Als es an meiner Tür einen lauten Knall gab, schoss ich senkrecht hoch, verhedderte mich dabei fast in meiner Decke und starrte mit vor Schreck klopfendem Herzen auf das dunkle Holz. Es klopfte nochmal, dieses Mal weniger laut und ich streckte meine Füße aus dem Bett, zog mir einen Pulli über den Kopf und huschte zur Tür. Es war nach Mitternacht und ich hatte schon vor zwei Stunden das Warten auf Paul aufgegeben. Entweder hatte Pia wirklich lange mit ihm geredet, oder er hatte danach noch eine ganze Weile darüber nachgedacht, was sie ihm gesagt hatte. Als ich die Tür öffnete und wirklich Paul vor mir stand, hätte ich vor Erleichterung fast meine Arme ausgestreckt und ihn umarmt. Fast. Als ich seine verschränkten Arme sah, die so viel Ablehnung ausdrückten wie nur irgend möglich, ließ ich es sein.
„Hey.", flüsterte ich stattdessen und trat zur Seite, damit er reinkommen konnte. Das letzte, was ich wollte, war das ganze Haus mit unserem Streit zu unterhalten. Wortlos ging Paul an mir vorbei, ging geradewegs zu meinem Küchenstuhl und setzte sich hin, ohne für eine Sekunde den Blick von mir zu nehmen. „Danke, dass du hier bist." Vor meinem Gespräch mit Pia hätte ich das nicht gesagt, aber sie hatte mir auf doch sehr eindringliche Art und Weise klargemacht, dass die Situation so heiß war, dass sie jedes bisschen Abkühlung brauchen würde. So, wie Paul vor mir saß und versuchte, mich in den Boden zu starren, hatte ich genauso wenig Zweifel daran, dass er aufgrund von Pias Anruf hier war wie daran, dass Deeskalation gerade ein Fremdwort für ihn war. Er war ein schwelender Vulkan- und ich hatte die Wahl, mich jetzt entweder einmal von einem Lavastrom verbrennen zu lassen oder den vorsichtigsten Eiertanz meines Lebens auszuführen. „Worüber willst du reden?", fragte ich, während er mich immer noch abschätzig musterte und erkannte binnen Sekunden, dass mein erster Schritt schon falsch gesetzt gewesen war.
„Ich will überhaupt nicht reden. Du willst reden und Pia will, dass wir reden." Er klang so genervt, als sei es die größte Zumutung, bei mir sein und mit mir reden zu müssen. Großartig. Ich fühlte mich wie ein ganz großartiger Depp.
„Willst du nicht...?"
„Egal was du fragen willst, nein, ich will nicht." Sein Bein zuckte unbeherrscht und er fuhr sich mit der Hand durch den Nacken, während er fast provokant die Augenbrauen hob. Wollte er eine Eskalation provozieren? War er so sauer, dass er nur darauf wartete, dass ich ihm einen Grund dafür gab, lautstark auf mich zu schimpfen?
Mit einem Mal fühlte ich mich in meinen Schlafshorts und dem weiten, gemütlichen Pullover unterlegen und verletzlich. Ich hätte gern eine Jeans gehabt, gekämmte Haare und einigermaßen sortiert ausgesehen, wie er. Nicht wie jemand, den er gerade aus dem Tiefschlag geklopft hatte und nun mit seiner Wut überfiel. Ich ließ seine Worte sacken und band derweil meine Haare zu einem nachlässigen Knoten, als würde dass das Ungleichgewicht aufheben und mir mehr Kontrolle verschaffen. „Okay." Die Chance würde nicht besser werden. Wenn ich sie haben wollte, würde ich sie jetzt nutzen müssen und die kreuzunglückliche Pia hatte mir am Telefon gezeigt, dass ich sie nutzen wollte. „Wenn du nicht reden willst, kannst du ja zuhören."
Er zuckte mit den Schultern und schnaubte und kratzte damit empfindlich an meiner Selbstbeherrschung.
„Ich habe einen Fehler gemacht, als ich über deinen Kopf hinweg entschieden habe, dass ich nach Renesse gehe. Das tut mir ehrlich Leid und das hätte ich so nicht machen dürfen. Es tut mir Leid, dass ich dir keine Zeit gegeben habe, darüber nachzudenken und dich vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Es tut mir Leid, wenn ich dir das Gefühl gegeben habe, dass du mir weniger bedeutest als ich dir oder das ich unsere Pläne vergessen habe. Das habe ich nicht. Ich stehe dazu und darauf kannst du dich verlassen." An der Stelle schnaubte er nochmal verächtlich und das kratzte weniger an der Selbstkontrolle, aber vielmehr an meinem Vertrauen zu ihm. Ich verstummte und sah ihn an und als er meinen Blick erwiderte, sah er kurz erschrocken aus.
DU LIEST GERADE
Auftauchen
Teen FictionIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...