Ich wartete, bis die anderen ihre Sachen zusammengepackt hatten und außer Sichtweite waren, ehe ich zum Wasser herunterging. Ich hatte Angst, dass Paul genervt abhauen könnte, wenn es nur einfach genug war schnell die Sachen unter den Arm zu klemmen, sobald ich versuchte mit ihm zu sprechen. So, wie er mich ansah, als er mich bemerkte, schien ihm der Gedanke jedenfalls durch den Kopf zu gehen.
„Du kannst es nicht gut sein lassen, oder?", fragte er mit düsterem Gesichtsausdruck, als er auf mich zu schwamm und die letzten Meter durchs flache Wasser ging.
„Könntest du es?", gab ich zurück.
Er blieb vor mir stehen, tropfnass und verschränkte die Arme vor der Brust. Als er sich wütend auf die geschwollene Unterlippe biss, zuckte er leicht und blinzelte kurz. Es musste ziemlich wehgetan haben. „Ich habe dir am Wochenende schon gesagt, dass ich dir nichts mehr zu sagen habe."
„Du könntest mir wenigstens zuhören." Ich atmete tief durch. Ich wollte das in Ordnung bringen, nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.
„Weil du mir noch mehr Vorwürfe machen willst?"
„Weil ich einen Fehler gemacht habe und dir das erklären will."
„Kein Interesse. An deinen letzten Erklärungsversuch erinnere ich mich noch gut."
Er wollte an mir vorbeigehen, aber ich hielt ihn an der Schulter zurück. „Tue nicht so, als hättest du noch nie einen Fehler gemacht!", fuhr ich ihn heftiger an als beabsichtigt.
„Und der wäre?", fragte er spöttisch, blieb zwar stehen, aber schüttelte meine Hand ab.
„Du hast mir diesen Pia-Quatsch verschwiegen, über Jahre, obwohl ich dich immer wieder danach gefragt habe, obwohl ich darunter gelitten habe. Ich habe dir zugehört, habe versucht dich zu verstehen und dir das verziehen. Du könntest wenigstens zuhören."
Seine Augen funkelten immer noch unnachgiebig und die Muskeln an seinem Unterkiefer zuckten verdächtig, aber er machte eine vage Kopfbewegung. „Gut. Ich höre." Schweigend sah ich ihn an, bis sein Blick zumindest eine Spur weicher wurde und er Luft holte. „Ich höre dir zu.", bekräftigte er, nicht mehr ganz so unversöhnlich.
„Gehen wir ein paar Schritte?" Ich konnte einfach nicht reden, während er mit dieser angespannten, fast fluchtbereiten Körperhaltung einen Meter von mir entfernt stand. Bittend sah ich ihn an und er stöhnte leise, folgte mir aber, als ich mich in Bewegung setzte.
„Ich habe dich nicht einfach zum Spaß geküsst.", war das Erste, was ich sagte. „Ich habe dir diesen ganzen Dreck erzählt und du warst da und hast zugehört. Als du dann...gefragt hast, ob das zwischen uns steht, das war...," Hilfesuchend sah ich ihn an, aber er schaute starr auf seine Füße während wir gingen. „da hattest du Recht.", sagte ich leise. „Ich habe wahnsinnig Angst davor gehabt, dass genau sowas passiert, wie es dann direkt danach passiert ist. Und damit meine ich nicht..." Ich zögerte. „den Kuss. Ich meine alles, was danach passiert ist."
„Und wieso hast du mich geküsst? Wenn nicht einfach zum Spaß?" Er klang immer noch wütend. „Weißt du, es ist ziemlich beschissen, wenn man versucht, der gute Freund für jemanden zu sein, für den..." Er brach ab. „Es wird jedenfalls nicht leichter, wenn man weiß, wie es sich tatsächlich anfühlt." Der gequälte Ausdruck auf seinem Gesicht sprach Bände.
„Das weiß ich jetzt auch." Mir schoss das Blut in den Kopf, als ich daran dachte, wie ich seit dem Wochenende immer wieder daran denken musste, wie sich seine Hände auf meiner Haut und seine Lippen auf meinen angefühlt hatten. „Es war einfach der Moment. Das ist keine Entschuldigung, ich weiß, aber du hast vor mir gestanden und ich hatte im Kopf, wie du gesagt hast, dass wir das hinkriegen könnten, wenn es an München liegt. Ich habe für einen Moment glauben wollen, dass das stimmt."
„Glauben wollen?" Endlich sah er mich an.
„Nicht nur glauben wollen. Es hat sich für einen Moment so angefühlt, als ob das richtig wäre."
„Und dann nicht mehr?" Die Enttäuschung in seinem Blick ging mir durch und durch.
„Dann hast du gefragt, was das ist und was wir machen. Ich habe Panik gekriegt, weil ich nicht wusste, ob das richtig ist. Dann habe ich diesen Spruch gebracht- und es tut mir so, so leid, Paul." Ich hob die Hände, damit er für sich behielt, was immer er gerade sagen wollte. „Dieser Spruch hatte nichts mit dir zu tun. Ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte sagen können, um nicht zu sagen, dass ich keine Ahnung habe. Wirklich, was ich gesagt habe, hatte nichts damit zu tun, wie ich über dich denke."
Er schwieg, auch, als ich die Hände sinken ließ.
„Und dann ist genau das passiert, wovor ich solche Angst hatte."
„Der Spruch mit Jenny, was ist damit?", fragte er leise.
„Das ist mir so peinlich."
„Das sagt mir immer noch nicht, wie du dazu stehst." Er blieb stehen und sah mich forschend an.
„Es stört mich." Die Worte klangen ausgesprochen viel stärker als ich es mir vorgestellt hatte. Mir wurde ziemlich heiß, als er das Kinn leicht anhob und ein überraschter Ausdruck auf sein Gesicht trat. „Ich meine, mich stört nicht so sehr, dass zwischen euch ab und zu was läuft, echt nicht. Es stört mich, wenn es mehr ist. Wenn sie mit dir hat, was wir sonst haben." Wenn sie sich ohne Worte verstanden, wenn er mit ihr über mich sprach. Wenn er zu ihr ging, wenn er wütend auf mich war.
Eine Weile sagte keiner von uns beiden etwas. „Du weißt, dass es schwierig ist, wenn du nicht willst, was ich will und du gleichzeitig nicht möchtest, dass jemand anders mir so nahe ist wie du?" Die Härte war aus seinem Gesichtsausdruck verschwunden, er sah nur traurig und ratlos aus.
Nahe. Ich schluckte. Er hatte ja keine Ahnung, wie nahe er mir war. „Was wäre, wenn ich es nur noch nicht will?"
„Dann würde ich dich fragen, warum du es noch nicht willst. Und, ob du mir versprechen kannst, dass sich das ändert und wie lange dieses noch wohl ungefähr dauern wird." Er sah zu mir herunter und ich hätte mich am liebsten an ihn angelehnt.
„Noch nicht, weil ich erst einen Haken an die Geschichte mit Thomas machen muss. Du warst das Sicherheitsnetz, in das ich irgendwie gefallen bin. Wohin falle ich, wenn das mit uns nicht läuft? Ich muss das rausfinden. Und ich weiß nicht, wie lange das dauert."
„Oder ob du dich überhaupt trauen willst.", fügte er für mich noch hinzu.
Ich nickte langsam. „Ich weiß nicht, ob ich das kann."
„Dann kann ich das nicht mitmachen.", sagte er leise und fuhr sich seufzend mit der Hand über die Augen. „Ich kann nicht."
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Na? wie schlägt sie sich?
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Auftauchen
Teen FictionIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...