"Dann werden wir weiterleben."
Das war also das Ende.
Während Jimin dem einfahrenden Zug entgegenblickte, überkam ihn eine innere Ruhe, die er so noch nicht gekannt hatte. In wenigen Sekunden würde er den halben Meter, der ihn noch vom Rand des Bahnsteigs trennte, überwinden und von allem, was er erlebt hatte, würde nichts bleiben. Er würde einer von tausenden sein, die unter den Rädern eines fahrenden Zuges den Tod gefunden hatten und nach ein paar Tagen oder Wochen würde er vergessen sein."Was machen Sie da?!"
Die erschrockene Stimme einer Schaffnerin drang in sein Bewusstsein, doch er lächelte nur. Sie war zu weit von ihm entfernt, um ihn noch aufhalten zu können...
Der Zug hatte ihn schon fast erreicht und Jimin schloss die Augen. Ein Schritt in die Leere...
"Nein."
Er spürte einen stechenden Schmerz in seinem linken Fußgelenk, als ihn eine starke Hand am Oberarm packte und so ruckartig zurückriss, dass er umknickte. Gleichzeitig sorgte die unerwartete Bewegung dafür, dass ihm schwindelig wurde und er auch, als er die Augen wieder öffnete, nur verschwommen die Umrisse seines Umfeldes erkennen konnte:
In einem Abstand von gut zwei Metern stand eine größere Ansammlung von Menschen um ihn und die Person herum, die ihn gerade daran gehindert hatte, unter den Rädern des Zuges zu enden, der inzwischen vor ihm zum Stillstand gekommen war. Allerdings blieb ihm nicht die Zeit, sich irgendein Gesicht genauer einzuprägen, denn im nächsten Moment wurde er schon von seinem Retter weitergezogen.
Eher unterbewusst erfasste er einige Sätze der gaffenden Leute, doch sie prallten von ihm ab, ohne einen Eindruck zu hinterlassen:
"Ist der Junge verletzt?"
"Passen Sie doch auf, wo Sie hinlaufen!"
"Nur Egoisten kommen auf die Idee, sich umzubringen."
"Die Polizei ist gleich da."
"Hat jemand einen Krankenwagen gerufen?"
Die Menschen standen so dicht beieinander, dass es beinahe unmöglich war, sich hindurch zu drängeln und schließlich kam die Person, die Jimin hinter sich herzog, zum Stehen.
"Wir brauchen weder den Krankenwagen, noch die Polizei. Es geht ihm gut und wenn Sie uns durchlassen würden,ginge es ihm noch besser."
Jimin blinzelte verwirrt. Die Worte klangen so eindrucksvoll, dass die Menschen vor ihnen tatsächlich zur Seite traten und ihnen den Weg freimachten. Doch was ihn viel mehr verwunderte, war, dass er diese Stimme kannte:
Auch wenn er ihn noch nie in einem solchen Tonfall hatte sprechen hören, gehörte die Stimme zweifelsfrei zu Hoseok.
Bei jedem zweiten Schritt musste er die Zähne aufeinanderbeißen, um einen Schmerzenslaut zu unterdrücken, denn der Fuß, mit dem er umgeknickt war, tat ebenso weh wie der Gedanke, dass er es nicht geschafft hatte. Er lebte noch...
Meter um Meter entfernten sie sich von der aufgeregten Menschenansammlung, doch obwohl sie nach wie vor beobachtet wurden, folgte ihnen niemand: Offenbar hatten alle zu großen Respekt vor Hoseok, um sie aufzuhalten. Es war Hoseok, der ihn davon abgehalten hatte, Selbstmord zu begehen... Möglichst unauffällig hob Jimin den Kopf und sah zu seinem Hyung auf, doch dieser schenkte ihm keine Beachtung und er musste den Blick schnell wieder abwenden, um besser auf den Boden achten zu können. Mit dem Tempo des anderen Schritt zu halten, war auch so schon schwer genug.
Erst, als sie um die Ecke eines alten Güterzug-Wagons bogen und sich so den Blicken der gaffenden Menschen entzogen, ließ der Ältere ihn endlich los. Durch seine plötzliche Bewegungsfreiheit verwirrt stolperte Jimin zwei Schritte nach hinten, doch dann schaffte er es, sich an der Außenwand des Wagons festzuhalten und sich wieder seinem Hyung zuzuwenden. Dieser starrte ihn mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Wut in den Augen an, was seine Verwirrung und Unsicherheit nur noch stärker werden ließ. Hatte er etwas falsch gemacht?...
Einige Sekunden sahen sie sich einfach nur schweigend in die Augen, während sie versuchten, ihren Atem wieder etwas zu beruhigen. Dann trat Hoseok einen Schritt vor und durchbrach mit vor unterdrückter Wut zitternder Stimme die Stille:
"Warum?"
Die Frage klang wie ein Vorwurf und der Jüngere brauchte eine Weile, bis er verstand, worauf der andere hinauswollte. Allerdings begriff er auch nach mehreren Augenblicken des Nachdenkens immer noch nicht, weshalb sich sein Hyung überhaupt mit ihm abgab. Hätte er ihn nicht einfach sterben lassen können?!
Der fordernde Blick des Älteren machte ihm wieder bewusst, dass er diesem noch immer eine Antwort schuldig war, doch er schwieg noch einige Sekunden, ehe er tatsächlich etwas sagte:
"Ich... wüsste nicht, weshalb ich bleiben sollte."
"Du hast es aber nicht verdient, zu sterben."
Jimin zog fragend die Augenbrauen zusammen. Was meinte sein Hyung damit? Normalerweise sagte man so etwas, wenn man der Ansicht war, dass eine Person etwas Besseres als den Tod verdiente, aber im Moment erschien ihm der Tod wie ein letzter Ausweg aus seiner Verzweflung und zu hören, dass er offenbar noch nicht einmal diesen verdiente, war wie das Schließen der letzten noch geöffneten Tür.
Seine Hoffnungslosigkeit verwandelte sich in Trotz und er starrte den anderen halb wütend, halb herausfordernd an.
"Was habe ich denn dann verdient, wenn nicht einmal der Tod gut genug für mich ist?"
Auf das Gesicht des Älteren trat ein leicht verwirrter Ausdruck, der einige Sekunden später dem Aufblitzen der Erkenntnis wich und er lachte leise auf.
"Das Leben ist ein Geschenk und nur ein Idiot würde es leichtfertig gegen den Tod eintauschen. Sterben wirst du noch früh genug."
"Das wäre ich, wenn du mich nicht aufgehalten hättest..."
Hoseok seufzte und schloss für einen Moment die Augen, bevor er den Blick wieder auf den Jüngeren richtete.
"Was wäre es denn wert, dass du dafür stirbst?"
Jimin schluckte und senkte den Kopf. Was war das für eine Frage?! Er würde ganz bestimmt nicht noch einmal denselben Fehler machen und Hoseok von seinen Gefühlen für ihn erzählen!
"Ich habe dich etwas gefragt..."
Der Jüngere biss sich auf die Unterlippe und sah dann wieder zu dem anderen auf, welcher ihn noch immer mit seinen Blicken durchbohrte.
"Für was sollte ich weiterleben?"
Auf seine Gegenfrage hin schwieg der Ältere und das Geräusch eines abfahrenden Zuges war das einzige, was die eingetretene Stille störte. Der Blick seines Hyungs verriet keine Emotionen und in Jimin wuchs die Frage, was dieser gerade dachte, obwohl er sich vor der Antwort fürchtete. Da war nichts, für das es sich zu leben lohnte...
Hoseok trat einen Schritt zurück und brachte so wieder mehr Abstand zwischen sie. Dann holte er tief Luft und brach das Schweigen:
"Ich weiß nicht, was dir wichtig genug ist, um dafür am Leben zu bleiben, aber... ich will nicht, dass du gehst."
Sorry, dass ich das gerade unvollständig veröffentlicht hatte XD
Wattpad hat sich eben mal selbstständig gemacht und alles auf Tailändisch umgestellt, weswegen ich versehentlich das Falsche angetippt hatte...
Wie auch immer - danke fürs Lesen :)
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Daegu Town
FanfictionEs würde notwendig gewesen sein, die Hölle durchlebt zu haben - doch in diesem Moment fühlte er nur den Schmerz und dachte nur daran, wie er ihn zum Schweigen bringen konnte. Taehyung (16 Jahre, drogenabhängig, Vergewaltigungsopfer) zieht übergangs...