Part 21

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Paul war keine fünf Minuten nach mir in der Halle aufgetaucht, aber wir hatten beide schweigsam die Pferde aufgewärmt und ich war fast erleichtert, als meine Mutter in die Halle kam.

„Bist du wieder fit, Paul?", rief sie ihm zu, während er Fia locker auf dem Zirkel galoppieren ließ.

„Ja, ich habe mir den Magen verdorben. Blöd, aber da war nix zu machen."

„Passiert." Sie lächelte ihm aufmunternd zu und fing anschließend an, die Sprünge umzubauen. Ich nahm die einfachen Linien, die sie uns zu Beginn reiten ließ, dankbar an. Es war das erste Mal, dass ich nach meinem Unfall mit Donni überhaupt wieder sprang und auch, wenn mein Sturz nichts mit dem Springen zu tun gehabt hatte, war ich doch froh, erstmal wieder ein Gefühl für Lolo und die Sprünge entwickeln zu können. Je öfter ich die Sprünge richtig traf, desto sicherer und selbstverständlicher fühlte es sich an. Trotzdem- ich ritt bewusst weitere Linien, machte lieber einen Galoppsprung mehr und saß mehr am Pferd, als ich es sonst getan hätte. Es musste meiner Mutter auffallen, aber sie ließ es unkommentiert. Zwischendurch sah ich Paul zu und versuchte irgendetwas in seinem Gesicht zu lesen, dass mir hätte Aufschluss darüber geben können, was er dachte, aber er drehte scheinbar unbeeindruckt seine Runden mit Fia, die einmal mehr überragend sprang.

„Das wird richtig was, Paul." Meine Mutter nickte anerkennend und legte ein letztes Mal die Stangen höher. „Wenn die am Wochenende so geht, dann brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen."

„Wollen wir es hoffen.", gab er zurück.

Ich parierte Lolo neben meiner Mutter zum Halten durch, während Paul nochmal den Parcours ritt. Ein bisschen neidisch nahm ich war, wie er dort, wo ich mit angezogener Handbremse geritten war, den Galoppsprung weniger machte und die Wendungen flüssiger durchritt. Es sah bei ihm so viel selbstverständlicher aus, als es sich für mich angefühlt hatte, dass mir meine auf Sicherheit gerittenen Runden plötzlich sehr viel weniger Wert erschienen. Es tröstete mich auch nicht, als meine Mutter mich nach dem Unterricht zur Seite nahm und mir sagte, sie wünsche sich am Wochenende genau solche Runden von mir. Für das gute Gefühl. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass sie das je zuvor zu mir gesagt hatte.

Lange nach dem Feierabend holte ich Donni aus der Box und putzte sie einfach in aller Ruhe. Dazu hatte ich mir in letzter Zeit viel zu wenig Zeit genommen. Insgesamt- ich war oft froh gewesen, wenn die Pflichten erfüllt gewesen und ich ins Haus hatte gehen können. Wie früher noch anderen beim Unterricht zuzusehen, jemandem einfach aus Nettigkeit zu helfen oder eben meine eigenen Pferde einfach mal ausgiebig zu putzen oder mit ihnen im Wald die Seele baumeln zu lassen, darauf hatte ich in der letzten Zeit einfach keine Lust gehabt. Donni jedenfalls stand still wie ein Denkmal, während ich ihr eine ausgiebige Massage verpasste. Als ich sie zum Abschluss hinter den Ohren kraulte, schloss sie entspannt die Augen und schnaubte. So, als wolle sie sagen, dass das ja auch wirklich mal wieder Zeit gewesen sei.

„Hast ja Recht, Maus." Ich bückte mich nochmal nach ihrem Bein und kontrollierte, ob es Hinweise darauf gab, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. So doof der Gedanke vermutlich war- ich war mir fast sicher, dass nur Donni die Saison für mich irgendwie würde retten können. Sie war eben meine Fia- ein ziemlich genialer und verlässlicher Partner.

Als ich Schritte näher kommen hörte, sah ich auf.

Meine Mutter kam näher, voll beladen mit dem Sattelzeug von Fanjana, die in der Box gegenüber von Donni stand. „Du noch hier.", stellte sie fest.

„Du bist doch auch noch hier.", gab ich zurück und richtete mich langsam auf. „Das Bein sieht gut aus."

„Dann spricht ja nichts dagegen, dass du in der nächsten Woche wieder mit der Trabarbeit anfangen kannst." Sie legte Fanjanas Sattel auf die Tür einer leeren Box und holte die große Fuchsstute heraus. „Was meinst du, gehst du mit mir raus? Kleine Schrittrunde zum Abschluss des Tages?"

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