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•Marks Sicht•

Ich kam am Mittag in Hannover, bei Lenas Mutter an. Irgendwie war ich plötzlich ganz schön nervös. Hatte sie ihrer Mama eigentlich schon gesagt, dass wir zusammen waren? Darüber hatten wir gar nicht gesprochen. Aber wahrscheinlich war es ihr nicht mal ansatzweise so schwer gefallen wie mir und sie hatte es längst getan. Seufzend stieg ich aus dem Auto aus und nahm meine Tasche vom Rücksitz. Mit schwitzigen Händen drückte ich die Klingel des Mehrfamilienhauses und nur wenig später fragte eine Stimme, die Lenas recht ähnlich war: „Wer ist da?" „Mark", gab ich vorsichtig zurück, nicht wissend, was ich sonst hätte sagen sollen. Aber die Tür summte und ich betrat das Haus und kurz darauf die Wohnung, in deren Tür Lena bereits mit ihrer Mutter stand. Die beiden sahen sich wirklich ähnlich und trotzdem hatte ich nur Augen für Lena. „Ähm... Hallo", sagte ich unsicher und hielt der nett lächelnden Frau die Hand hin. „Hallo Mark, Nadja", meinte diese freundlich und schüttelte mir die Hand. Lena hüpfte schließlich ungeduldig hinter ihrer Mutter vor und umarmte mich ein bisschen stürmisch. Nur den Begrüßungskuss ließen wir ausnahmsweise aus. „Komm rein", meinte Nadja und trat lächelnd etwas zur Seite, sodass ich richtig reinkommen konnte. Kurz begrüßte ich auch noch Kiwi, die aber total verpennt wieder ins Wohnzimmer trottete. Ich hatte sie wohl geweckt.

Nachdem ich meine Sachen abgelegt hatte gab es Mittagessen. Der Esstisch war hübsch dekoriert und überhaupt wirkte alles sehr gemütlich hier. Auch wenn Lena hier nie gewohnt hatte, hatte ich das Gefühl, dass sie sich sehr wohl hier fühlte. Nadja war total nett und meine Nervosität natürlich völlig unbegründet. Selbst, dass Lena dauernd unter dem Tisch meine Hand nahm oder irgendwie meine Nähe suchte und ich schließlich auch etwas zurückhaltend ihre, schien sie eher zu freuen, was mich total erleichterte. „Geht ihr doch erstmal ins Gästezimmer, ich räum eben den Tisch ab. Du musst noch packen, wenn ihr morgen schon fahren wollt", meinte Nadja irgendwann. „Es tut mir wirklich leid, dass Lena sich mir so anpassen muss jetzt an Weihnachten... meine Mutter würde vermutlich gar nicht mehr mit mir reden, wenn ich nicht morgen wiederkomme", erklärte ich. „Ach, das ist doch kein Problem. Wir werden uns ja wohl jetzt nicht nur an Weihnachten sehen", meinte sie allerdings nur und auch Lena lächelte mich zufrieden an. Dann verzogen wir uns aber erstmal ins Zimmer.

„Gott, ich hab dich vermisst", brach es aus Lena raus, kaum dass die Tür hinter und geschlossen war und sie schlang ihre Arme um mich. „Mark reicht, aber ich hab dich auch vermisst", zwinkerte ich und gab ihr einen Kuss, den sie direkt erwiderte und vertiefte. Das Kribbeln in mir, dass seit ich hier war schon die ganze Zeit da war, explodierte förmlich und ich merkte jetzt erst, wie sehr sie mir nach den zwei Tagen schon gefehlt hatte. Seufzend lösten wir uns schließlich etwas voneinander. „Mag sie mich?", fragte ich schließlich doch. „Machst du Witze? Du bist der totale Gentleman, seit du hier bist! Hast mir sogar den Stuhl zurechtgerückt. Mama mag dich total! Und ich übrigens noch mehr", gab Lena zurück und küsste mich nochmals zu Bestätigung. Tja, wenn ich ihr das über meine Mutter auch sagen könnte, wäre ich deutlich ruhiger. „Ich... muss dir noch was sagen", begann ich also. Überrascht aber geduldig sah Lena mich mit ihren Rehaugen an. Ich vergaß beinahe, was ich sagen wollte, so tief verlor ich mich darin. „Ja?", fragte sie deshalb. „Ähm... also... ich... ich hab meiner Mutter noch nichts gesagt", brachte ich stotternd hervor und wollte am liebsten im Boden versinken. Wie feige war ich denn? „Oh", machte sie nur. War sie enttäuscht? Oder sauer? „Was heißt oh?", fragte ich nach ein paar Sekunden vorsichtig, traute mich aber nicht, sie wieder anzusehen. „Ich... naja... deine ganze Familie ist da und nur deine Schwester weiß schon von uns... es... ist ein bisschen komisch", gab sie zu. Ich seufzte. Natalie hatte recht gehabt, ich hätte natürlich mit Mama sprechen sollen. Vielleicht sogar mit allen. „Aber... es ist jetzt so... also... bin ich halt die Weihnachtsüberraschung", meinte sie ein bisschen unsicher. „Und du bist die beste Überraschung, die man sich wünschen kann!... Für mich zumindest", sagte ich, ohne darüber nachzudenken und wurde sofort rot. Auch ihre Wangen schimmerten rot. „Meinst du... sie mögen mich?", wollte sie wissen. Ich nickte deutlich. „Dich kann man gar nicht nicht mögen", fügte ich an.

Dann klopfte es vorsichtig an der Zimmertür. Lena und ich traten einen Schritt voneinander weg, ehe die Tür aufging und Nadja eintrat. „Wollen wir vielleicht noch auf den Weihnachtsmarkt?", fragte sie uns. Wir tauschten kurz Blicke aus. „Also natürlich nur, wenn euch das nicht zu riskant ist, erkannt zu werden und Kiwi müsste hier bleiben", fügte sie an. „Ich hab ja eine andere Brille auf und würde eine ganz normale Mütze aufsetzen. Das ist eigentlich kein Problem... also ich hätte Lust", sagte ich schließlich. Auch Lena lächelte fröhlich und nickte. Also machten wir uns auf den Weg zum Weihnachtsmarkt, der gar nicht so voll war, wie ich gedacht hatte. Aber es war ja auch der erste Weihnachtsfeiertag, da hatten wahrscheinlich viele auch anderes zu tun. Ich war überhaupt verwundert, dass der Markt aufhatte aber beim Ankommen sah ich ein Schild, dass es nur ein paar Stunden waren über die Feiertage. Trotzdem roch alles nach Weihnachten: Zimt, Tannenduft, alles mögliche essbare. Am liebsten hätte ich meine Finger mit Lenas verschränkt aber wir bleiben lieber ein bisschen auf Abstand. Man konnte ja nie wissen, welche Augen einen beobachteten. „Wow, das ist richtig schön", meinte Lena plötzlich, als sie ein goldenes, zartes Armband entdeckt hatte. Ich sah, wie ihre Augen funkelten und wusste sofort, dass damit noch ein weiteres Weihnachtsgeschenk hinzukommen würde. Es passte sowieso gut zu einem der beiden anderen Geschenke. „Magst du es haben?", fragte ich sie also. Überrascht sah sie mich an. Ich spürte den lächelnden Blick ihrer Mutter auf mir, was mir zusätzlich ein gutes Gefühl gab. „Also...", begann Lena aber ich unterbrach sie sofort. „Ich sehe es sowieso in deinen Augen", lächelte ich und kaufte ihr das Armband, was ich ihr dann auch sofort ummachen musste. Sie freute sich total darüber, fast wie ein kleines Kind und ich liebte es sie so zu sehen. „Gibt's dann jetzt Glühwein?", wollte Nadja dann wissen, um uns ein bisschen in die Realität zu holen. Also tranken wir noch gemeinsam einen Becher Glühwein und aßen gebrannte Mandeln, ehe wir uns auf den Rückweg machen. Es war mittlerweile dunkel und langsam müssten wir uns ums Essen kümmern.

„Wir machen das, Mama", argumentierte Lena ihre Mutter aus der eigenen Küche. Kiwi bekam zuerst ihr Futter von Lena, dann kümmerten wir uns um unser Essen. „Ich hab nachher noch eine Kleinigkeit für dich", erwähnte ich irgendwann. Sofort traf mich Lenas neugieriger Blick. „Ein Geschenk?", fragte sie. „Es ist Weihnachten, natürlich hab ich ein Geschenk für dich", schmunzelte ich. „Ich auch für dich", gab sie dann zu, was uns beide schmunzeln ließ. Jetzt war ich aber auch gespannt. Was hatte sie sich überlegt? Etwas, was ich mir wirklich wünschte in materieller Form fiel mir nicht ein. Sie war doch das größte Geschenk, das ich jemals hätte bekommen können und irgendwie hatte ich tatsächlich ein bisschen das Gefühl, dass sie mir ein Stück ihres Herzens geschenkt hatte, so wie ich ihr. Und darauf würde ich aufpassen, wie auf nichts anderes. Was also sollte sie mir schenken? Ich würde es später erfahren.

Was denkt ihr, was die zwei dem anderen schenken? Oder was hättet ihr verschenkt?

Der Weg des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt