„Was soll ich denn dazu sagen, hm?", fragte Paul und sah mir schließlich doch in die Augen. „War dumm, ist passiert, passiert nicht wieder. Beim nächsten Mal lasse ich ihn ungehindert über dich herziehen." Damit warf er sich das Handtuch über die Schultern und suchte in seiner Tasche nach seiner Wasserflasche.
„Du kannst nicht einfach losgehen und Leute schlagen!"
Er verharrte kurz in der Bewegung, dann lächelte er mich spöttisch an. „Ja...passt gut zu mir, oder? Schlampe und Schläger in einem."
Das saß. „Ich habe nie gesagt, dass..."
„Doch, hast du." Er zuckte mit den Schultern und setzte sich im Schneidersitz hin. Dabei sah er mich unbeirrt an.
„Ich wollte das so nicht sagen, okay? Das war ein..."
„Missverständnis?", nahm er mir vorweg. „Sicher."
Hilflos ließ ich mich auf meinem eigenen Handtuch nieder. „Was soll ich machen?"
„Was ist das für eine Frage?"
„Was soll ich machen, damit du mir glaubst, dass ich das nicht so gemeint habe?"
„Lass gut sein, Kim.", sagte er und schüttelte leicht den Kopf. Sein Blick ging zum Wasser. Nika, Simon und Felix kamen langsam auf uns zu. Mir war klar, dass das Gespräch damit beendet war. Egal, ob ich darum bitten würde oder nicht, er würde kaum mit mir außer Hörweite der anderen gehen und reden. Dazu war er viel zu verletzt- und ich hatte keinen Plan, wie und ob ich ihn dazu bringen sollte, mir zuzuhören. Es tat mir Leid. Dieser Spruch, den ich ihm nach unserem Kuss gedrückt hatte, hatte nichts mit ihm zu tun gehabt. Ich hatte keine Antwort auf seine Frage gehabt und statt das zuzugeben, hatte ich geredet, ohne nachzudenken. Schweigend legte ich mein Kinn auf meinen Knien ab und wartete, bis die anderen bei uns ankamen.
Simon bemühte sich in den nächsten Stunden wirklich, mich aufzumuntern. Bis Paul irgendwann mit Felix ein bisschen abseits ging, um den Volleyball herumzukicken, hatte er geschickt ausgeklammert, dass Paul und ich kein Wort miteinander sprachen. Dann jedoch nickte er kaum merklich zu den beiden herüber.
„Was ist da los?"
„Zwischen Paul und Felix?", fragte ich sarkastisch.
„Genau das meine ich."
Als ob ich ihm das erzählen würde. Auch, wenn Simon echt in Ordnung war- ich sah richtig, wie Nika neben ihm die Ohren spitzte.
„Wir haben Streit, wie man sieht.", sagte ich deswegen nur und bemühte mich um ein neutrales Gesicht.
„Und du hast ihm auch das Gesicht zerkratzt, was?", scherzte Simon, der sich von meinen einsilbigen Antworten weder aus der Ruhe bringen noch sich abschütteln ließ.
„So ähnlich." Ohne mich hätte er sich schließlich kaum mit Thomas geschlagen.
Nika, die bis dahin zumindest so getan hätte, als höre sie nicht hin, setzte sich auf und starrte mich mit unverhohlener Neugier an. „Echt jetzt?"
Simon lachte nur. „Dein Ernst, Nika?"
„Was ist denn passiert? Alle fragen sich das.", verteidigte sie sich.
„Vielleicht geht es alle trotzdem nichts an." Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es Paul recht gewesen wäre, wenn alle gewusst hätten, weswegen er auf Thomas Provokation eingestiegen wäre. Und mir war ganz sicher nicht recht, dass alle erfuhren, was zwischen Thomas und mir gelaufen war, dass es Thomas überhaupt gab. „Wieso seid ihr überhaupt zusammen hier?", fragte ich, um das Thema zu wechseln. „Ich dachte..."
„Du dachtest, ich mag Paul nicht?", Simon grinste. „Tue ich auch nicht, aber er sah so aus, als könnte er Ablenkung vertragen. Ich meine, er hat Blutergüsse im Gesicht, er spricht kaum. Zum einen macht ihn das erträglicher für mich, zum anderen hätte ich es irgendwie unkollegial gefunden, ihn nicht zu fragen." Bei den letzten Worten war Simon ernster geworden und ich nahm ihm ab, dass er wirklich sowas wie Mitgefühl mit Paul hatte.
Unkollegial. Ich fragte mich, ob meine Kollegen in München sich manchmal gefragt hatten, ob ihr Verhalten unkollegial war. Vermutlich nicht besonders oft. „Finde ich gut von dir.", sagte ich zu ihm.
„Finde ich selbstverständlich von mir." Simon zuckte mit den Schultern. „Außerdem kann Nika ihn dann anschmachten."
„Halt die Klappe.", sagte die trocken und schob ihre Sonnenbrille auf ihrer Nase weiter nach oben.
Simon versuchte noch eine Weile, aus mir herauszubekommen, was denn nun zwischen Paul und mir passiert war, aber irgendwann gab er auf. Stattdessen schwammen wir zu dritt noch eine Runde und ließen uns danach von der Sonne trocknen, die langsam etwas weniger kräftig auf uns herabbrannte. Nika und Simon überlegten eine gute Stunde später, dass sie solchen Hunger hatten, dass sie nach Hause fahren wollten. „Außerdem bin ich verbrannt genug.", stellte Nika fest und drückte mit unglücklichem Gesicht gegen ihre rote Schulter. „Shit."
„Paul? Fährst du mit?", fragte Simon, während er aufstand und anfing, sein Handtuch zusammenzurollen.
„Ich schwimme noch eine Runde, ihr braucht nicht warten.", sagte der knapp und stand, wie um seine Absicht zu untermauern, auf und ging nochmal zum Wasser. Ich sah ihm nachdenklich hinterher.
„Können wir auch los, Kim?", fragte Felix. Er wollte noch Hausaufgaben machen und wahrscheinlich hing ihm der Magen ebenso in den Kniekehlen wie den anderen beiden.
„Wäre es okay für dich, wenn du mit den anderen mitfährst?", fragte ich. „Ich würde auch nochmal ins Wasser gehen." Nicht, dass ich wirklich nochmal ins Wasser gehen wollte. Ich wollte einfach mit Paul reden, ohne dass jemand anders zuhören oder zuschauen konnte. Zumindest wollte ich es versuchen. Ich war mir nicht sicher, ob er zuhören würde, aber ich musste ihm einfach sagen, dass ich ihn nicht hatte verletzen wollen, weder mit dem Kuss, noch mit dem Spruch.
Simon zwinkerte mir zu. „Wir nehmen dich mit, Felix."
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Schönen Ostermontag an alle!
Ob Kim das heil übersteht? ⚡⚡⚡
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Auftauchen
Teen FictionIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...