Part 149

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Obwohl ich augenblicklich beteuerte, dass das einfach nicht stimmte und alles daran setzte deutlich zu machen, dass das auch gar nicht in Frage kam, hakte meine Mutter doch zweimal nach, bevor sie sich zufrieden gab und mich fragte, ob ich nicht Paul zum Abendessen einladen wolle- immerhin sei Lukas da und der Abend würde bestimmt ein bisschen länger werden. Ich zögerte kurz, weil ich befürchtete, das Lukas oder Felix das Renesse-Thema vor Paul auf den Tisch bringen könnten, aber ich rief ihn dann doch an und er versprach, nach einer Dusche noch hochzukommen. Bis dahin zog ich mich selbst um und half danach meiner Mutter mit der Zubereitung der Gemüsequiche, während Felix und Lukas im Wohnzimmer die Fotos von Lukas' neuer Wohnung anguckten. Ich hatte nur einen kurzen Blick darauf geworfen und beim Anblick der Empore unter dem Dachfenster hatte mich dann- Hitze im Sommer hin oder her- doch der Neid gepackt. Das Zimmer war, vorausgesetzt der Mitbewohner war zumindest erträglich, wirklich ein Glücksgriff.

„Sage mal, Kim", setzte meine Mutter an, als ich mich gerade mit Käse und Käsereibe kämpfte und sie mit einem gefährlich langen Messer Gemüse kleinschnitt. „das mit Renesse..."

„Ich will nicht nach Renesse!", sagte ich und ließ den Käse entsetzt sinken, weil ich wirklich gehofft hatte, sie hätte das Thema abgehakt. „Mama, höre auf."

„Ich weiß, wie schön es bei Benthe ist." Sie kaute sichtlich unschlüssig auf ihrer Unterlippe herum, während sie ihre Augenbrauen so fest zusammenzog, dass sich eine steile Stirnfalte bildete. „Weißt du denn, ob sie Hilfe braucht?"

„Nein, weiß ich nicht.", ächzte ich und fing halbherzig wieder mit dem Käsereiben an. „Ich will doch auch gar nicht weg."

Stumm bearbeitete sie den Staudensellerie und hätte sie dabei nicht verdächtig laut geschnauft, dann hätte ich für einen kurzen Moment gedacht, sie würde sich mit der Antwort zufrieden geben.

„Spätestens im Sommer müssen wir sowieso jemanden für dich einstellen, weißt du.", sagte sie und warf den Sellerie zum Andünsten mit dem übrigen Gemüse in einen großen Topf.

„Mama...."

„Ich will dir ja nur nicht im Weg stehen." Sie zerteilte die Champignons so schnell, dass ich Angst um ihre Finger bekam, zumal ich mir nicht sicher war, wie groß der Anteil ihrer Konzentration war, den sie auf das Messer gerichtet hatte.

„Ja, schön, aber...."

„Du sollst einfach tun, was dich glücklich macht."

„Ja, aber..." Egal, wie verzweifelt ich mit den Händen ruderte, ich kam einfach nicht dazwischen.

„Ich habe dich in eine Richtung gedrängt, die..."

„Was hast du?" Mir wurde wirklich unangenehm heiß, während ich auf ihre Finger schaute.

„...die nicht die richtige für dich ist. Einfach nur, weil du so unfassbar gut warst und..."

„Das stimmt doch gar nicht." Es gab zwei Dinge, die ich meiner Mutter wirklich nicht vorwarf: mich zu irgendetwas gedrängt zu haben und mich bei der Erreichung meiner Ziele nicht genug unterstützt zu haben. Aber so heftig ich meinen Kopf auch schüttelte, es blieb unbemerkt.

„...und du musst das jetzt ausbaden und dein Abi nachholen und München ist passiert und..."

„Was kannst du denn jetzt für München?" Ich legte den Käse zur Seite, aber sie sagte nichts, während sie die Pilze zum Sellerie kippte und mit einer mir unheimlichen Energie die frische Petersilie kleinhackte. „Mama?" Mühsam schluckte ich das Pass auf deine Finger auf herunter.

„Ich war nicht da. Ich habe dich gehen lassen." Sie starrte starr an mir vorbei und dennoch war ich mir sicher, dass sie auch die Petersilie nicht richtig sah.

„Ich wollte ja auch gehen."

„Ich habe einfach..." Sie presste die Lippen aufeinander und ich spürte, wie heftig sie mit sich rang. „Du warst immer so laut und stark und eigenwillig und...ich musste mich einfach nie um dich kümmern. Ich habe einfach nicht hingeguckt und dann warst du groß und dann in München und dann..."

Nervös sah ich in die Küche und hoffte inständig, dass Paul noch ein bisschen brauchte. Ich hatte keine Ahnung, was gerade in ihrem Kopf ablief.

„Mama...", versuchte ich es nochmal und endlich ließ sie das Messer sinken und holte Luft. „Mir geht es gut." , sagte ich leise, aber bestimmt. „ Ich weiß, was ich will und ich werde das schon hinkriegen. Habe ein bisschen Vertrauen in mich." Wenn sogar ich das wiederfand, dann sollte ihr das doch auch gelingen.

Sie nickte fast in Zeitlupe und nahm das Hacken der Petersilie deutlich ruhiger wieder auf.

Misstrauisch beäugte ich sie, während auch ich wieder nach der Käsereibe griff und nahm am Rande wahr, dass es an der Wohnungstür klingelte. Das musste Paul sein. Ich hörte, wie Lukas aus seinem Zimmer kam, um die Tür aufzumachen und warf noch einen beunruhigten Blick auf meine Mutter, die meinen Blick auffing.

„Mache einfach mal eine Zeit lang worauf du Lust hast, Kimmi.", sagte sie sehr leise und lächelte angestrengt, aber ehrlich. „Und wenn ich an deiner Stelle wäre- ich würde morgen früh Benthe anrufen."


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Kleiner Snack III, um unser aller Wochenende zu komplettieren.

Die liebe Sina scheint da doch das ein oder andere zu bedauern. Ich mag sie ja, auch wenn ihr Kopf wirklich, wirklich anstrengend ist.


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