hause sein", äußerte sie weitere Gedanken. „Überleg dir das in Ruhe. Ihr könnt ja auch erstmal nur einen Termin ausmachen und dann kannst du nochmal schreiben, wo ihr euch trefft", schlug ich vor. Nachdenklich nickte sie, begann aber schließlich eine Mail an ihn zu schreiben. Das fiel ihr noch immer sichtlich schwer aber es ging schon deutlich schneller als bei der ersten Mail.

Zwei Tage später war es dann soweit. Wir hatten uns entschieden, ihn doch in unsere Wohnung einzuladen. Seit dem sie den Termin mit ihm ausgemacht hatte war Lena noch unruhiger als zuvor und ich konnte sie verstehen. Es war nie schön sie so zu sehen. Sie machte sich viel zu viele Gedanken, hatte fast schon Angst und immer wieder Zweifel aber ich gab mein Bestes sie zu beruhigen. „Marek ich kann das nicht. Was wenn ich einfach nur anfange zu heulen? Ich will nicht, dass er... dass er weiß wie... ach ich kann's einfach nicht", jammerte sie wieder. Ich umarmte sie sofort und versuchte Ruhe zu vermitteln. „Du schaffst das und ich bin ja auch noch da. Wenn du weinen musst, sieht er wenigstens, dass es dir immer noch wehtut und das soll er ruhig wissen oder nicht?", fragte ich. Sie zuckte nur mit den Schultern und schließlich erschrocken zusammen als es klingelte. „Ich... mach du auf", meinte sie sofort hektisch und verschwand ins Wohnzimmer. Kurz sah ich ihr nach ehe ich dann die Haus- und schließlich die Wohnungstür öffnete. Da stand er also: Lenas Vater. „Hi", murmelte er mindestens genauso unsicher wie Lena. „Hallo", sagte ich nüchtern. Er tat mir nicht leid. Stumm trat ich einen Schritt zur Seite, sodass er eintreten konnte. Sehr bedacht zog der Jacke und Schuhe aus bevor er mir nach ins Wohnzimmer ging, wo Lena an Fester stand und sich nicht wirklich traute, zu ihm zu sehen. Ich ging sofort zu ihr und legte einen Arm um sie. „Alles gut, du schaffst das", flüsterte ich ihr zu und drehte mich dann mit ihr um. Die Blicke von Vater und Tochter trafen sich. Zum ersten Mal seit 27 Jahren. Einige Sekunden war es still, dann stürmte sie plötzlich weinend auf ihn los und gab ihm eine gehörige Ohrfeige bevor sie davonlief. Wohl ins Schlafzimmer. Jetzt sahen er und ich uns an. Sie hatte das zu Recht getan, schließlich hatte sie ihn nicht ernsthaft verletzt und das war sie fühlte, dank ihm, tat wahrscheinlich noch hundert Mal mehr weh. „Ich geh vielleicht besser", seufzte er. „Warten Sie hier, ich frag sie", lehnte ich ab und folgte Lena ins Schlafzimmer. Sie fiel mir sofort in die Arme. Ich hielt sie nur fest. „Shhh... alles gut", sagte ich leise und schaukelte sie ein bisschen bis sie sich etwas beruhigte. „Soll ich ihn wegschicken?", fragte ich dann vorsichtig. Sie atmete tief durch, strich sich die Tränen weg und schüttelte den Kopf. Fast ein bisschen überrascht sah ich sie an. „Ich hab ihn nicht herbestellt, um ihm eine zu scheuern und ihn dann wieder wegzuschicken", meinte sie tapfer. „Okay, ich bin trotzdem da, ja?", lächelte ich irgendwie stolz. Also gingen wir zurück ins Wohnzimmer wo erstmal Stille herrschte. „Die hatte ich verdient", brach ihr Vater diese schließlich und meinte damit die Ohrfeige. „Hör zu, ich weiß, dass es platt klingt und es macht auch nichts wieder gut. Nichts macht wieder gut, dass ich einfach gegangen bin aber ich muss dir sagen, dass es mir leid tut", sprach er dann und klang ehrlich dabei. „Du hast Recht, das kannst du nicht mehr gut machen", gab Lena nur kühl zurück und sah ihm fest in die Augen. Noch immer lagen einige Meter zwischen uns und ihm. Nicht nur wegen Corona. Aber nach ein paar weiteren Minuten setzten wir uns zusammen an den Esstisch und versuchten ein Gespräch zu führen. Die Beiden beantworteten sich gegenseitig Fragen und es gab eine Menge davon aber die Stimmung blieb kalt und das konnte ich verstehen. Eigentlich hatte ich auch nichts anderes erwartet. Auch der Abschied nach etwa zwei Stunden war eher unpersönlich.

Als die Tür zu fiel atmeten wir beide durch. Das war ein emotional anstrengender Nachmittag gewesen. Lena kuschelte sich an meine Brust, woraufhin ich die Arme um sie schloss. „Danke", murmelte sie, ließ die Arme um meinen Bauch wandern, sodass sie die Hände auf meinem Rücken miteinander verschränken konnte. „Nicht dafür", gab ich leise zurück. „Ich liebe dich", sagte sie noch bevor sie aufsah. Unsere Blicke trafen sich und sie lächelte endlich wieder zufrieden. „Ich dich auch", gab ich noch zurück und küsste sie sanft. „Und jetzt?", fragte sie dann. „Abendessen?", schlug ich vor woraufhin sie nickte und wir in die Küche gingen. Erstmal war wieder Ablenkung dran, verarbeiten musste sie dann später allein.

Findet ihr, dass ich es passend beschrieben habe? Ich war mir sehr unsicher aber irgendwie wollte ich das Treffen beschreiben...

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