•Marks Sicht•Wenige Tage später gingen bei mir die Konzertmonate los. Lena hatte noch eine Woche mehr Zeit und begleitete mich solange aber dann mussten wir uns fürs erste voneinander verabschieden. So lange wie jetzt, waren wir uns noch nie voneinander getrennt, seit wir zusammen waren. Erst in zwei Monaten hatten wir es geschafft, Termine so zu legen, dass wir uns für ein paar Tage in einem Hotel sehen würden. Dann würden die Zeiträume kürzer werden und wir würden uns öfter sehen. Unseren Plan zusammen zu ziehen würden wir vorerst nicht wirklich umsetzen können.
Die ersten Tage waren noch okay. Dann war zumindest ich erstmal abgelenkt, da ich mit Natalie, Mama und ihrer besten Freundin Hochzeitskleider anschauen wollten. Zunächst war ich ein bisschen unsicher, was ich dazu überhaupt sagen sollte und als meine kleine Schwester im ersten Kleid vor uns stand war ich erstmal sprachlos. Es war noch nicht das perfekte Kleid aber allein, sie so zu sehen, machte mich glücklich. Sie würde heiraten. Als dann DAS Kleid kam und Mama, sowie Natalie selbst und ihre Freundin anfingen vor Freude zu weinen, verdrückte auch ich eine Träne. Sie sah aus wie eine Prinzessin. Erst am Abend verarbeitete ich das alles. Ich musste daran denken, irgendwann Lena in so einem weißen Kleid zu sehen. Am Altar. Allein beim Gedanken bekam ich Gänsehaut.Als würde sie es wissen, bekam ich genau in dem Moment eine Nachricht von Lena und wir telefonierten schließlich eine Stunde lang. Genau wie die nächsten Tage.
Nach weiteren zwei Wochen fiel ich nach einem Konzert müde ins Bett. Es war still. Ich war allein. Eben noch vor so vielen Menschen, jetzt allein. Jedes Mal war das der krasseste Kontrast. Seufzend nahm ich mein Handy. Ich erwartete, eine Nachricht von Lena zu lesen. Ein ‚gute Nacht' oder sowas und dass sie schon schlief aber da war nichts. Dann erst fiel mir ein, dass sie heute Abend noch feiern wollte. Irgendwie überraschend traurig legte ich das Handy wieder weg. In der Nacht konnte ich überhaupt nicht schlafen. Zum ersten Mal bemerkte ich, wie sehr ich Lena eigentlich vermisste. Ich drehte mich von der einen zur Anderen Seite, hatte das Bedürfnis, sie zu sehen, zu riechen, zu hören und zu spüren, noch nie so sehr gespürt, wie in dieser Nacht. So kam es, dass ich am nächsten Tag eigentlich völlig übermüdet war und das Konzert wohl nur dank eines ausgiebigen Mittagsschlafes spielen konnte. Am Abend zu telefonieren, war auch nicht ansatzweise das, was ich mir wünschte. Eigentlich tat es nur noch mehr weh, zu wissen, dass man sich eben nicht sehen konnte und nur am Telefon sprechen. Dennoch versuchte ich, mir das nicht so sehr anmerken zu lassen. Sie wirkte glücklich und ich wollte nicht, dass sie sich Vorwürfe machte oder das Gefühl bei ihr in den Vordergrund trat, dass ich grade hatte.
Nach ein paar weiteren Tagen brachen wir aber schließlich beide dieses Verhalten. Sie gab zu, wie sehr sie mich vermisste und dann konnte auch ich ihr sagen, dass sie mir wirklich fehlte. Leider mussten wir uns das noch eine ganze Weile lang am Telefon sagen. Und dann wurde es richtig schlimm. Als es nur noch ein paar Tage waren. Diese zogen sich nämlich wie Kaugummi. Jedes Mal, wenn ich auf die Uhr sah, zählte ich die Stunden, bis ich sie wieder in die Arme schließen könnte und irgendwie wollten diese einfach nicht weniger werden. „Noch 24h. Ich kann nicht mehr ♥️", schrieb sie irgendwann. „Ich auch nicht. Miss you ♥️", schrieb ich zurück. Immer wieder gingen solche Nachrichten zwischen uns hin und her. In jeder freien Minute versuchten wir irgendwie in Kontakt zu bleiben. „12h noch", schrieb sie am Abend. „Wird ne lange Nacht", schickte ich als Antwort. „Im Tourbus auch noch oder?", fragte sie. „Ja. Für dich auch?", wollte ich auch wissen. „Jup. Mit den Mädels hinten😉", schrieb sie. Sie hätte morgen noch ein Konzert, bei dem ich aber zuschauen konnte. Dann hatten wir zwei Tage, in denen wir nur Videokonferenzen hatten. Diese würden wir im Hotel verbringen und ich glaubte gar nicht, wie sehr ich mich auf solche zwei Tage freuen konnte. „Klaust du denen auch manchmal die Bettdecke?", fragte ich schließlich. „Ich? Nie😘", schrieb sie zurück. Ein leises Lachen entfloh mir. Selbst das vermisste ich. Nachts kurz wach zu werden und mir ein Stück Bettdecke zurückholen zu müssen. „Das schlimmste ist, dass mein Schlafshirt nicht mehr nach dir riecht", war ihre nächste Nachricht. Vielleicht hätte sie für andere Kontextfrei gewirkt aber das war egal. Wir vermissten einander einfach. „Bekommst morgen ein neues, versprochen 😘", tippte ich. „Wenn du mir keins gegeben hättest, hätte ich mir eins genommen😉", meinte sie. Wieder musste ich leise lachen. „Was hat er denn?", fragte Alex Dennis, der neben mir saß aber das bekam ich gar nicht mit. „Der schreibt mit Lena", gab mein Manager nur zurück. Ich war so vertieft in die Nachrichten von Lena, dass ich überhaupt nicht mitbekam, was um mich herum passierte.
Am Abend fiel ich dann aber mit einem seligen Lächeln ins Bett. Zu wissen, sie morgen wieder zu haben, tat gut. Ich wollte ihr wieder richtig in die Augen sehen können, ihr sanft durch die Haare fahren, wenn sie in meinem Arm lag und ihre weichen Lippen auf meinen spüren. Wir mussten definitiv zusammenziehen. Dann würden wir uns wenigstens immer sehen, wenn wir in Berlin waren.
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Der Weg des Lebens
أدب الهواةAlles beginnt mit einer Wanderung zu sich selbst gespickt mit Erinnerungen und neuen Gedanken. Was daraus entsteht ist bei Erreichen des Ziels jedoch noch immer fraglich. Eine Geschichte aus Sicht von Mark Forster. Auszug aus Teil 15: Sofort saß ich...