Part 2

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„Das sah gut aus." Meine Mutter nickte anerkennend, als ich Donni vorsichtig zurücknahm.
„Sie ist gut in Form im Moment, sie hat Spaß."
„Auf jeden Fall springt sie so. Völlig locker, ganz entspannt, immer durchlässig- wirklich gut." Zufrieden legte meine Mutter die Stangen höher. „Die Schlusslinie von vorhin in etwas höher zum Abschluss? Mehr muss heute nicht."
„Sicher doch." Ruhig galoppierte ich wieder an, umrundete die Hindernisse ein paar Mal, orientierte mich und ging in den leichten Sitz. Die Schlusslinie des Parcours, den ich vorhin geritten war, war im Grunde einfach.
Beim Anreiten des Steilsprungs an der langen Seite legte ich zu und Donni setzte locker über den Sprung, ließ sich sofort abfangen, ging gut durch die Wendung und zog vorwärts, als sie den Oxer sah. Ich musste nur leicht gegenhalten und die Stute sprang punktgenau ab.
Bei der Landung blieb ich sitzen, nahm sie leicht zurück, ritt mit vier kurzen Galoppsprüngen auf die zweifache Kombination zu. Vorsichtig überwand sie den Einsprung und kam mit zwei Galoppsprüngen passend zum Schlusssprung.
„Feine Maus.", flüsterte ich und strich ihr flüchtig über den Hals. „Gutes Mädchen."
„Ein bisschen beherzter zur Kombination hin wäre schön gewesen, aber gut war's trotzdem.", sagte meine Mutter und reckte ihren Daumen in die Höhe. „Was hast du mit ihr noch genannt in den nächsten Monaten?"
„Sie hat erstmal Turnierpause. Die letzten Monate hat sie so viel gemacht, da kann ich die andern beiden ja mal mitnehmen."
„Rasputin auch? Ist er denn schon soweit?" Zweifelnd sah sie mich an, während ich Donni noch am langen Zügel traben ließ.
„Rasputin habe ich für zwei M-Springen genannt, wenn er die auch noch gut macht..."
Der junge Rappe war ein gutes, schnell lernendes Pferd, dessen Dickschädel mir die Arbeit nicht immer leicht machte. Wenn er wollte, konnte er wunderbar springen und stand Primadonna in kaum etwas nach, aber sobald er unsicher wurde, fing er an zu giften.
„Ich war im letzten Jahr konstant in M-Springen mit ihm platziert.", erklärte ich meiner Mutter.
Seufzend nickte sie. „Gut, meinetwegen. Dennoch, ich würde ihn mir gerne in den nächsten Tagen selbst mal angucken. Das letzte Mal hat er mir gar nicht gefallen."
„Du kannst ihn gerne selbst reiten.", sagte ich und parierte Donni durch. „Ich hätte gern deine Meinung zu ihm."

Ich überquerte gerade den Hof, um ins Haus zu gelangen, als Nika müde lächelnd mit Romeo aus der Halle kam. Der Wallach sollte verkauft werden und sollte offenbar bis dahin von Nika geritten werden.
„Sklaventreiberei.", murrte sie und strich ihre kurzen, schwarzen Haare zurück. „Julian kennt keine Gnade. Ich musste ewig Galoppwechsel reiten- und wehe, die waren nicht ganz genau am richtigen Punkt, wehe, die Kruppe blieb nicht perfekt unten."
„Ich hoffe, du hast es überlebt."
„Knapp! Mein Hintern tut weh!" Seufzend blieb sie neben mir auf dem Hof stehen und strich dem in Abschwitzdecken eingehüllten Romeo über die Stirn. „Er ist ein Kuschelpferd."
„Ja, die gibt's.", erwiderte ich und betrachtete Romeo, der entspannt die Augen schloss. Zögernd blieb ich bei den beiden stehen.
Paul und ich hatten vor, am Abend noch schwimmen zu gehen. Das kleine Hallenbad, das sich keine fünfhundert Meter vom Stall entfernt befand, gehörte Freunden.
Es gab ein kleines, vergammeltes Kinderbecken, das kaum genutzt wurde und ein normales Schwimmbecken.
Leute aus dem Stall durften außerhalb der Öffnungszeiten dort schwimmen- auf eigene Gefahr natürlich, solange sie das Geld auf die Kasse legten.
Im Grunde wäre es nur nett, sie dazu einzuladen mitzukommen. Andererseits hatten Paul und ich beschlossen, gemeinsam einen sinnlosen Abend zu verbringen und Blödsinn zu reden.
Ich wollte wissen, was aus unseren gemeinsamen Freunden geworden war, während ich weggewesen war, wie es ihnen ging, was sie so machten.
Mit einigen hatte ich weiterhin Kontakt gehabt, andere hatte ich seit drei Jahren kaum gesehen.
„Paul und ich gehen gelegentlich schwimmen hier in der Nähe.", sagte ich gedehnt. „Du kannst in den nächsten Tagen gern mal mitkommen, wenn du magst!"



Zögernd tauchte ich meine Zehen ins Wasser. Ganz schön kalt. Seufzend zog ich meinen Fuß zurück und starrte ins Becken. War das Wasser immer schon so kalt gewesen? Bestimmt nicht! Als ich Pauls Schritte hinter mir hörte, drehte ich mich nicht um.
„Zu feige, um reinzuspringen?"
„Es ist eisig.", murrte ich. „Da kriegst du mich heute nicht rein."
„Nicht?"
Ich hatte keine Zeit mehr, mich umzudrehen und ihm einen warnenden Blick zuzuwerfen. Für einen Moment lang spürte ich seine warme Hand auf meinem Rücken, im nächsten fiel ich, tauchte unter und spürte, wie das Wasser mich in eine kühle Umarmung zog, begrüßte, wie eine alte Freundin.
Prustend tauchte ich wieder auf und funkelte Paul wütend an, der grinsend am Rand stand und zu mir herunterschaute.
„Siehst du? Ich habe dich ins Wasser gekriegt."
Sprachlos schüttelte ich den Kopf.
„So schweigsam auf einmal..."
„Ich suche nur nach den richtigen Worten."
Lachend hielt Paul seinen Fuß ins Wasser. „Geht doch. So kalt ist es doch gar nicht."
Nein, wenn man erstmal drin war, war es tatsächlich nicht besonders kalt. Dennoch, die Überwindung war enorm. Wenn ich daran dachte, wie oft ich früher mit Paul hier geschwommen war, erschien mir das unwirklich. Wir beide hatten einen Ausgleichssport gesucht und wir beide hatten die gleiche Motivation: Nicht wegen einseitiger oder falscher Belastung irgendwann aufhören müssen. Meine Mutter war uns beiden Warnung genug. Manchmal hatten wir noch vor der Schule unsere Runden entweder beim Joggen im Wald oder im Schwimmbad gedreht, waren danach gemeinsam zur Schule gefahren und meistens auch mittags zurück, um mit den Ponys zu arbeiten, die wir damals gehabt hatten. Paul und ich hatten zu den besten Ponyreitern des Landes gehört, bis wir beide siebzehn geworden waren und die Ponyzeit vorbeigewesen war. Für mich war das kein Problem gewesen- ich hatte meine Ausbildung begonnen und schon vorher gute Großpferde bekommen. Im Gegensatz zu mir hatte Paul keine Eltern, die Pferde züchteten und kam dementsprechend schwer nur an gute neue Pferde. Fia war seine Hoffnung und ich gönnte ihm mehr als allen anderen, mit der jungen Stute Erfolg zu haben.
„Was meinst du? Morgens gemeinsam schwimmen? Wie früher?"
„Du musst nur mitkommen- ich habe mir das nie abgewöhnt." Er zuckte mit den Schultern.
Hätte ich genauer hingesehen, wäre diese Frage wohl überflüssig gewesen. Pauls gesamte Muskulatur sah nicht so aus, als würde er lediglich reiten. Er war trainierter, hatte breite Schultern und ziemlich kräftige Oberarme- eben wie jemand, der morgens nach dem Aufstehen erstmal im Schwimmbad verschwand und dort nicht nur herumplanschte, sondern wirklich schwamm.
„Auch morgen früh? Auch, wenn du heute Abend schon hier bist?"
Er nickte, setzte sich an den Beckenrand und ließ seine Beine ins Wasser hängen. „Klar doch."
„Hm..." Langsam schwamm ich auf ihn zu.
„Um kurz nach fünf vorm Haus, oder du holst mich- lieb wie du bist- direkt vor der Wohnungstür ab. Dann muss auch keiner draußen in der Kälte warten."
„Ich sammele dich gern morgens ein. Kriege ich Brötchen dafür?"
„Dafür, dass du eine Treppe heruntergehst und bei mir an die Tür klopfst? Dafür kriegst du höchstens einen feuchtwarmen Händedruck."
„Nicht einmal eine „Guten- Morgen- allerbeste Freundin Kim- Umarmung"?"
„Die musst du dir schon holen."
Ich verbot mir das Grinsen, als ich direkt neben ihm war. „Darf ich sie mir auch jetzt holen?"
„Wenn du darauf bestehst." Gleichgültig zuckte er mit den Schultern.
Im nächsten Moment hatte ich meine Arme um ihn geschlungen und zog ihn so kräftig ich konnte nach vorne.
„Kim!"
„Sorry." Lachend zog ich ihn mit mir ins Wasser. „Das musste sein."
Er fluchte und schüttelte sich das Wasser aus den Haaren. „Ich räche mich noch, keine Sorge."

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