103. YOONGI Do, 15. 11. 00:16

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Hoseok.


Yoongi blieb wie angewurzelt stehen. Mehrere Sekunden starrte er Hoseok einfach nur stumm an, bis dieser sich plötzlich umdrehte und ihn bemerkte. Das Schweigen, das folgte, war eisiger als die Novembernacht.

Nach einer gefühlten Ewigkeit senkte Hoseok schließlich den Blick und murmelte etwas vor sich hin, das wie 'Vielleicht hätte ich doch nicht kommen sollen...' klang.

Yoongi konnte sich nicht erinnern, seinen ehemals besten Freund jemals so unsicher gesehen zu haben und irgendwie genoss er diesen Moment. Dennoch siegte irgendwann das Mitleid für diesen Menschen, der den ganzen Weg hier her gelaufen sein musste, nur, um ihm irgendetwas zu sagen, was auszusprechen er sich scheinbar nicht traute, und so durchbrach er schließlich die Stille:

"Was willst du hier?"

Hoseok hob den Kopf und sah ihn mit einer Mischung aus Hoffnung und Hilflosigkeit an.

"Ich..."

Es vergingen erneut mehrere Augenblicke, in denen sie sich wieder schweigend anstarrten. Dann nickte Yoongi leicht mit dem Kopf in Richtung Tür und sagte leise:

"Es wird kalt. Wir sollten drinnen reden."

Dem Älteren war anzumerken, dass Yoongis Worte ihn erleichterten. Noch immer etwas zögerlich folgte er dem Jüngeren in das warme Wohnzimmer und dieser schloss die Tür hinter ihm.

Trotz der angenehmen Wärme des Hauses blieb die Stimmung zwischen ihnen weiterhin kühl und angespannt. Yoongi lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer der Treppe, die ins Obergeschoss führte, und sah den anderen abwartend an.

Hoseok wirkte irgendwie verloren, wie er so einige Meter von ihm entfernt mitten im Raum stand und offenbar nach den richtigen Worten suchte. Allerdings machte Yoongi ihm nicht den Gefallen, ein weiteres Mal für ihn die Stille zu brechen. Wenn er ihm etwas so wichtiges mitzuteilen hatte, dass er ihn dafür um diese Uhrzeit aus dem Bett holte, konnte er auch den Mut aufbringen, es sagen.

Abgesehen davon, dass Hoseok eigentlich zu den mutigsten Menschen gehörte, die er kannte, reichte sein Mitleid auch nicht aus, um ihm die Situation weiter erleichtern zu wollen. Sein Hyung war selbst für das alles verantwortlich...

Mit hochgezogener Augenbraue sah er den Älteren an und wartete, bis dieser sich endlich räusperte und die Worte aussprach, um die er vermutlich die ganze Zeit gerungen hatte:

"Es tut mir leid."

Yoongis Kehle entrang sich ein heiseres Lachen. Es war mehr als offensichtlich, dass sein Gegenüber das Gesagte ernst meinte, doch Worte waren so unfassbar unbedeutend... Wie konnte man mit einem Satz solche Taten ausgleichen...? Erwartete Hoseok, dass er ihm verzieh? Dass er ihm verzieh, was er Tae und damit auch ihm angetan hatte?

Der Ältere sprach aus, was Yoongi dachte:

"Ich nehme an, es ist zu spät... Ich wollte dir nur sagen, dass ich das nie tun wollte, dass es mir wirklich leid tut..."

Er stockte und Yoongi hatte den Eindruck, dass sein Hyung gerade mit den Tränen kämpfte, auch wenn er ihn noch nie in seinem ganzen Leben hatte weinen sehen...

Als Hoseok sich zum Gehen wandte, hielt er ihn reflexartig am Arm fest.

"Warte."

Der Ältere drehte sich zu ihm um und der Hoffnungsschimmer in seinen Augen, der vor wenigen Augenblicken erloschen war, flammte wieder auf.

"Was ist?"

Yoongi schwieg. Seine Reaktion war eigentlich eher instinktiv gewesen und er wusste nicht genau, was er jetzt sagen sollte.

Erinnerungen an ihn und Hoseok, wie sie als Kinder gemeinsam durch die Straßen rannten oder wie der sein Hyung zwei Jungen verprügelte, die ihm ein Bein gestellt hatten, schossen ihm durch den Kopf und verursachten ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust. Er wollte seinen besten Freund zurück, sehnte sich nach der Zeit, in der sie noch wie Brüder gewesen waren...

Er schloss die Augen und als er sie wieder öffnete, war sein Blick fester und entschlossener.

"Ich verzeihe dir."






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