Part 15

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Als ich in meinem Bett lag, drückte ich mein Gesicht ins Kissen und weinte. Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich konnte nicht glauben, dass Paul mir nichts erzählt hatte- und ich verstand es auch nicht. Er hatte so viel Zeit und so viele Gelegenheiten gehabt, mir zu erzählen, was damals passiert war und was bitte hatte ihn davon abgehalten? Er war nicht derjenige, der einen Korb kassiert, der ihm hätte peinlich sein können. Und selbst wenn er sich deswegen schuldig gefühlt hatte- in drei Jahren kein Wort darüber zu verlieren, dass er eine vage Ahnung hatte, weswegen Pia sich nicht meldete, dass ging mir nicht in den Kopf. Stattdessen hatte er geschwiegen und hingenommen, dass ich fieberhaft nach einem Grund dafür suchte, dass Pia sich so gar nicht bei uns meldete. Ob Lukas das gewusst hatte? Ob er das gemeint hatte, als er gesagt hatte, dass es ihm nicht zustand, über den Streit mit Paul zu reden, weil der selbst mit mir sprechen sollte? Ich fühlte mich so allein wie lange nicht mehr, während ich nach meinem Handy griff und Lukas schrieb: „Du wusstest von dem Ding zwischen Pia und Paul, oder? Danke für nichts."
Wütend legte ich es zur Seite, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und drehte mich auf die Seite. Ob Paul deswegen so abgestürzt war, als wir Pia damals auf dem Turnier getroffen hatten? Hatte er gedacht, dass sie nach all der Zeit noch immer einen Groll auf ihn hegen würde? Oder hatte er sich schuldig gefühlt, weil sie sich wegen seiner Abfuhr nie bei ihren Freunden hatte melden können? Wie ich es auch drehte und wendete- ich verstand es einfach nicht. Schlaflos malte ich mit meinen Fingern Kreise auf mein Bettlaken, während in meinem Kopf noch immer tausend Gedanken durcheinanderwirbelten. Pia. Ich wollte Pia anrufen und mit ihr reden. Ich wollte wissen, ob Paul die Wahrheit sagte und ob sie sich wirklich deswegen nie bei mir gemeldet hatte, ob sie wirklich deswegen vor wenigen Monaten noch vor mir weggelaufen war. Wieder griff ich nach meinem Handy, um Paul zu schreiben, er solle mir gefälligst Pias Nummer geben, doch als ich sah, dass er noch online war, verwarf ich die Idee. Schei.ße. Vermutlich schrieb er ihr gerade, dass ich ausgerastet war, vermutlich fand er es lächerlich. Der Gedanke, dass die beiden gerade darüber sprechen könnten, traf mich fast mehr als die Tatsache, dass Paul mich die ganze Zeit belogen hatte.




Als ich am nächsten Morgen aufwachte, waren meine Augen ziemlich rot und nicht minder geschwollen. Meine Muskeln schmerzten von den Stunden auf der Fensterbank und mir war latent schwindelig und schlecht. Wahrscheinlich, weil ich kaum drei Stunden geschlafen hatte. Erst noch kam mir der gestrige Abend wie ein extrem schlechter Alptraum vor, als ich dann aber auf mein Handy schaute und drei verpasste Anrufe von Paul und die Antwort von Lukas sah, wurde mir wirklich bewusst, dass es kein plötzliches Aufwachen, kein Übergehen zur Normalität geben würde.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, was du meinst, aber gern geschehen. Im Ernst, was ist los?"
„Kurzfassung: Paul hat Pia einen Korb gegeben, bevor ihre Mutter gestorben ist. Fällt dir dazu was ein?" Wahrscheinlich fiel ihm eine ganze Menge ein, aber obwohl er die Nachricht las, antwortete Lukas einfach nicht. Als mein Handy in meiner Hand zu vibrieren begann, als Paul zum vierten Mal versuchte mich anzurufen, schaltete ich es aus und ging duschen.




Mir fielen beinahe die Augen zu, während ich Lolo sattelte. Schon während des Putzens hatte der Braune entspannt gedöst und nur ab und ab mit seiner herunterhängenden Unterlippe gezuckt. Normalerweise hätte ich darüber meine Späße gemacht, aber ich fühlte mich zu mies. Wenn ich gekonnt hätte, ich hätte das Reiten noch einen weiteren Tag hinausgezögert, schlicht, weil ich mich nicht danach fühlte. Ich wollte Paul nicht sehen, ich wollte meine Eltern nicht sehen. Genau genommen wollte ich niemanden sehen. Das alles änderte nichts daran, dass ich meiner Mutter wenige Tage zuvor versprochen hatte, wenigstens Lolo und Milano schon am Wochenende wieder zu reiten. Dass ich Paul absolut nicht sehen wollte, wäre wohl für sie kein Grund gewesen, mir das Wochenende über freizugeben. Deswegen hatte ich bis zum Mittag abgewartet. Ich wusste, dass Pauls Prüfung, die er mit Rasputin genannt hatte, in wenigen Minuten beginnen sollte und wenn mein Zeitplan aufging, dann sollte er erst zurückkommen, wenn ich mit dem Reiten fertig und schon auf dem Weg ins Haus wäre. Mein Handy hatte ich seit dem Morgen nicht mehr angemacht und ich war erleichtert, dass Paul wenigstens nicht an meine Tür geklopft hatte, bevor er hatte fahren müssen. Eigentlich hatte ich ihm versprochen als Unterstützung mitzufahren, aber die Aussicht darauf, auf der Hin- und Rückfahrt eine knappe Stunde mit ihm im Auto verbringen zu müssen, hatte mich so gequält, dass ich mich stattdessen lieber totgestellt hatte. Ein kleiner Teil von mir, der Paul nicht ganz so böse war wie der überwältigende Rest, hoffte, dass schnell jemand anders eingesprungen hatte. Unprofessionell, ging es mir durch den Kopf.
„Na komm.", sagte ich, schnalzte mit der Zunge und Lolo folgte mir gemächlich zur Reithalle. Simon ließ Kalle gerade austraben, als ich hereinkam.
„Kim wieder zu Pferde.", rief er mir zu und lächelte. „Dass man das noch erleben darf."
„Tja, es gibt eben doch noch Wunder.", erwiderte ich matt und zog mich wenig elegant auf Lolos Rücken.
„Ehrlich, wie geht es dir?" Simon parierte zum Schritt durch und ritt neben mir Schritt.
„Hab' ein bisschen schlecht geschlafen, sonst alles gut. Bei dir so?"
Kritisch beäugte Simon mich. „Jaaa, du siehst auch so aus, als wäre da mit Schlaf nicht so viel gewesen."
Ich seufzte. Simon war charmant wie immer. Immerhin deutete er mein Schweigen richtig und ließ mich mit der nervigen Frage nach dem Warum in Ruhe. Stattdessen erzählte er von Nika, die immer noch sauer sei, weil Paul sie abserviert habe. Gequält biss ich mir auf die Unterlippe und kontrollierte meinen Sitz unnötig lange im Spiegel der Reithalle. Nika befand sich schließlich in bester Gesellschaft.
„Liegt da der Hase im Pfeffer?", fragte Simon, als ich nichts erwiderte und stattdessen nur genervt brummte. „Hast du Zoff mit Paul?"
„So würde ich es nicht nennen.", erwiderte ich, nahm langsam die Zügel auf und ließ Lolo mehr vorwärts gehen. Ich wollte es eigentlich überhaupt nicht mit Simon thematisieren. „Hat er dich auch abserviert?", scherzte Simon und hob im nächsten Moment schon beschwichtigend die Hand. „Sorry, ich weiß, nur Freunde, alles gut."
Genervt verzog ich mein Gesicht, Simon verstand und ließ mich in Ruhe. Als er die Halle verließ, trabte ich an und atmete zum ersten Mal seit dem gestrigen Abend wirklich tief durch. Lolo machte es mir in der nächsten halben Stunde so leicht, mich zumindest ansatzweise normal zu fühlen. Er schnaubte zufrieden, während ich ihn am halblangen Zügel traben und galoppieren ließ, er ließ den Hals fallen und war ganz der Musterschüler. Als ich ihn irgendwann im Galopp aufnahm, mich hinsetzte und die Länge der Galoppsprünge variierte, war er so eifrig bei der Sache, dass ich aufpassen musste, dass er mir die Hilfen nicht vorwegnahm. „Streber.", murmelte ich, lobte ihn aber ausgiebig, nachdem er wieder auf mich wartete. Wie ich mit so einem bemühten und rittigen Pferd bisher eine so schlechte Saison hatte reiten können war mir ein Rätsel. Der Gedanke an die anstehenden Turniere machte das ungute Gefühl in meinem Magen auch nicht besser. Am liebsten hätte ich mich für den Rest des Jahres zuhause vergraben, Prüfungen Prüfungen sein lassen und im nächsten Jahr frisch angefangen, aber musste diesen Wunsch im Juni nicht aussprechen, um zu wissen, dass ich auf wenig Verständnis und Entgegenkommen hoffen konnte.

Als ich mit beidenPferden fertig war und mich gerade auf den Weg ins Haus machen wollte, kam Paulmir mit Rasputin an der Hand auf der Stallgasse entgegen. So viel zu meinemausgeklügelten Zeitplan.

„Hey.", sagte er und blieb mit dem Wallach an der Hand stehen.
„Lass gut sein." Ich versuchte, eilig an ihm vorbeizugehen, aber Paul stelltesich mir ziemlich geschickt mit Rasputin in den Weg. Ich funkelte ihn wütendan, aber er blieb wo er war.
„Können wir bitte darüber sprechen?" Er sah mich flehentlich an. „Ich habe..."
„Hast du Lukas davon erzählt?", fuhr ich ihn an und verschränkte die Arme vorder Brust.
„Wie kommst du denn darauf?", fragte er zurück und sah mit einem Mal extremwachsam aus.
„Also ja?"
Paul stöhnte leise und legte eine Hand in den Nacken. Schließlich nickte erlangsam. „Schon irgendwie, aber das...ist kompliziert."
„Hast du dich jetzt auch noch mit meinem Bruder gegen mich verbündet?", zischteich und hätte ihn am liebsten weggestoßen. Ich konnte nicht begreifen, wasgerade passierte.
„Niemand hat sich gegen dich verbündet, wie kommst du auf so einen Mist? Lukashat doch mit der ganzen Sache nicht mal was zu tun."
„Und wieso redest du dann mit ihm darüber?"
Paul ließ die Schultern sinken und wirkte dabei so unglücklich, dass er mirbeinahe leidgetan hätte. „Können wir bitte in Ruhe darüber sprechen? Nichthier, sondern später und woanders?" Wollte ich das?
„Ich will vorher mit Pia reden."
„Wieso das denn?"
Ich lachte spöttisch. „Ehrlich? Ich würde gern mal die ganze Geschichte hörenund du bist ja offensichtlich keine zuverlässige Quelle. Schicke mir einfachihre Nummer." Damit drängte ich mich an ihm vorbei.
„Kim, bitte!", rief er mir nach.
„Lass gut sein, Paul!"
Mein Vater, der just in diesem Moment in die Stallgasse kam, warf mir einenverwunderten Blick zu.
„Frage nicht!", fauchte ich und stapfte an ihm vorbei nach draußen.

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