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•Marks Sicht•

Als ich aufwachte roch ich sofort Lenas Duft. Aber nicht mehr so nah wie gestern noch. Sie war schon aufgestanden und ich lag allein in ihrem Bett. Seufzend setzte also auch ich mich auf und legte mich dabei fast auf meine Brille. Die schien gestern, wie alles andere, etwas plötzlich einfach in der Gegend gelandet zu sein. Schmunzelnd dachte ich zurück. Es waren einfach so große Gefühle gewesen, dass ich danach noch minutenlang da lag, einfach um sie zu erfassen. Nachdem ich meine Unterhose angezogen und meine Brille aufgesetzt hatte schlurfte ich in die Küche, wo ich Lena mit Kiwi reden hörte. „Hey, du T-Shirt Diebin!", begrüßte ich sie scherzend und zwickte ihr sanft in den Hintern. Grinsend sah drehte sie sich zu mir und gab mir einen Kuss. „Steht dir leider tatsächlich besser als mir, das Shirt", gab ich zu. „Naja du hast Sachen, die dir besser stehen", zwinkerte sie frech. „Ey!", lachte ich. „Okay, was denn deiner Meinung nach? Dann kauf ich mehr davon", wollte ich dann wissen. „Ich mag Hemden an dir, aber das heißt weiß Gott nicht, dass du dauernd welche tragen sollst... das passt nicht zu dir... aber... Jeansjacken sind cool! Keine Ahnung die... dann sehen deine Augen besonders blau aus", erklärte sie und wurde ein bisschen rot. Jeansjacken also, das würde ich mir merken. „Holst du uns Brötchen?", wechselte sie dann das Thema. „Wenn du mir das Shirt gibst", lachte ich. „Nö!", grinste sie. „Naja so geh ich jedenfalls nicht", gab ich verwirrt zurück. „Zieh dir halt ne Jacke an! Ich mag das nicht ausziehen", meinte sie mit ihrem Hundeblick. Seufzend ging ich zurück ins Schlafzimmer, zog meine Jenas an und dann im Flur Schuhe und Jacke. Was war schon dabei? „Bis gleich", rief ich also noch und machte mich auf den Weg.

Beim Bäcker angekommen hatte ich leider vollkommen vergessen, dass ich unter meiner Jacke nichts weiter anhatte. Somit kam es zu einer sehr unangenehmen Situation: Aus Gewohnheit öffnete ich beim reingehen die Jacke. Erst beim Blick in die Augen der vollkommen schockierten Kassiererin fiel mir auf, was ich grade getan hatte. Fast panisch versuchte ich mich zu erklären und gleichzeitig meine Jacke zu schließen aber da mir die Dame gar nicht zuhörte, sondern stattdessen im Begriff war Hilfe zu rufen, verließ ich lieber schnellstmöglich den Laden und eilte davon. Hoffentlich hatte sie mich nicht erkannt. Ich wäre am liebsten in Grund und Boden versunken und schämte mich so sehr für diesen Moment. Wie hatte ich das vergessen können? Warum hatte Lena das Shirt behalten wollen?

„Ähm... keine Brötchen?", fragte sie verwirrt, als sie mir die Tür geöffnet hatte. „Shirt her", gab ich nur sauer zurück. Auf dem Weg hier her hatte ich mich so sehr zusammengerissen und es hatte sich angefühlt, als hätte jeder mich angeschaut, dabei stimmte das natürlich gar nicht. Und irgendwie hatte mich das innerlich so wütend gemacht. Vollkommen grundlos eigentlich. „W-was ist?", fragte Lena immer noch verwirrt. „Gib mir einfach das verdammte T-Shirt", wiederholte ich wütend. Ich merkte nicht wirklich, dass sie immer kleiner und verunsicherter wurde, vor allem als sie mir das Shirt gegeben hatte und dann nur noch im Slip vor mir stand. Erst als ich das Shirt dann angezogen und dabei natürlich kurz den Blick von ihr abgewendet hatte, sah ich in ihren Augen, wie unsicher und überfordert sie war. In dem Moment kam Kiwi bei uns an und bellte mich einmal an, als wäre sie völlig empört. Kurz sah ich auf die kleine Hündin runter. Bewusst atmete ich durch und legte kurzerhand meine Jacke um Lena, die jetzt endgültig verwirrt war. „Sorry... tut mir leid... bitte, ich wollte dich nicht so anschreien, du kannst nichts dafür, sorry", murmelte ich und senkte den Blick. „Ähm... sch-schon gut aber... was ist denn überhaupt los?", wollte sie vorsichtig wissen. „Ach, ich hab beim reingehen beim Bäcker aus Versehen meine Jacke aufgemacht", erklärte ich knapp. Sofort begann sie zu lachen und ich war unfassbar erleichtert, dass diese Stimmung wieder weg war, auch wenn es mir jetzt wieder peinlich war, dass ich so dumm war. „Ernsthaft?", fragte sie lachend. Ich zuckte nur mit den Schultern, so lustig war es auch nicht. „Ich fand's nicht so lustig", gab ich von mir, als sie immer noch nicht aufhörte zu lachen. „Ach, Markiii", schmunzelte sie und küsste mich kichernd. „Dafür hatte ich ein tolles Shirt", zwinkerte sie. „Ich wollte eigentlich gestern ein paar Sachen mit her nehmen, dann hätte ich dir das Shirt einfach generell hier gelassen aber nach der Aktion möchte ich lieber mit T-Shirt nach Hause, später", gab ich zu.

„Wie viele Sachen hattest du gepackt? Also für wie viele Tage?", wollte sie dann wissen. „Eigentlich nur für heute halt, damit ich frische Klamotten hab", gab ich verwundert über die Frage zurück. „Oh... naja...", meinte sie und ihre Mundwinkel senkten sich, genauso wie ihr Blick. Jetzt verstand ich, was sie wollte. „Ich wollte jetzt nicht unvermittelt mit Koffer und Sachen für mehrere Wochen hier auftauchen", versuchte ich es zu retten. „Schon okay", meinte sie nur und wollte dann in die Küche verschwinden. Sanft hielt ich sie fest. „Leni, hey. Ich dachte, wir reden vielleicht wenigstens kurz drüber, bevor wir halb beim anderen einziehen", sagte ich vorsichtig. „Dann erlaube ich dir hiermit, deine Sachen mit herzubringen. Ich räume dir auch einen Teil vom Schrank", meinte sie. Okay, das war ganz schön viel für mich. Es fühlte sich gut an aber auch neu und irgendwie früh. Aber ich war mir ja sicher mit ihr, also warum zögern? Sie seufzte. „Es geht dir zu schnell", stellte sie fest. „Nein, ich... keine Ahnung", gab ich zu. Ich hasste mich dafür aber ich konnte mich über ihr Angebot nicht ehrlich freuen. „Mark, ich kann dich nicht anlügen. Es tut weh, dass du das sagst aber... eigentlich weiß ich, dass du so bist", meinte sie. „Wie ‚so'?", fragte ich verwirrt. „Naja... halt nicht so spontan mit Gefühlen. Und ich mag das ja auch an dir... dass du so überlegt bist aber...", versuchte sie zu erklären. „Es tut weh, schon klar", murmelte ich schuldbewusst. Ich dachte eigentlich ich hätte es überwunden, als ich das ‚Ich liebe dich' geschafft hatte. Scheinbar würden da aber noch einige Enttäuschungen folgen, wenn das jetzt bei jedem größeren Schritt kommen würde. „Ich liebe dich trotzdem", sagte sie leise. Dankbar schloss ich sie in die Arme. „Ich dich auch. Wirklich, ehrlich und aufrichtig. Bitte glaub mir das", gab ich zurück. „Alles gut, Mark", meinte sie nur und lächelte mich an, bevor sie mir einen Kuss gab. „Ich hasse das, ich mach es immer kaputt", seufzte ich. „Quatsch! Komm, lass uns Pfannkuchen machen oder so! Brötchen haben wir ja nicht und den Rest von eben vergessen wir einfach", schlug sie vor. Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf. Womit hatte ich sie verdient? Sie hatte so eine Engelsgeduld mit mir, obwohl wir beide wussten, dass ich sie noch oft verletzen würde. „Gerne", sagte ich nur und griff nach ihrer Hand und selbst für die paar Schritte in die Küche verschränkten sich unsere Finger miteinander.

Na, wer hätte das auch geschafft, einfach die Jacke aufmachen und dann halbnackt beim Bäcker stehen?😂

Der Weg des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt