46. TAEHYUNG Sa, 6. 10. 17:18

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Vielleicht würde er ja eines Tages das Gedankenlesen lernen - das würde ihm sicher einiges erleichtern...


Sobald Taehyung das Haus hinter sich gelassen hatte, verfluchte er sich selbst, weil er seine Jacke vergessen hatte. Ein T-Shirt konnte gegen den kühlen Oktoberwind wenig ausrichten und er bekam bereits Gänsehaut auf den Oberarmen. Umkehen wollte er aber auch nicht mehr, also lief er weiter und verschnellerte sein Schritttempo, um ein bisschen wärmer zu werden.

Wo wollte er eigentlich hin?

Es erschien ihm irgendwie unwirklich, dass er am noch heute Vormittag mit den anderen in der Stadt gewesen war. Das war alles so weit weg...

Es dämmerte und neben ihm gingen langsam die Straßenlaternen an. Tae achtete nicht richtig darauf, wohin er lief: Er wollte einfach auf dem schnellsten Weg aus der Stadt.

"Hey Kleiner, wo willst du denn hin?"

Er blickte erschrocken auf und bemerkte einen Typen, der an eine Hauswand gelehnt da stand und ihn interessiert musterte. Was wollte der von ihm? Er kannte ihn doch gar nicht! Irritiert blickte er den Fremden an, über dessen Gesicht sich langsam ein Grinsen ausbreitete.

"Du bist der kleine Kim Taehyung, nicht wahr? Der, der seine Eltern verloren hat und jetzt bei Min Yoongi wohnt..."

"Äh, was, woher... Wer bist du überhaupt?"

Taes Gegenüber grinste noch breiter.

"Mein Name ist Kim Seokjin."

Wie zu erwarten gewesen war, half Tae diese Information nicht wirklich weiter. Weshalb wusste dieser Seokjin so viel über ihn, obwohl sie sich noch nie gesehen hatten? Stalkte er ihn, oder war er, ohne es zu wissen, zu einer nationalen Berühmtheit geworden?

Irgendwie war ihn die Situation unheimlich, weswegen er sich entschlossen umdrehte und in eine Seitenstraße abbog.

"Hey Kleiner, da würde ich an deiner Stelle nicht lang gehen!"

Die Stimme des Fremden klang wie eine ernst gemeinte Warnung, doch das konnte auch gespielt sein... Den Einwand ignorierend lief Tae weiter.

Tatsächlich kannte er sich in diesem Teil von Daegu nicht aus, doch die Gegend wirkte nicht weiter bedrohlich: In einigen Fenstern brannte noch Licht, irgendjemand schien sich in den Monaten vertan zu haben und hatte bereits Anfang Oktober Weihnachtsdekoration aufgehängt, und gepflegte Vorgärten säumten den Straßenrand. Abgesehen davon war alles besser, als sich noch weiter mit diesem Verrückten zu unterhalten...

Als er das Ende der Straße erreicht hatte, fiel sein Blick auf einen kleinen Pub an der Straßenecke, da dieser der einzige wirklich hell erleuchtete und belebte Ort in dem verschlafenen Stadtteil war.

Kurz blieb er vor dem Eingang des Pubs stehen. Dann stieg er entschlossen die drei Treppenstufen zur Tür hinauf und trat ein.

Wie er durch die Fenster bereits von außen hatte sehen können, befanden sich erstaunlich viele Leute in dem kleinen Raum. Da er kein Geld dabei hatte, setzte er sich an einen Einzeltisch mit Blick auf die Straße, ohne vorher etwas an der Bar zu bestellen. Das kam ihm zwar unhöflich vor, doch er hatte wenig Lust, noch weiter in der Kälte zu bleiben. Den Gedanken, dass er später trotz allem würde nach Hause gehen müssen, ignorierte er.

Eine Weile saß er einfach nur da und lauschte den Gesprächen der anderen Anwesenden. Irgendwie schienen sich alle hier gut zu kennen, so als wären sie öfters hier und Tae kam sich zunehmend fehl am Platz vor.

Auf einmal öffnete sich die Tür erneut und die erste ihm bekannte Person betrat den Raum:

Hoseok.

Sofort senkte er die Augen und hoffte inständig, dass er ihn nicht bemerkte.

Als die anderen den Neueingetroffenen bemerkten, standen einige sogar auf, um ihn zu begrüßen und diejenigen, die sitzen blieben, nickte Hoseok erfreut zu. Dieser erwiderte die Begrüßungen und ging dann nach vorne an die Bar, um sich ein Getränk zu bestellen.

Die Gespräche setzten wieder ein und Taehyung konnte den Unterhaltungen bald nicht mehr folgen. Allerdings bemühte er sich auch nicht wirklich darum: Sein einziger Gedanke war, wie er so schnell wie möglich wieder von hier verschwinden konnte, um aus Hoseoks Reichweite zu kommen. Dieser ließ abwesend seine Blicke durch den Raum schweifen, während er ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte.

Als er Taehyung erkannte, weiteten sich seine Augen erstaunt. Für ein paar quälende Sekunden hielten sie Blickkontakt. Dann stand Tae auf und verließ eilig den Pub.

So schnell er konnte, ohne zu rennen, überquerte er die Straße und bog dann nach rechts ab, um wenige Schritte später links auf einen verkommenen Spielplatz zu treten.

Erschöpft ließ er sich dort auf den Boden neben einer halb kaputten Kletterwand sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Er wollte nach Hause. Nach Hause...

"Hast du gedacht, ich finde dich hier nicht?"







...

Daegu TownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt