Nach dem Gespräch raffte ich mich auf, schrieb Paul kurz, ob ich noch rumkommen könnte und klopfte wenige Minuten später, ohne seine Antwort abgewartet zu haben, an seiner Tür. Er öffnete sichtlich müde, lächelte aber, als er mich sah. „Na?"
„Selber na." Ich gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund und meine Innereien steppten unangemessen ausgelassen los. Das musste sich dringend legen. Ich widerstand dem Drang, ihn einfach weiter zu küssen, ging an ihm vorbei und warf mich ohne Umschweife auf sein Bett.
„Was hat dich denn besänftigt?", fragte er und schloss die Tür hinter mir.
„Mich musste niemand besänftigen. Ich habe mich nur über meinen Vater aufgeregt. Ist der dir auch auf die Nerven gefallen?"
Paul lachte. „Nein, eigentlich nicht. Ich soll lernen meinen Wecker zu stellen und wurde mit einem warnenden Blick niedergestarrt. Das war's. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er gepeilt hat, dass..." Er brach ab und lehnte sich mit einem vergnügten Schmunzeln gegen die Wand.
„Hat er.", sagte ich matt. „Ich soll auf mich aufpassen."
„Ups." Paul lächelte noch immer. „Und machst du das jetzt?"
„Auf mich aufpassen? In etwa so?" Ich konnte einfach nicht anders, als mich ein bisschen zu wohlig auszustrecken. Mein T-Shirt rutschte hoch und gab den Blick auf meinen nackten Bauch frei.
„So hat er das bestimmt gemeint.", sagte Paul trocken, während sein Blick an dem Stückchen Haut hängen blieb.
„Muss ich denn auf mich aufpassen?" Warum war ich eigentlich so provokant? Warum gingen erst gestern und heute direkt wieder die Pferde so dermaßen mit mir durch? Ich wollte mit ihm reden- über heute und über das kommende Wochenende, nicht mich ausziehen lassen.
Paul stieß sich von der Wand ab, kam rüber und ging vor seinem Bett in die Hocke. Er griff nach meiner Hand und zog mich hoch, so dass ich vor ihm zum Sitzen kam. Mein T-Shirt rutschte dabei von selbst wieder zurecht und ein Teil von mir war ziemlich enttäuscht. Der andere atmete beruhigt durch. „Du kannst gern auf dich aufpassen. Ich habe es nicht eilig. Heute Morgen war ich einfach noch nicht ganz da- ich wollte nicht quasseln und es offiziell machen."
Das glaubte ich ihm sofort. Man hatte ihm angesehen, wie unwohl er sich mit der Situation gefühlt hatte. „Hast du mit Pia gesprochen?", fragte ich, statt weiter darauf einzugehen, was er gesagt hatte.
„Ich habe mit ihr telefoniert, ja."
„Und du hast ihr von uns erzählt.", stellte ich schlicht fest und sah ihn aufmerksam an.
Er seufzte leise, schloss kurz die Augen und nickte.
„Was genau?" Meine Stimme klang eine Spur schärfer als ich beabsichtigt hatte.
Paul seufzte nochmal und schloss seine Finger fest um meine Hand. „Ich habe vom See erzählt."
„Und...noch was?"
„Sonst nichts." Ein aufrichtiger Blick aus seinen blauen Augen, ein angedeutetes Kopfschütteln. „Ich muss das gerade selbst erstmal sacken lassen."
„Gut." Ich kaute unschlüssig auf meiner Unterlippe herum, bis ich mich doch überwand. „Das geht außer uns einfach gerade niemanden was an."
„Aie Aie." Er kam mir ein Stück entgegen und küsste mich. „Ich halte mich zurück, versprochen." Er kam zu mir hoch aufs Bett und drehte sich über mich als ich mich rückwärts auf die Bettdecke fallen ließ. Seine Hand war noch immer mit meiner verknotet, während wir uns küssten. Mein Bauchkribbeln wurde schon fast schmerzhaft, als er sich nach einer Weile von mir löste. Ich spürte seine Lippen noch immer auf meinen nach. Ich hätte nicht sagen können, wie viel Zeit vergangen war. „Nur, damit wir auf dem gleichen Stand sind: Pia darf wissen, dass wir uns küssen? Mehr nicht und sonst sowieso keiner?"
So, wie er es sagte, klang es ein bisschen albern, trotzdem nickte ich zaghaft. „Wäre mir lieb, ja."
„Gut." Er seufzte und richtete sich schwerfällig auf. „Heißt, eigentlich darf niemand irgendetwas erfahren?" Er sah fast ein bisschen enttäuscht aus.
„Paul....Lass uns das langsam angehen."
„Das war mein Plan." Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und stand auf. „Zumindest bis gestern Abend. Da hast du mich kalt erwischt." Er lächelte wieder und ich atmete durch.
„Ich habe mit Pia über deinen Geburtstag gesprochen.", sagte ich dann und wusste selbst nicht, ob das Thema damit für mich schon abgeschlossen war oder nicht.
„Und jetzt willst du mir sagen, dass du nicht mit meiner Familie frühstücken willst." Er ächzte leise und stand auf. „Kim, ich will einfach nur mit meiner Familie und dir und Pia frühstücken. Das ist kein offizieller „Kim-ist-jetzt-meine-Freundin Termin". Meine Mutter freut sich halbtot darüber, dich und Pia endlich mal wieder zu Gesicht zu bekommen und sie gibt sich viel mehr Mühe mit dem Frühstück, wenn ihr beide auch dabei seid. Komm einfach mit und habe eine gute Zeit. Ich verspreche dir hoch und heilig, dich nicht vor aller Augen zu küssen." Er wirkte fast genervt, als er auf mich herabschaute.
„Danke.", sagte ich, während ich auf meine Fingerspitzen schaute und mich dumm fühlte.
„Julians Kommentar hat dich doch ganz schön beeindruckt."
„Schon, ja.", räumte ich ein und zuckte hilflos mit den Schultern. „Irgendwie ja."
Wortlos ging Paul zum Kühlschrank, holte eine Packung Eis aus dem Gefrierfach, nahm zwei Löffel aus der Besteckschublade und kam zurück zum Bett. „Schokoeis. Für deine Nerven." Er reichte mir einen der Löffel, setzte sich neben mich und löffelte das Eis direkt aus der Packung. Zaghaft tat ich es ihm nach. Er hatte das „und für meine Nerven" nicht ausgesprochen, was auch nicht nötig gewesen war. Dafür stand es ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Ich sah ihm an, dass das Thema für ihn durch war. Er war bedient und das ziemlich offensichtlich. Schuldbewusst wandte ich meinen Blick dem Eis zu.
„Hat Pia dir von Viktor erzählt?", fragte ich, um das Thema zu wechseln.
„Schöner Scheiß, oder? Weißt du, warum sie ihn nicht abschießt?" Paul nahm den Themenwechsel dankbar an.
„Weiß nicht, nein. Ich weiß nicht mal, wie lange das schon so richtig läuft mit den beiden."
„Es läuft ja offensichtlich nicht richtig." Paul verdrehte die Augen und stach den Löffel unnötig fest ins Eis. „Der ist vergeben, pennt dann mal eben tagelang bei und mit Pia und geht dann ohne schlechtes Gewissen zurück zu seiner Freundin. Vielleicht sollte mal jemand Pia sagen, dass sie auf sich aufpassen soll. Das wäre wenigstens begründet." Wachsam ließ ich meinen Löffel sinken und sah ihn an. Er war getroffener, als ich vermutet hatte und zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen, während er gleichzeitig allzu offensichtlich bemüht darum war, sich zu beruhigen. „Scheiß Typ."
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Auftauchen
Teen FictionIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...