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•Marks Sicht•

Am nächsten Tag war Weihnachten. Frühstücken wollten wir noch bei uns im Häuschen, weshalb alles recht entspannt war soweit. Lena und ich saßen noch vor ihrer Mutter zusammen am Tisch und genossen die Zeit zu Zweit, von der es heute nicht so viel geben würde. „Guten Morgen ihr Zwei", betrat Nadja irgendwann die Küche. „Morgen, Mama", gab Lena mit einem breiten Lächeln zurück. „Guten Morgen", lächelte auch ich. Zu Dritt frühstückten wir dann zu Ende, ehe wir der Reihe nach in Bad spazierten und uns soweit fertigmachten. Dann klingelte es plötzlich und Lena lief fix zur Tür. „Ähhm... Marek!", rief sie dann und als ich runter kam und eine Nachbarin vor der Tür stand, sah ich gleichzeitig auch Lenas hilfloses Gesicht. Die ältere Dame sprach nur polnisch und Lena hatte natürlich keine Chance gehabt sie zu verstehen. Schmunzelnd trat ich zu den beiden Frauen, begrüßte die Ältere mit einer herzlichen Umarmung und bat sie kurz rein. Mit einem Arm um Lena trat ich einen Schritt beiseite, um ihr Platz zu machen. Die Nachbarin war eine Bekannte meiner Familie und wir gingen an Weihnachten immer gemeinsam zur Kirche. Heute hatte sie wohl gesehen, dass ich mit Lena und ihrer Mama da war und wollte Hallo sagen. Einige Minuten unterhielt ich mich mit ihr während Lena nur lächelnd neben mir stand und abwartete. Ich merkte, dass sie es irgendwie skurril fand, weil sie nichts verstand und irgendwie war es süß, wie viel Mühe sie sich trotzdem gab, freundlich zu wirken. „Sie ist eine alte Bekannte der Familie. Geh ruhig hoch wenn du magst", sagte ich dann in einem ruhigen Moment zu ihr. „Schon gut, ist spannend", meinte sie zwinkernd. Also setzten wir uns in die Küche und ich beantworte geduldig ihre Fragen. Wir hatten uns lange nicht gesehen und da sie mich schon immer irgendwie mochte, gab es eine Menge Fragen. Immer wenn wir uns eine Weile nicht gesehen hatten, also immer wenn wir uns sahen, verbrachte ich mindestens eine halbe Stunde damit, aus meinem Leben zu erzählen aber ich mochte sie ja auch. Sie war als ich klein war immer wie eine dritte Oma gewesen. Meine beiden richtigen Omas waren mittlerweile leider gestorben aber sie war immer noch da und es freute mich immer, zu sehen, dass sie irgendwie immer noch, wie meine Oma war. „Wir müssen gleich rüber", sagte ich nach einem Blick auf die Uhr zu Lena und wiederholte das ganze auf Polnisch für meine Ersatz-Oma. So verständigten wir uns darauf, uns später weiter zu unterhalten, wenn wir sie abholen würden, um zur Kirche zu gehen. Erstmal verabschiedeten wir uns aber, sodass Lena, ihre Mutter und ich uns bald auf den Weg zu meiner Familie machten, die uns fröhlich empfingen.

Wir wollten noch einen kleinen Dorfspaziergang machen, dann zur Kirche und dann zurück. Also machten wir uns in dicken Klamotten auf den Weg. Ich erzählte Lena immer nebenbei etwas über die Orte an denen wir vorbeikamen und wenn nicht, fragte sie mich danach. „Ich mag das, wenn du Geschichten erzählst", lächelte sie zufrieden und verschränkte unsere Finger miteinander. Ich gab ihr lächelnd einen kleinen Kuss. Dann liefen wir zurück, sammelten unsere Nachbarin, meine Ersatz-Oma, ein und machten uns auf den Weg zur Kirche. Diesmal war Natalie die, die ausgequetscht wurde bis wir da waren. „Hatte ich erwähnt, dass ich noch nie in einer katholischen Kirche war außer bei Natalies Hochzeit?", flüsterte Lena mir beim reingehen zu. Ich lachte leise. „Macht nix. Meine Welt ist das hier auch nie geworden, ich hab's nur schon n paar Mal mehr mitgemacht", gab ich nur zurück. Jetzt lachte sie leise, während wir uns mit meiner Familie einen Platz suchten. Lena und ich, sowie Natalie und Robin standen schließlich hinten in der Kirche, damit die sitzen konnten, die nicht so lange stehen konnten. Der Gottesdienst zog sie wie immer unfassbar in die Länge. Lena lehnte schließlich schon an mir und die Arme verstand ja nichtmal was. Robin guckte ebenfalls Löcher in die Luft, während ich versuchte interessiert auszusehen und zuzuhören. Immer wenn plötzlich Gebete gesprochen oder gesungen wurde schreckte ich regelrecht auf. Beim Singen hörte ich immer Lena leise mitsummen. Die Melodien waren wohl doch immer ähnlich in den verschiedenen Ländern aber den Text auf Polnisch konnte auch ich nur mit Textblatt. Irgendwann traten wir dann wieder raus in die Kälte und warteten auf den Rest der Familie. „Es ist kalt", meinte Lena mit übertriebenem Zittern in der Stimme und schmiegte sich an mich, sodass ich sie umarmte. „Allerdings", gab ich zurück. Als dann endlich alle wieder beisammen waren liefen wir zurück zum Haus meiner Tante, zogen alle Jacken und Schuhe aus und Hausschuhe an, bevor es Tee und Kuchen gab. Dabei wurde uns dann auch endlich wieder warm. Die Gespräche waren fröhlich und ich war mal wieder fasziniert davon, wie viel man eigentlich reden konnte, ohne dass einem irgendwann nichts mehr einfiel. Meine Mama, sowie meine Tanten verzogen sich irgendwann in die Küche zum kochen und auch Natalie, Lenas Mama, Lena und ich halfen ab um zu wenn Not am Mann oder eher an der Frau war. Immer wenn ich am Klavier vorbeikam überlegte ich, wie ich am Abend mit Lena allein dazu kommen könnte, ihr „Übermorgen" vorzuspielen und zu singen. Leider fiel mir noch immer nicht wirklich ein, wie ich meine Familie aus dem Haus bekommen könnte, sodass ich mir vornahm, mit Natalie zu sprechen. Vielleicht hatte sie eine Idee oder konnte mir helfen.

Tja... habt ihr eine Idee?

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