Part 88

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Wir hatten letztlich eine richtig lange Runde gedreht und auf dem Heimweg alle ein bisschen erschossen die Zügel lang gelassen. Die Pferde, nicht weniger sandig als Pia und ich, waren zufrieden nebeneinanderher geschritten und Pia und ich hatten vergeblich versucht, den Dreck aus unseren Klamotten zu klopfen. Genauso erfolglos wie früher hatten wir versucht, den Beweis für unseren nicht ganz so gesitteten Galopp zu verschleiern. Nach der Rückkehr am Stall hatten wir die Pferde abgesattelt, abgespritzt und sich auf dem Longierplatz wälzen lassen.

„Ihr habt schon den schönsten Arbeitsplatz der Welt.", hatte Pia wehmütig geseufzt, als sie Lolos Boxentür verriegelt hatte und wir zu dritt den Stall Richtung Wohnhaus verlassen hatten.

„Meistens schon, ja.", hatte Paul ihr beigepflichtet und noch einen langen Blick über die Weiden geworfen. Ich hatte geschwiegen.

Nachdem Pia und ich geduscht hatten, machten wir es uns bei Paul gemütlich und guckten Sherlock Holmes. Ich mochte die Filme nicht, aber Pia hatte es vorgeschlagen und Paul war bekennender Sherlock Holmes Fan. Ich erhob keinen Widerspruch, allein schon deswegen, weil ich so müde war, dass in dem Moment, in dem wir uns zu dritt auf Pauls Bett setzten, meine Augenlider schwer wurden. Paul saß zwischen Pia und mir, eine Schüssel mit Chips und eine Packung Cookies auf seinen Beinen und während ich langsam gegen seine rechte Schulter sank, trank Pia genüsslich ein Radler. Von der Handlung bekam ich nicht viel mit, mir steckte die letzte Nacht viel zu sehr in den Knochen. Irgendwann, als ich mit einem heftigen Zucken aus dem Sekundenschlaf schreckte, reichte Paul mir einen Cookie rüber.

„Hilft Zucker, Kim?"

„Vielleicht." Ich setzte mich wieder gerade hin, rieb mir mit der freien Hand die Augen und knabberte danach den Keks langsam weg. So lange, wie ich auf etwas herumkauen konnte, schaffte ich es immerhin wachzubleiben. Danach jedoch gab ich den Widerstand auf und rollte mich wie eine Katze zusammen, meinen Rücken an Pauls Oberschenkel geschmiegt. „Ich mache einen Powernap, bis der Film durch ist, okay?" , nuschelte ich und ließ noch im gleichen Moment seine Augen zufallen.

„Ich wiederhole mich", hörte ich Pia sagen. „Kim ist nicht mehr konkurrenzfähig."

Paul lachte und legte mir beiläufig seine Hand an die Taille und seine Finger strichen immer wieder leicht über den Stoff meines T-Shirts. „Vielleicht nicht. Vielleicht muss sie mal bei dir ins Trainingslager."

„Ich hatte eine harte Nacht, okay?", brachte ich noch hervor, bevor ich wirklich in den Halbschlaf abglitt. Es war einfach zu gemütlich. Ich war satt, frisch geduscht und hundemüde, die anderen beiden folgten gebannt dem Film, ich hatte das Knuspern von Keksen und Chips im Ohr, zwischendurch wechselten Pia und Paul halblaut ein paar Worte, um mich nicht aufzuschrecken. Bei all dem lag Pauls Hand bestimmt zwanzig Minuten an meiner Seite. Als er sie irgendwann wegzog, fühlte sich die Haut an der Stelle, an der seine Finger eben noch gelegen hatten, fast unangenehm kalt an. Mit halbem Ohr lauschte ich einer Kampfszene, bevor ich mein Gesicht noch fester in Pauls Kissen drückte und tatsächlich einschlief.




„Im Ernst Pia, was gibt der dir?"

Ich wurde davon wach, dass Pia mit einem leisen Klirren ihre Flasche auf dem Boden abstellte. Es war ziemlich dunkel im Zimmer und der Film schien längst vorbei zu sein. Ich spürte immer noch Pauls Oberschenkel an meinem Rücken und hörte die gedämpften Stimmen von Pia und Paul.

„Das verstehst du nicht."

„Warum verstehe ich das nicht?"

„Weil Kim gerade mit deinem Oberschenkel kuschelt." Pia klang bitter, als sie das aussprach und ich spürte, wie dieser Satz meine Schläfrigkeit beiseite wischte. Eigentlich wollte ich mich aufrichten, meine Augen aufschlagen und Pia fragen, was sie damit meinte, aber Paul kam mir zuvor.

„Kontext, bitte."

Pia seufzte und ich hörte das Rascheln von Stoff, als sie sich aufrichtete. „Sie schläft, oder?"

Ich spürte, wie Paul seine Hand ausstreckte und sachte gegen meine Schulter stupste. „Tief und fest.", antwortete er, als ich mich nicht rührte. Es war die blanke Neugier, die mich dazu trieb, meine Augen geschlossen zu halten und betont ruhig weiter zu atmen. Gleichzeitig fühlte ich mich schlecht. Das war nicht nur wie Lauschen, das war nichts anderes als Lauschen.

„Also gut." Pia machte eine kurze Pause. „Du bist crazy in love mit Super-Kim. Seit wann eigentlich?"

„Kann ich dir nicht sagen. Schon eine Weile."

„Seit ein paar Monaten, einem Jahr, länger?"

Er seufzte und ich hörte an dem Geräusch, dass er sich mit der Hand über die Bartstoppeln am Kinn strich. „Pia, echt. Kann ich nicht so richtig sagen. Sie war in München- man hat nichts mehr von ihr gehört oder gesehen und ich habe sie wie blöd vermisst. Dann ruft sie an und erzählt mir, dass sie einen Typen am Start hat- und ich wusste echt nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich habe nur gehofft, dass es nicht hält. Was dann tatsächlich gelaufen ist, habe ich nicht geahnt. Mir tut es immer noch Leid, dass das Gesicht von dem Affen noch erkennbar ist."

„Paul!", sagte Pia scharf. „Nicht lustig. Der hat dich richtig verhauen und auch, wenn ich ihm prinzipiell gegönnt hätte, den ein oder anderen Zahn zu verlieren- ich bin froh, dass es nicht so gekommen ist. Der hätte dich anzeigen können, wenn er gewollt hätte." Sie seufzte. „Also, weiter im Text?"

„Als sie zurückgekommen ist, war es eine ganze Zeit wie früher mit ihr. Ich meine, sie hat sich null anmerken lassen, dass irgendwas passiert ist. Wir haben zusammen rumgehangen, irgendwann hat sie hier gepennt."

„Lief da was?"

„Was tut das zur Sache? Was hat das damit zu tun, dass ich angeblich nicht verstehen kann, was der Egomane dir gibt."

„Du bist doch wirklich niemand, dem ich erklären muss, was einem eine zweite Person im Bett geben kann."

Paul lachte leise. „Die verarschen mich aber nicht und ich bin auch nicht traurig, wenn die danach nach Hause gehen und nicht anrufen. Ich rufe die ja auch nicht an."

„Du hast Jenny angerufen."

„Jenny war ein Spezialfall.", sagte Paul und ich hörte, wie er tief Luft holte. Es war ihm unangenehm, das brauchte er nicht auszusprechen.

„Und jetzt kommen wir der Sache näher."



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Tja, welcher Sache kommen wir da näher?

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