•Marks Sicht•Am Studio angekommen hing ich immer noch voll in meinen Gedanken. Was von dem was ich gesagt hatte, hatte sie verletzt? Ich hatte gesagt, dass ich mich als ihr Freund eher freuen sollte, wenn sie mit irgendwem glücklich ist. Egal mit wem und egal ob eine Nacht oder länger. Abgesehen davon, dass ich mich selbst gefriendzoned hatte, war doch nichts schlimmes dabei. Sie hatte mich danach ja auch umarmt aber irgendwie war etwas in ihrem Blick anders gewesen. Verletzt. Weil ich gesagt hatte, dass sie auch eine Nacht glücklich sein könnte? Das war das einzige, was sie danach angesprochen hatte: Dass sie keine One Night Stands hatte und ich das doch wissen würde. Aber hatte sie das verletzt? Dass ich dachte, dass sie hin und wieder mal ihren Spaß wollte?
„Mark, na endlich!", riss Ralf mich aus meinen Gedanken als ich das Studio betrat. Vorerst müsste ich die Gedanken an Lena hinten anstellen und arbeiten. Heute lief es eher schleppend. Das, was die Beiden ohne mich gemacht hatten, war für mich noch nicht perfekt, also machten wir es quasi nochmal. Niemand war mir böse dafür, so lief es nun mal beim Musik machen. Manchmal machten wir an einem Tag einen Song fertig und am nächsten warfen wir ihn weg und begannen von vorn. So weit kam es heute zum Glück nicht. Die Zeit war auch nicht. Aber als es um halb zehn an der Studiotür klopfte hatten wir noch nicht allzu viel geschafft und es schien auch nicht besser zu werden.
Nitti ging zur Tür während Ralf und ich uns frustriert zurücklehnten. „Oh, hi", hörte ich Nitti sagen. „Hey, ich... ich dachte ihr seid bestimmt noch hier und ich hab Pizza mitgebracht", erkannte ich Lenas Stimme sofort. Verwundert setzte ich mich auf. Was machte sie denn hier? „Pizza?", rief Ralf fragend in ihre Richtung, woraufhin ein Lachen zu hören war. Ihr Lachen. Ihr wunderschönes, ehrliches Lachen. Ich seufzte. Wenn man begann sich selbst gedanklich etwas vorzuschwärmen, war man verliebt. „Hunger?", fragte sie grinsend, als sie zu uns kam. „Definitiv", meinte Ralf und nahm ihr die Kartons ab. Ich umarmte sie erstmal zur Begrüßung. „Komm, setz dich", lächelte ich und so saßen wir zu viert um den kleinen Couchtisch und aßen Pizza. Wir erzählten Geschichten und lachten zusammen bis alles aufgegessen war und wir satt in den Kissen hingen. „Wie weit seid ihr? Lange habt ihr ja nicht mehr", meinte Lena irgendwann, als Nitti nochmal zum PC ging, um etwas zu speichern. „Nicht so weit wie wir sein sollten", meinte Ralf nur. „Oh", meinte sie überrascht. Ich seufzte. „Heute lief's nicht... drei Songs sind noch nicht fertig und ich hab ja nebenbei schon Promo", erklärte ich. Sie nickte verstehend. Niemand würde mich hier wohl so gut verstehen wie Lena. „Könnt ihr mir schon was zeigen?", fragte sie schließlich. „Eigentlich wollte ich langsam los... morgen haben wir ja keine Studioarbeit also ist Familienzeit", meinte Ralf. „Geh ruhig", meinten Nitti und ich gleichzeitig. „Ich wollte aber auch langsam", fügte Nitti noch an. Lena sah mich bittend an. Sie wollte ja nur ein paar Songs hören. „Fahrt nach Hause, wir hören nochmal ein bisschen Musik", lächelte ich, was alle zufrieden nicken ließ. Die Jungs verabschiedeten sich und Lena und ich blieben übrig.
„Dann zeig mal her! Ihr ward doch sogar in Uganda, den Song kenn ich auch noch nicht", meinte sie und so begannen wir mit Chip in. Es wurde immer später und wir hörten einfach alles, was schon fertig war. „Und was fehlt jetzt noch?", wollte sie wissen. „Kannst mir ja die Versionen zeigen, wie sie grad sind", fügte sie an. Also zeigte ich ihr zuerst „Was du nicht tust". Es fehlte noch so ziemlich alles. Wir hatten die Gitarre auf Teneriffa aufgenommen und man hörte Nitti mit dem Fuß mitklopfen. Außer dem Chor und ein paar Doubles für die Gesangsstimme war noch nichts da. Wir wollten eigentlich noch ein leises Schlagzeug haben und vielleicht eine zweite Gitarre. Lena hörte aufmerksam zu und ich bemerkte, wie der Text mich grade ansprach. Du bereust was du nicht tust, sang ich mir quasi selber vor. Und vor mir saß sie. Die Frau, an die ich mein Herz verloren hatte und ich traute mich nicht, es ihr zu sagen. Sollte ich es nicht doch einfach sagen? Aber wie? Und wo? „Was wollt ihr denn da noch machen?", fragte sie und unterbrach meine Gedanken. Meinen Blick konnte ich trotzdem nicht von ihr nehmen.
Während ich also versuchte in ganzen Sätzen unsere Pläne zu erklären, sah ich die ganze Zeit in ihre Rehbraunen Augen, die im gelben Licht glänzten. „Ich würd es einfach so lassen", meinte sie plötzlich. „Was?", fragte ich verwirrt, weniger von dem was sie sagte, als davon, dass sie überhaupt etwas sagte. Ich war völlig abgelenkt davon, sie anzusehen. „Naja... wozu ein Schlagzeug, wenn Nitti den Takt klopft und... naja eine zweite Gitarre könnte man machen aber noch mehr würde es eigentlich eher kaputt machen", meinte sie. Ich hörte aufmerksam zu auch wenn mein Blick grade immer wieder zu ihren weichen Lippen wanderte. „Ich schlag es den anderen mal vor", sagte ich irgendwie leiser als davor. Ich wollte es, wollte ihre Lippen wieder spüren, das Kribbeln, die Wärme, die Liebe.
Und dann tat ich es einfach und legte meine Lippen auf ihre. Vorsichtig, fast fragend. Aber sie wich nicht zurück, sondern schloss die Augen, wie ich. Und genau das, was ich gedacht hatte, flammte in mir auf: Wärme und Liebe. Nur noch so viel stärker, als ich es in Erinnerung hatte. Das Gefühl hatte ich so sehr vermisst. Immer noch sehr zurückhaltend bewegten sich unsere Lippen gegeneinander. Ich spürte ihre Hand, die in meinen Nacken wanderte und die andere, die meine griff, die ich unbewusst auf ihrem Oberschenkel abgelegt hatte. Auch ich legte langsam meine andere Hand an ihre Wange und strich über ihre weiche Haut. Ich wusste überhaupt nicht mehr wo ich war und was hier passierte. In dem Moment gab es nur uns zwei und diese unfassbaren Gefühle.
Dennoch blieb es bei der Vorsicht bis wir uns schließlich langsam wieder lösten. Unsere Blicke trafen sich. Ich erkannte nicht, was sie fühlte, was mich verunsicherte. Sonst konnte ich fast immer lesen, was in ihr vorging. „Ha-hast du noch Songs?", fragte sie plötzlich mit brüchiger Stimme und wendete den Blick ab.Ich verkniff mir ein frustriertes seufzen. Es war wie immer. Wir küssten uns und redeten nicht darüber. Ich hatte Freya gesagt, dass ich mit Lena spreche, wenn wir uns nochmal küssen. Aber jetzt brachte ich kein Wort raus. Statt dessen zeigte ich ihr noch die letzten beiden angefangenen Songs. Ich konnte mich kaum konzentrieren, ließ meinen Blick immer wieder zu ihr wandern aber als wir alles angehört hatten, was es grade gab, stand sie auf. Sie wollte gehen. Ich musste sie aufhalten, mit ihr reden, oder sie nochmal küssen, egal! Hauptsache sie würde bleiben aber ich konnte mich nicht rühren. Erst als sie die Pizzakatons zum Müll gebracht hatte stand ich auf. Wie in Trance verabschiedeten wir uns und gingen nach Hause. Allein. Jeder für sich.

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Der Weg des Lebens
Fiksi PenggemarAlles beginnt mit einer Wanderung zu sich selbst gespickt mit Erinnerungen und neuen Gedanken. Was daraus entsteht ist bei Erreichen des Ziels jedoch noch immer fraglich. Eine Geschichte aus Sicht von Mark Forster. Auszug aus Teil 15: Sofort saß ich...