Part 179

107 16 0
                                    


Als er eine Woche später tatsächlich vor Benthes Haustür aus dem Auto stieg, stand ich wie festgefroren mit verschränkten Armen an der geöffneten Haustür. Er lächelte als er mich sah, aber die Nervosität stand ihm trotzdem überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Nichts erinnerte an die überschwängliche Begrüßung unseres ersten Wiedersehens in Renesse und nichts hätte mich dazu bewegen können, ihm mit einem großen Satz in die Arme zu springen. Stattdessen horchte ich in mich hinein, während er näher kam. Was machte das mit mir? Fühlte es sich an wie früher? Konnte es sich anfühlen wie früher?

„Hi, du.", sagte er zaghaft , als er vor mir stehen blieb und ich sah, wie er schlucken musste. Seine linke Hand klammerte sich unnatürlich fest um den Autoschlüssel und mit der rechten griff er sich in den Nacken, wie immer, wenn er nicht weiterwusste. Die Frage, ob er mich wohl umarmen dürfte und die Hilflosigkeit darüber, dass die Frage überhaupt zwischen uns stand, war auch unausgesprochen so laut, dass ich einen kleinen Schritt auf ihn zumachte und skeptisch meine Hände an seine Schultern legte. Er ließ augenblicklich seinen Arm sinken und starrte mich fragend an. „Darf ich?", fragte er dann doch und als ich nickte, schlang er seine Arme um mich und zog mich an sich. Ich schloss meine Augen und atmete durch, während ich seine Umarmung erwiderte. Es war erstaunlich okay und gleichzeitig unfassbar seltsam, ihm so nahe zu sein. Nach der Zeit, nach den Monaten, die zwischen unserer letzten Umarmung und dieser Begrüßung lagen, fühlte es sich fast fremd an.

„Dir wird ziemlich warm werden heute.", murmelte ich gegen sein Schlüsselbein, weil ich nicht wusste, wie ich ihn sonst begrüßen sollte. Er stutzte, hob den Kopf und ich löste mich aus der Umarmung. „Es sind 38 Grad angekündigt, weißt du.", sagte ich und konnte mein Schmunzeln nicht unterdrücken, als ich meinen Blick an seiner Jeans heruntergleiten ließ.

Paul schüttelte seufzend den Kopf, bevor er mit einem Schulterzucken und einem echten Lächeln seine Hände von meinem Rücken löste. „Die Wetterapp war heute Morgen nicht meine größte Sorge."

„Seltsam." Damit trat ich zur Seite und ließ ihn rein.

Wir blieben nicht lange bei Benthe. Obwohl die im Stall war und zuverlässig bis zum Nachmittag im Stall bleiben würde, wollte ich nicht im Haus mit ihm reden. Ich ließ ihn sogar unten warten, als ich mein Portemonnaie aus meinem Zimmer holte, weil ich gar nicht erst die Erinnerung daran, wie wir gemeinsam in diesem Bett aufgewacht waren, hochwühlen wollte. Ich hatte lange genug gebraucht, um sie zu begraben. Reden war okay, eine Umarmung zur Begrüßung war okay, aber mehr hätte sich schräg angefühlt. Außerdem gab es Fragen, die ich auf neutralem Grund ansprechen wollte, weil ich nicht wusste, ob ich die Antworten vielleicht lieber aus meinem Zuhause heraushalten wollte.

Auf dem Weg in die Stadt bemühten wir uns beide um ungezwungenen Smalltalk. Wir erzählten beide von den Pferden, weil das ungefährliches Terrain war und wagten uns, nachdem Paul sein Auto geparkt hatte, thematisch immerhin zu seinen Nachbarn und meiner Fitnessstudiomitgliedschaft vor. Im Café selbst bewunderte Paul aufrichtig, dass ich auf Niederländisch bestellen konnte und kam darüber zur ersten Frage des Tages, deren Ungefährlichkeit wir noch nicht in unseren Telefonaten geprüft hatten: „Dir wird es schwerfallen, nach Hause zu kommen, oder?", fragte er und hielt sich dabei an seinem Wasserglas fest. Er sah aus, als würde er befürchten, dass ich einfach nicht mehr nach Hause kommen würde- und als ob das an ihm liegen würde.

„Schon.", räumte ich ein und spielte mit dem Bierdeckel unter meiner Apfelschorle. Ich wusste nicht recht, ob ich ihm davon erzählen sollte, was sich in den letzten Monaten alles entwickelt hatte und von dem ich- wenn überhaupt- nur fragmentartig erzählt hatte. Dieses Thema anzufassen, ohne vorher an die Fragen herangegangen zu sein, die mir wie ein Stein im Magen lagen und gefragt werden mussten, war mir eigentlich nicht recht. Ich wollte ihn eigentlich nicht so sehr teilhaben lassen, so lange ich keine Antworten hatte, die mich darin bestärkten, dass es einen Grund dafür gab, an dieses wir zu glauben.

„Erzähle doch.", sagte er und lächelte Richtung Tischplatte. Ihm anzusehen, wie traurig ihn mein Zögern machte. Er kannte mich gut genug, um zu ahnen, welche Überlegung mich zurückhielt und ich kannte ihn gut genug, um zu spüren, wie er gerade in einem Meer aus Selbstvorwürfen ertrank. Also richtete ich mich vorsichtig auf, schlug meine Beine übereinander und fing an zu erzählen.



---

nur ein halber Teil, aber sonst gäbe es wohl erst am Wochenende wieder einen Happen. 

Was meint ihr? Kann Paul sie mit zufriedenstellenden Antworten versorgen? Und wie warm wird ihm wohl noch? :D 

AuftauchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt