Lukas zog wenig überzeugt seine linke Augenbraue hoch und legte den Kopf schief. „Ich weiß nicht. Meinst du nicht, dass Paul dir das gönnen würde?"
„Das hat nichts mit gönnen zu tun.", erwiderte ich und schüttelte heftig den Kopf. „Klar würde er mir das gönnen. Aber..." Ich verstummte, als die Wohnungstür aufging und Felix wenige Momente später hineinkam. Die genauen Gründe dafür, dass ich Paul ungern hier alleine lassen wollte, wollte ich nicht vor meinem kleinen Bruder bereden. Ganz sicher wollte ich vor ihm nicht auf den Tisch packen, dass mich auch der Gedanke daran, dass Paul monatelang alleine auf Turnieren herumgondeln würde, ungefähr so nervös werden ließ wie einsame rote Herzen in seinem Chatverlauf.
„Zwerg!" Lukas hob die Hand und Felix, sichtlich verfroren, ebenso wie ich in Reithose und mit von der Kälte roten Wangen, schlug ein. Er warf mir einen beleidigten Blick zu, als er die leere Fruchtgummitüte sah und ich hob entschuldigend die Schultern.
„Im Schrank ist bestimmt noch was."
Kommentarlos stapfte er an uns vorbei in die Küche und Lukas und ich grinsten beide stumm, während wir dem Geraschel lauschten, bis Felix zufrieden mit Lakritzschnecken zurückkam und sich schwungvoll zwischen uns fallen ließ, wobei er meinen Fuß unter sich begrub.
„Au." Ich versuchte, meinen Fuß zu retten, aber Felix verlagerte nur sein Gewicht darauf und sah mich ungerührt an.
„Wie geht's Lukas?", fragte er, knibbelte den Anfang der Schnecke auf und zog sie fast demonstrativ langsam mit den Zähnen auf. Mein Fuß starb derweil unter seinem Oberschenkelknochen.
„Kann nicht klagen." Grinsend verfolgte Lukas den Machtkampf zwischen Felix und mir und ich stöhnte frustriert auf, als Felix weiterhin keine Anstalten machte, meinen Fuß freizugeben.
„Hast du keine Hausaufgaben, Felix?", stichelte ich und wackelte heftig den Zehen.
„Schon fertig.", sagte er gelassen. „Willst du mich loswerden?"
„Ich glaube, sie will mir erzählen, warum sie keine Fernbeziehung führen möchte.", sagte Lukas. „Und dabei stören deine fünfzig Kilo auf ihrem Knöchel."
Nicht nur seine fünfzig Kilo, besonders seine Ohren, dachte ich im Stillen.
„Aha." Felix zog die Stirn kraus ohne sich zu rühren. „Wo geht Paul hin?"
„Paul geht nirgendwo hin."
„Du gehst weg?" Betont gleichmütig und ohne mich anzusehen biss er den abgewickelten Lakritzstrang ab.
„Nein." Entnervt sah ich Lukas an und verdrehte die Augen. „So entstehen übrigens Gerüchte."
„Und was ist dran an dem Gerücht?", hakte Felix nach und schenkte mir zumindest einen flüchtigen Seitenblick.
Ich stöhnte auf, weil Felix, der in letzter Zeit so betont cool und unbeeindruckt war, unter eben dieser Maske ein sorgenvolles Glitzern in den Augen hatte. Ich hatte vergessen, wie anstrengend es sein konnte, dreizehn Jahre alt und durch und durch erwachsen und unabhängig zu sein. Haha. „Gar nichts, Zwerg."
„Kim hat Meerweh.", warf Lukas ein und grinste unverschämt.
„Kim wird sauer.", erwiderte ich und wackelte nochmal mit meinen Zehen. Statt darauf zu reagieren, starrte Felix mich mit offenem Mund an.
„Du gehst nach Renesse? Was willst du denn ausgerechnet da? Alter, Paul wird ausrasten!"
„Niemand wird ausrasten, weil ich nirgendwohin gehe, Alter." Mit einem kräftigen Ruck befreite ich meinen Fuß, der schmerzhaft kribbelte. Felix hatte seinen Mund noch immer nicht zugeklappt.
Er kam nicht dazu zu antworten, weil meine Mutter reinkam und schon dazu ansetzte, sich darüber aufzuregen, dass Felix und ich mit Reitsachen auf dem Sofa saßen.
„Kim geht nach Renesse.", würgte Felix sie gekonnt in Sekundenschnelle ab und hätte er nicht mich für diesen Zweck genutzt, ich hätte ihm zu diesem gekonnten Manöver gratuliert.
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Ich liebe Felix. 😎 Felix ist einfach Gold.
Sorry, dass es nur ein weiteres Häppchen ist, ich musste gestern einfach mal einen Tag lang Kaffee trinken und nichts tun. Das war unbezahlbar.
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Auftauchen
Teen FictionIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...