Part 167

99 15 4
                                    

„Alter, wenn ich Paul wäre, ich würde mich auch in dich verlieben."

Ich grunzte nur als Antwort und versuchte mir die Decke über den Kopf zu ziehen. Die Nacht war zu kurz gewesen und Pia war zu gut drauf, zu wach und zu laut. Ich hätte mich nach dieser Nacht, die wir zwei gemeinsam mit einer halben Staffel Gilmore Girls verbracht hatten, sicher nicht in sie verliebt. Dazu hatte sie im Schlaf zu oft nach mir getreten.

„Im Ernst, du guckst wie eine Babykatze, wenn du schläfst." Pia schlug wenig sanft auf die Decke und traf mich an der Schulter.

„Babykatzen haben ihre Augen zu.", fauchte ich.

„Du ja auch."

Ich hörte richtig, dass sie breit grinste, seufzte und tauchte schweren Herzens doch auf. „Du trittst wie ein Kalb."

„Siehst du, da haben wir den Grund dafür, warum unser Paulchen dich bevorzugt. Babykatze sticht Kalb. Wo gibt's Frühstück?"

Ohne zu antworten schwang ich meine Beine aus dem Bett, zog mir einen Pulli über und ging ihr wortlos voran in die Küche, wo ich immer noch schweigsam Frühstück machte, wie man es nur konnte, wenn man bei Benthe in die Lehre gegangen war. Ich tat so, als sei ich unheimlich beschäftigt mit dem Braten von Poffertjes und dem Aufwärmen von Kakao, aber eigentlich war ich einfach fertig. Wegen des Schlafdefizits- und wegen Paul. Es war Sonntag und ich wollte nichts mehr, als in Balve zu sein. Ich hätte Chocomel gegen widerlichen Kaffee aus Pappbechern getauscht, wenn er den mit mir getrunken hätte. Am liebsten hätte ich Pia eingepackt, sie mit einem großen Teller Poffertjes in Benthes Auto gesetzt und wäre einfach losgefahren. Ich wurde wahnsinnig darüber, dass er das nicht wollte, dass ich das einfach nicht machen durfte. Das verliebte Strahlen, das am Vorabend auf Pias Gesicht gelegen hatte, hatte mich schmerzhaft daran erinnert, wie ich mich immer noch fühlte, sobald ich Paul küsste. Oder ihn sah. Oder an ihn dachte. Zumindest dann, wenn er nicht gerade eine eigens für mich geltende Sperrzone um sich errichtete.

„Kim?" Pia, die auf einem der Küchenstühle saß und zu gleichmütig auf ihren Handybildschirm schaute, streckte ihr Bein und piekste mir mit ihrem großen Zeh in den Hintern. Fast wäre ich explodiert- vor Wut dieses Mal, weil es mir scheiße ging und weil sie zwar alles tat, um mich da rauszuholen, aber dabei bessere Laune hatte als ich aushalten konnte.

„Was ist?", entgegnete ich und schluckte meinen Ausraster hinunter. Ich hatte geschworen, ihr ein Denkmal zu bauen. Sie gab gerade alles. Sie streckte mir ihre Hand hin, auf ihre Art. Vielleicht dank Niklas zu zuckrig und zu rosa, aber sie machte es. Und ich hatte die Frage im Ohr, über die ich nachdenken sollte. Was wollte ich für eine Freundin sein? Vielleicht galt das nicht nur für Paul. Vielleicht sollte ich auch nach Pias ausgestreckter Hand lieber nicht zu oft schlagen.

„Passt es, wenn ich erst morgen früh zurückfahre? Die Verbindung ist dann besser."

„Klar.", murmelte ich, zog zwei Teller aus dem Schrank , verteilte die kleinen Pfannkuchen und atmete so lange gegen den Kloß in meinem Hals an, bis ich mir sicher war, beim Sprechen normal zu klingen. „Holt der mysteriöse Herr ohne Profilbild dich vom Bahnhof ab?"

„Der muss arbeiten." Sie seufzte und stand auf, um mir dabei zu helfen, den Kakao in zwei riesige Becher zu füllen.

„Ich dachte, der studiert."

„Tut er auch." Pia verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. „Es gibt da dieses Wort, es nennt sich Nebenjob und beschreibt..."

„Lass es gut sein, Kalb." Mit den Worten hielt ich ihr mit einem auffordernden Blick den Teller hin und unterdrückte ein herzhaftes Würgen, als ich sah, wie ihre Wangen schon wieder anfingen zu glühen. „Was hat er für einen Nebenjob?" , versuchte ich die Gelegenheit zu nutzen, um ihr mehr Informationen über Niklas aus der Nase zu ziehen.

„Was er...oh...." Pia setzte sich hin und steckte sich sehr langsam und bedächtig den ersten Bissen in den Mund. Sie sah fast so aus, als würde sie Zeit schinden. „So studentische Hilfskraft. IT-Kram."

„Als Medizinstudent?"

„IT-Kram für Medizinstudenten, Kim. Wir schreiben nicht mehr auf Schiefertafeln."

So angestrengt, wie Pia abwechselnd auf ihre Gabel und in ihren Becher guckte, war ihr das Thema zu viel- oder sie befürchtete wirklich, dass sie es nur verderben würde, wenn sie zu viel darüber redete oder sich zu früh freute. Mit einem „Du bist echt abergläubisch", hakte ich das Thema ab und Pia nutzte die Gelegenheit dankbar, um mich zu fragen, ob wir uns nicht nach dem Frühstück anschauen wollten, wie mein Vater sich schlug. Ich nickte und stimmte euphorischer zu als ich war, um nicht zugeben zu müssen, dass vollkommen vergessen hatte, dass er den Start in der Kür noch vor sich hatte.  


----

Endlich Freitag :)


AuftauchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt