Part 65

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Während Paul nach dem Spülen das Geschirr wieder wegräumte, bewachte ich den Wasserkocher. Draußen regnete es unvermindert stark, der Wind rauschte durch die Bäume und ein entferntes Grummeln kündigte das aufziehendes Gewitter an. Trotz des geschlossenen Fensters roch es nach Sommerregen und nassem Stein. Ich fühlte mich entspannt und ein bisschen träge und war nur zu gern auf Pauls Vorschlag, noch einen Film zu gucken, eingegangen. Wir hatten das ewig nicht mehr gemacht. Zufrieden atmete ich ein, als ich den Tee aufgoss und der Geruch nach dem Zitronen-Ingwer Tee in meine Nase stieg. Ich hätte mir beim Einkaufen eine Packung davon mitnehmen sollen, dachte ich und trug die beiden Tassen zur Fensterbank. Ohne auf Pauls Aufforderung zu warten, baute ich sein Sofa zum Bett um.



„Jetzt wirst du aber übermütig.", kommentierte Paul trocken und hängte das Geschirrtuch an die Backofenklappe.

„Weil ich es gemütlich haben will?"

„Immer diese vorgeschobenen Argumente." Er kam lächelnd zu mir herüber und zog den Laptop aus dem Regal.

„Wer hat das mit dem Film gucken vorgeschlagen? Manche würden sagen, dass das ein Codewort ist."

„Es ist ja auch ein Codewort."

„Ah...und die verborgene Nachricht lautet wie?", Ich zog breit grinsend die Augenbrauen hoch und reckte das Kinn. „Sprich dich aus, Paul."

„Liebe Kim, ich bin vollgefressen. Lass uns einen gemütlichen Abend bei gemütlichem Wetter haben." Er schmunzelte und ließ sich mit dem Laptop im Arm rückwärts aufs Bett fallen. „Außerdem", fügte er hinzu. „ist mir Blitz der schwarze Hengst auf den Fuß getreten- ich muss dringend umsorgt werden."

„Das hättest du nie gesagt, wenn ich dich vorhin nicht geküsst hätte."

„Stimmt." Er schloss die Augen und streckte sich wohlig aus. „Wenn du mich gestern nicht geküsst hättest, wärst du übrigens auch nicht hier."

„Das habe ich geahnt.", murmelte ich, kletterte neben Paul aufs Bett, klappte den Laptop auf und schaltete ihn an.



Wir entschieden uns schließlich für eine Runde Vikings und Paul ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wie das Codewort zu verstehen gewesen war. Er rollte sich in eine Wolldecke ein, überließ mir die zweite, platzierte den Laptop auf seinen Beinen und verschränkte die Arme vor der Brust, seine Teetasse in der rechten Hand.

„Hast du Angst vor mir?", fragte ich amüsiert und machte es mir neben ihm bequem. Heißer Tee als vorderste Verteidigungslinie? Mich überraschte sein Verhalten wirklich. Ich hatte jedenfalls nicht erwartet, dass er mich mit Decken, Technik und Tee auf Abstand halten würde. Andererseits- ich spürte das schlechte Gewissen an mir nagen- hatte er vielleicht meinen Spruch mit den Definitionen noch im Gedächtnis. Ich jedenfalls hatte ihn nicht vergessen und rollte mich brav neben ihm ein, während wir Ragnar bei seinen Beutefahrten nach England zusahen.

Erst als er bei der nächsten Folge seine leere Teetasse neben dem Bett auf den Boden stellte, rutschte ich näher an ihn heran und lehnte mein Gesicht langsam gegen seinen Oberarm. „Pauli...", murmelte ich. Mehr musste ich nicht sagen, damit er sich ergab. Er hob seinen Arm, legte ihn um meine Schultern und ich ließ meinen Kopf auf seine Brust sinken. Seufzend vergrub ich meine Nase im Stoff seines T-Shirts und ich spürte, dass er stumm lachte. „Was denn?", fragte ich und lächelte, als er mir eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn strich.

„Du bist eine Überraschung, das ist alles."

„Hmhm..." Ich schmiegte meinen Nacken fest gegen ihn und sah dabei hoch zu ihm. „Eine gute?"

„Auf der Suche nach Bestätigung, hm?" Vorsichtig stupste er mit seinem Finger gegen meine verbrannte Nasenspitze. „Eine sehr gute Überraschung mit einer sehr roten Nase.", sagte er dann leise und seine Augen lächelten so warm mit, dass mein Bauch fast schmerzhaft anfing zu kribbeln. Verdammt...Ich schloss die Augen, bevor mir die Tränen kommen konnten und vergrub mein Gesicht vorsichtshalber wieder in seinem T-Shirt. Er hatte mich echt. Das hatte ich schon gestern am See gewusst, als ich in seine Augen geschaut hatte. Er war so offensichtlich im Reinen mit sich und der Situation, damit, dass seine Finger durch meine Haare strichen, damit, dass ich mein Gesicht an seine Brust schmiegte.

„Bist du abgetaucht, hm?", flüstert er belustigt, als ich keine Anstalten machte, mein Gesicht wieder dem Laptop zuzuwenden.

Ich brummelte nur undefinierbar und wartete, bis ich sicher war, keine Tränen der Rührung vergießen zu müssen, ehe ich meine Augen wieder aufmachte. 


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Na klasse. Corona und die Isolation haben Kim verweichlicht. Noch mehr FFE. Bis es euch zu den Ohren wieder rauskommt 

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