Part 9

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Verschlafen planschte ich mit den Unterschenkeln im Wasser herum und wartete auf Nika, Simon und Paul. Ausnahmsweise hatten die beiden sich entschlossen, morgens mal mitzukommen.
„Ist es genauso kalt, wie letztes Mal?", hörte ich Nika besorgt fragen und ich drehte mich zu ihr um.
„Ich denke schon, ja."
„Huh." Skeptisch schaute sie aufs kühle Nass, machte dann zwei große Schritte und sprang mit einem Satz hinein. Prustend tauchte sie wieder auf, fluchte und schwamm zum Beckenrand. „Das ist scheußlich."
„Macht wach, nicht wahr?", fragte ich und gähnte herzhaft.
„Allerdings." Pauls Stimme erklang direkt hinter mir und ich drehte mich schnell um, funkelte ihn warnend an und schüttelte den Kopf.
„Schubs mich rein und wir haben Krieg."
Gleichgültig zuckte er mit den Schultern. „Das ist mir ein bisschen langweilig, weißt du?"
„Paul ist natürlich viel zu erwachsen für so etwas.", stichelte Simon. „Ich bitte dich, Kim, so etwas macht er nicht."
Paul verdrehte die Augen- zwischen den beiden würde sich niemals eine Freundschaft entwickeln und die gespielt scherzhaften Streitereien waren meistens ziemlich ernst gemeint.
„Ja, ja.", murmelte ich nur, als Simon sich neben mich setzte.
„Sage mal Kim, würdest du mein Pferd für mich reiten, während ich weg bin?", fragte er.
„Oh, sicher. Mache ich gern."
„Das tut ihm sicher gut, wenn du ihn eine Zeit lang übernimmst."
„Ganz sicher tut ihm das gut.", säuselte Paul. „Kim, dank dir wird Kalle endlich fliegen lernen- Simon tut sich so schwer damit."
„Seid nicht so fies zueinander.", rief Nika. „Kommt endlich rein- sonst verschrumpele ich, bevor ihr überhaupt richtig nass seid."
Seufzend ließ Paul sich ins Wasser gleiten, aber Simon blieb neben mir sitzen.
„Hast du heute keine Lust zu schwimmen?"
„Doch.", erwiderte ich und lächelte. „Ich muss mich nur noch ein bisschen überwinden."
Simon lachte, rutschte ins Wasser und blieb bei mir am Rand. „Komm schon, es ist nicht kälter als sonst."
„Hm."
Ich zuckte zusammen, als sich seine Hände unter Wasser um meine Fußgelenke schlossen.
„Komm schon."
„Gleich, ich bin einfach noch müde." Wie zur Bestätigung gähnte ich erneut und lächelte ihn entschuldigend an. „Schwimm doch auch schon eine Runde."
Er blieb, wo er war und sah mich herausfordernd an.
„Oh, bitte.", seufzte ich schließlich, biss die Zähne zusammen und schloss die Augen, als ich mich ins Wasser gleiten ließ.
Fröstelnd zog ich meine Bahnen und versuchte kurzzeitig Pauls Tempo mitzugehen, gab aber schnell auf. Obwohl ich mittlerweile wieder eher schwamm als planschte, konnte ich einfach nicht mehr wie früher mit ihm mithalten. Er schwamm mir davon und irgendwann musste ich es hinnehmen. Nika planschte herum, schwamm ein bisschen, pausierte dann am Rand und planschte weiter.
„Kein Wunder, dass Paul aussieht, wie er aussieht.", stellte Nika fest, als ich mich zu ihr gesellte. „Wenn der das jeden Morgen macht."
„Ich würde auch nicht so aussehen, wenn ich das jeden Morgen machen würde.", sagte ich lachend.
Sie lachte. „Ich glaube, diese Muskeln sehen auch nur an Paul gut aus. Oder Männern allgemein. Allerdings muss ich zugeben, dass auch an mir etwas mehr Muskelmasse anstelle von Speck besser aussähe."

Ich hatte bereits Seitenstiche, als mein Vater die Reithalle betrat und sich mit kritischem Blick in die Mitte stellte. „Direkt mal mehr vorwärts."
So gut ich irgendwie konnte, befolgte ich in den folgenden zwanzig Minuten seine Anweisungen und betete inständig, der Wallach möge endlich vernünftig nachgeben und den Rücken locker lassen.
„Bist du ihn in der letzten Zeit noch gesprungen?"
„Ein paar Gymnastikreihen, sonst nichts. Du meintest ja, ich solle..."
„Ihn bloß von der Hand bekommen." Er seufzte, eindeutig frustriert und baute einen In-Out auf. „Von links im Trab anreiten, halte ihn ruhig. Mal gucken, ob das hilft."
Meine Oberarme und Finger schmerzten, als ich abwendete und versuchte, Rasputin am Losschießen zu hindern. Mit enormem Kraftaufwand gelang es mir, ihn halbwegs kontrolliert hinzureiten und ich gab im Moment des Absprungs mindestens so erleichtert wie erschöpft nach.
„Okay. Nochmal."
Das klang zufriedener, als ich erwartet hatte. Ich atmete tief durch, wendete erneut ab, nur um noch im selben Augenblick zu spüren, wie Rasputin sich anspannte und sich mit jedem Schritt mehr aufheizte. Fünfzehn Meter vor dem Sprung riss er einfach den Kopf hoch, entzog sich den Hilfen und raste kopflos über die Hindernisse.
Mein Vater sagte nichts und ich realisierte erst, als ich ihn wieder zum Trab durchpariert hatte, dass ich auch locker mit dem Pferd im Aussprung der kleinen Kombination hätte liegen können. Wie betäubt schüttelte ich den Kopf und stellte Rasputin wieder durch, aber der knirschte nur giftig mit den Zähnen.
„Angaloppieren, Kim. Reite den vorwärts, Zirkel und ganze Bahn im Wechsel, Tempo variieren. Ich bau hier ein bisschen."
Obwohl er nicht laut wurde, wusste ich, wie wütend mein Vater war. Er hatte mir von dem Pferd abgeraten, die ganze Zeit, er versuchte mir zu helfen- und es funktionierte nicht.
Innerlich fluchte ich, als ich angaloppierte und Rasputin die Hilfe mit einem Bocksprung quittierte. Mit einem Auge schielte ich in die Hallenmitte, wo er eine Dreierreihe aufstellte. Ich versuchte, die aufkommende Nervosität wegzuatmen.
„Anreiten."
Vorsichtig wendete ich ab und hielt den Atem an, als Rasputin anzog, viel zu weit in die Kombination reinsprang, sich mit akrobatischem Geschick über den zweiten Sprung rettete und völlig irrsinnig mehr durch als über den Aussprung sprang.
„Sofort weitergaloppieren."
„Papa..."
„Weiterreiten."
Der Schweiß rann mir den Rücken herunter, während ich weitergaloppierte und darauf wartete, erneut anzureiten. Hoffnungsvoll drehte ich den Kopf, als das Hallentor quietschte, aber es war bloß meine Mutter- nicht jemand, der die Halle für sich hätte beanspruchen und damit die Stunde beenden können.
„Klappt es gut?", hörte ich sie fragen, aber ich wusste, dass nicht ich gemeint war. Mein Vater antwortete ihr leise und ich ahnte, dass die Antwort nicht allzu positiv ausfallen würde.
„Und nochmal."

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