•Marks Sicht•Nachdem Lena dann in den nächsten Tagen mehrfach mit ihrer Mama telefoniert hatte, stand Weihnachten nun fest. Lena und ihre Mama würden mitkommen nach Polen. Ihre Oma, sowie Tante und Onkel wollten dann lieber zu dritt feiern und ein anderes Mal vielleicht auf meine Familie treffen. Überhaupt schien Weihnachten bei ihrer Familie weniger stark an Traditionen zu hängen als bei uns. Ich könnte nicht so einfach alle Pläne über den Haufen werfen, die es seit meiner Kindheit gab. Es war ja für uns schon eine große Sache gewesen, dass wir letztes Jahr nicht in Polen sondern in Winweiler gefeiert hatten. Abgesehen davon, dass meine Mutter mich niemals woanders hingehen lassen würde an Weihnachten, fühlte es sich für mich auch unglaublich komisch an, wenn ich mir vorstellte es anders zu machen als sonst. An jedem anderen Tag erlebte ich gern Neues, konnte mit Veränderungen eigentlich gut umgehen aber Weihnachten war einfach schon so wie es war seit ich denken konnte. Es war jetzt Anfang November und noch ein bisschen Zeit aber ich hatte auch noch nicht ein ein einziges Geschenk. Seit Mama angerufen hatte, überlegte ich vor allem, was ich Lena schenken konnte. Letztes Jahr hatte ich ihr Satellite ehrlicher als je zuvor gesungen und das war wirklich schwer zu übertreffen. In meiner Schublade lag seit Wochen ein fast fertiger Song. Schon vor Natalies Hochzeit hatte ich „Übermorgen" geschrieben. Dabei hatte ich zwar auch an die Hochzeit meiner kleinen Schwester gedacht aber die erste Strophe war ja sogar mit Lena in meinem Arm entstanden. Ob ich es bis in einem Monat fertig bekommen würde? Hauptsächlich scheiterte es bis jetzt an meiner Nervosität, ob es gut genug wäre. Genug um dem gerecht zu werden, was ich fühlte, wenn ich in ihre Augen sah.
Direkt am nächsten Tag hatte Lena einen Termin, was ich nutzte, um „Übermorgen" hervorzuholen. In unserem neuen Arbeitszimmer setzte ich mich ans Klavier. Der eigentliche Song war fertig, nur eine Studioversion gab es halt noch nicht. Bis Weihnachten müsste ich also eigentlich nur lernen mich selbst zu begleiten. Ein Klavier hatten wir auch in Polen also legte ich los. Dass ich wohl kaum einen Moment erwischen würde, indem ich mit Lena allein wäre, hatte ich nicht auf dem Schirm. Also übte ich erstmal nur die Akkorde. Der begabteste Klavierspieler war ich nicht aber Akkorde konnte ich schnell lernen. Ein paar kleine Melodieteile schaffte ich mir noch drauf und dann musste ich aufhören, weil ich nicht wusste wann Lena wiederkäme und sie sollte nichts mitbekommen. Die nächsten Tage müsste ich noch das Klavierspielen mit dem Gesang zusammenbekommen und vor allem sicher werden. Ich musste alles in- und auswendig können, denn wenn ich mir nur vorstellte, die dabei anzuschauen, wurde ich schon total nervös. Bei Satellite letztes Jahr hatte sie angefangen zu weinen und auch ich hatte unglaubliche Mühe gehabt mich zusammenzureißen. Nach den Song hatte ich ihr zum ersten Mal gesagt, dass ich sie liebte. Wenn dieses Jahr nur halb so emotional würde, musste ich einfach jede Millisekunde des Songs beherrschen.
„Ahhhh, es ist fertig! Es ist fertig!", rief Lena in die Wohnung, sobald sie die Tür öffnete. Verwirrt aber glücklich über ihre Freude lief ich in den Flur. „Der Song für Charlotte", grinste sie. Ich lächelte sie stolz an und umarmte sie einmal. „Ich freu mich für dich. Wirklich. Ich bin auch stolz auf dich. Es ist nicht einfach zwischen euch gewesen und ich freu mich für euch, dass ihr das letztes Jahr wieder hinbekommen habt. Über den Song freut sie sich bestimmt", sagte ich glücklich. „Es ist nicht zu spät oder? Ich meine es ist schon ein Jahr her, dass wir uns ausgesprochen haben", zweifelte sie. „Es ist nie zu spät für einen Song", gab ich nur zurück. „Und jetzt komm endlich richtig rein. Erstmal Schuhe aus und Jacke aus und dann...", sie unterbrach mich: „Hast du's eilig?", fragte sie lachend. „Ich hab dich vermisst", gab ich nur zurück. „Und ich hab Hunger", fügte ich noch an. „Was und du wartest jetzt, dass ich dich bekoche? Das fangen wir gar nicht erst an", wehrte sie ungläubig ab. „Quatsch", lachte ich. „Ich wollte wissen, was du essen willst und dann vielleicht noch einkaufen aber vor allem mit dir zusammen kochen", erklärte ich. „Ich dachte schon", meinte sie kopfschüttelnd und zog grinsend die Jacke aus. „Keine Sorge, ich verbanne dich nicht in die Küche. Wie kommst du auf sowas?", fragte ich schmunzelnd. „Keine Ahnung, klang so. Aber los jetzt ich hab auch Hunger. Nudeln und irgendeine Soße und bisschen Gemüse werden wir doch wohl noch da haben", gab sie nur zurück, küsste mich im Vorbeigehen nochmal kurz und bleib im Türrahmen zur Küche stehen, von wo aus sie mich abwartend ansah bis ich ihr folgte.

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Der Weg des Lebens
Fiksi PenggemarAlles beginnt mit einer Wanderung zu sich selbst gespickt mit Erinnerungen und neuen Gedanken. Was daraus entsteht ist bei Erreichen des Ziels jedoch noch immer fraglich. Eine Geschichte aus Sicht von Mark Forster. Auszug aus Teil 15: Sofort saß ich...