Kapitel 5.3

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Kapitel 5.3

Nanami zuckte die Schultern. „Möglich", sagte sie leise und ging zurück, um Victor zu betrachten.

Dieser grummelte und fluchte noch immer vor sich hin, während er seine Übungen machte. Eine Weile lang tat er nichts anderes, sondern starrte aus dem Fenster, doch dann brüllte er Nanamis Namen und drehte sich zu ihr plötzlich um. Seine grauen Augen waren böse und nicht gerade erfreut darüber.

Die junge Frau zuckte heftig zusammen und wusste nicht genau, was sie tun sollte. Er hatte sie bemerkt, was dafür sorgte, dass sie einfach an Ort und Stelle blieb.

„Was zur Hölle machst du hier? Du spionierst mir nach!", rief Victor erbost und ließ seine Gewichte fallen, um auf sie zuzukommen.

Nanami senkte den Blick. Was sollte sie sagen? Wie sollte sie reagieren? „Ich ...", stammelte sie, wusste jedoch nicht, was genau sie sagen sollte.

„Was willst du hier?", fragte er erneut nach und sein Körper zitterte vor Wut. Seine Stimme so kalt wie Eis.

„Ich habe mir Sorgen gemacht, weil Ihr so abgekämpft aussaht", sagte sie zitternd. „Außerdem mag ich Eure Nähe."

Für einen Moment sah es so aus, als würde Victor bei ihren Worten brechen. Doch dieser Bruchteil der Sekunde ging schnell vorbei und er fing sich wieder. „Um Himmels Willen, Weib. Ich bin ein Kriegsmagier!", wütete er. An seiner Stimme hörte sie deutlich heraus, dass er glaubte, sie hielte ihn für schwach.

„Na und", sagte sie leise. „Das ändert nichts daran, dass ich mir Sorgen machen. Ständig und um jeden." Das Letzte murmelte sie nur ganz leise.

„Raus!", schrie er Nanami an und schob sie grob von der Tür weg, bevor er ihr diese vor der Nase zuschlug.

Diese schloss die Augen und atmete tief ein und aus, bevor sie sich umwandte und langsam, zittrig durch die Flure lief.

Madeleine folgte ihr und entschuldigte sich. „Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist", sagte sie traurig. „Ich erkenne meinen Sohn fast nicht wieder. Nur in ein paar Situationen zeigt er noch menschliche Züge", sagte sie voller Trauer.

„Ich glaube eher, dass er so reagiert hat, weil er überfordert ist", murmelte sie leise und zog sich in ihr Zimmer zurück, um die Kerze für Victor zu machen. Für sich machte sie ebenfalls eine. Dazu nahm sie sich eine Kerze, die sowieso immer in ihrem Zimmer stand. In diese ließ sie ihre Magie fließen und mischte so Kräuter hinein.

Madeleine beobachtete sie dabei. „Wie kommst du in seinen Flügel?", fragte sie leise nach.

„Ich nicht, aber du", meinte sie und beendete die Kerze.

„Meinst du, er wird argwöhnisch werden?", fragte Madeleine nachdenklich. Sie schien geschockt zu sein.

„Wahrscheinlich, aber mittlerweile ist mir das egal", gestand sie und hielt die Kerze auf ihrer Hand. Madeleine musste sehen, dass diese von einer Magie umgeben wurde, die es dem Geist leichter machte, sie zu berühren. „Versuch es bitte."

Der Geist kam auf sie zu und streckte die Hand danach aus.

Es gelang ihr tatsächlich die Kerze zu berühren und hochzuheben. Dann war es so, als würde sie ebenfalls durchscheinend werden, wie es Madeleine war.

Das Gesicht der Geisterfrau hellte sich auf. „Ich stelle sie ihm auf den Tisch? Was passiert dann?", fragte sie lächelnd.

„Ich hoffe, dass er sie anzündet. Es ist ein beruhigender Duft", meinte Nanami lächelnd. „Er hilft ihm, zu schlafen. Wenn er sie nicht selbst entzündet, muss ich mir etwas einfallen lassen."

Madeleine runzelte die Stirn. „Er abends immer die weiße Kerze an, wenn er zu mir und Katja betet", bemerkte sie mit dem Blick auf die Kerze gerichtet.

„Vielleicht nimmt er dann die", meinte Nanami und lächelte leicht. „Es wird ihn nur ein bisschen beruhigen, nicht zum Schlafen bringen", versicherte sie. „Es ist kein Schlafzauber."

„Ich werde sie neben der anderen Kerze platzieren. Vielleicht zündet er sie dann an", sagte Madeleine fest entschlossen und wollte dann von Nanami wissen, wie sie feststellte, dass er sie benutzte oder nicht.

„Ich hoffe doch, das einer der Geister ihn vielleicht beobachtet", sagte sie schief lächelnd.

Sofort bot sich Madeleine an, da sie sowieso bei jedem Gebet dabei war.

Nanami nickte. „Das wäre wirklich lieb", sagte sie und deutete Madeleine an, dass diese gehen und die Kerze abliefern konnte. Sie würde ihre ebenfalls entzünden und etwas meditieren.

Die ehemalige Königin versprach, später wieder zu kommen und verschwand.

Kurz darauf zündete Nanami ihre Kerze an, genoss den Duft und schloss die Augen. Es war ein anstrengender Tag gewesen und das, was passiert war, wühlte sie auf. Dass Eric seinen Sohn töten würde und dass Victor so seltsam auf sie reagierte, lag ihr schwer auf der Seele.

Es war eine verzwickte Situation, die zeigte, dass Eric wohl schon viel mehr versucht hatte, seinen Sohn zur Vernunft zu bringen. Warum sonst würde er den letzten Weg wählen wollen? Ob Victor das wusste? Er schien seinen Weg gehen und seinen Dickkopf durchsetzen zu wollen.

Wusste Madeleine davon? Was hielt sie davon?

Nanami konnte nicht zulassen, dass Eric Victor tötete und Madeleine das mit ansehen musste. So einen Schmerz wollte sie dieser nicht zufügen, denn sie mochte die Geisterfrau sehr gern.

Sie schien glücklich gewesen zu sein, als sie noch gelebt hatte. Womöglich lag es daran, dass sie Eric irgendwie erzogen hatte, sodass er von dem Krieg abließ und Frieden wollte.

Es war alles so kompliziert und sie machte sich Sorgen um ihre Mutter. Ob wohl einer der Geister so nett wäre, nach ihr zu sehen?

Einer würde sich hoffentlich finden lassen.

Die Ruhe und der Geruch der Kerze taten Nanami gut und sie beruhigte sich langsam wieder.

Ob sie diese Nacht schlafen würden?

Wie ging es Victor? Hatte ihr Auftauchen ihn vielleicht doch so sehr verärgert, dass er nicht schlafen konnte? Das wollte sie nicht und sie hoffte, dass sie ihre Fortschritte mit ihm nicht zerstört hatte.

Beinahe ungeduldig musste Nanami auf Madeleines Rückkehr warten. Die Nacht war bereits fortgeschritten, als die Geisterfrau durch die Wand geflogen kam. Sie sah nachdenklich aus.

„Gibt es Probleme?", fragte Nanami leise und erhob sich, um sich zu entkleiden und ins Bett zu legen.

Seufzend schüttelte Madeleine den Kopf. „Nein, aber ich mache mir Sorgen um ihn. Nicht nur, weil er nach dem Baden immer noch stark geschwitzt hat, sondern auch, weil er geweint hat", sagte sie nachdenklich. „Zusammen mit Katjas kleinem Bär im Bett", bemerkte sie.

„Das tut mir leid", sagte Nanami entschuldigend. „Ich wollte ihn nicht zum Weinen bringen", gestand sie und zog ihr Kissen an sich, bevor sie unter die Decke schlüpfte. Dabei war sie nur in ein leichtes Seidenkleid gehüllt. „Ich hoffe, es geht ihm morgen besser."

„Ich denke nicht, dass es wegen den Worten ist. Vielleicht eher von dem Vorfall in der Stadt, von dem du gesprochen hast", erwiderte die Frau und ließ sich auf dem Nischenplatz am Fenster nieder. „In seinem Gebet hat er davon gesprochen, dass er hofft, dass es den Kindern gut geht und sie in Zukunft vorsichtiger sind", erzählte Madeleine. „Im Übrigen hasst er dich nicht", merkte sie an. „Er sagt es nur aus Unsicherheit, weil er nicht weiß, wie er mit dir umgehen soll."

Nanami zog das Kissen an ihre Brust und hob die Beine, sodass sie sich zusammenrollen konnte. „Ich möchte gern schlafen", gestand sie, weil sie einfach nicht mehr darüber nachdenken wollte.

„Ich lasse dich allein", flüsterte Madeleine und wünschte ihr eine gute Nacht.

Nanami erwiderte ihre Worte und rollte sich noch mehr zusammen.

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