Part 26

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Als ich endete, ließ ich meine Augen geschlossen. Paul hatte nicht ein Wort gesagt, während ich gesprochen hatte, er hatte nichts gefragt, er hatte lediglich einmal tief Luft geholt, als ich erzählt hatte, wie die Sache mit Thomas geendet war. Ich fühlte mich leer, seltsam taub und der Alkohol tat den Rest dazu. Ich drehte mich einfach nur auf die Seite, zog die Beine an den Körper und wartete darauf, dass Paul sich rührte.

Er sagte immer noch nichts, aber irgendwann ließ er sich neben mich sinken und strich mit den Fingern über meinen Oberarm. „Was kann ich tun?" fragte er in die Stille hinein.

„Nichts."

Seine Finger strichen weiter federleicht über meinen Oberarm und ich wartete darauf, dass das große Gewitter losginge, aber es blieb aus. Er schwieg und ich rührte mich nicht, bis er irgendwann seine Hand wegziehen wollte.

„Nicht aufhören." Meine Finger hatten seine eingefangen und ich öffnete die Augen und wandte ihm mein Gesicht zu.

„Darf ich ihn überfahren?", fragte Paul und ich lächelte müde.

„Ich glaube nicht."

Paul seufzte. Er wirkte ratlos und traurig, wie er mit aufgestütztem Ellbogen neben mir lag und mich ansah. „Warum hast du nichts gesagt?" Es lag kein Vorwurf in der Frage.

„Ich wollte nicht, dass du es weißt." Er hob seine Hand von meinem Arm, als ich mich auf die andere Seite drehte und ihn direkt ansah.

„Wieso nicht?"

Ich sprach erst weiter, als seine Hand zwar nicht auf meinen Oberarm zurückkehrte, er mir aber eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr steckte. „Ich bin nicht so."

„Wie bist du nicht?"

„Wie ich am Ende in München war."

„Und das wäre?"

Ich dachte einen Moment über seine Frage nach, ehe ich antwortete. „Ich wusste gar nicht mehr, wie ich eigentlich bin und was sie vielleicht nur gesagt haben. Ich habe keine Ahnung mehr gehabt, wo sie vielleicht Recht hatten und wo nicht."

„Wo sie Recht hatten?", fragte er aufgebracht und sah mich aus großen Augen an.

„Ich war schon naiv und dumm."

„Du warst 16. Wer ist da nicht naiv und ein bisschen dumm?"

„Ich habe damals schon geglaubt, dass ich was Besonderes wäre. Besonders gut oder zumindest talentiert oder abgebrüht oder sonst was." Peinlich berührt verzog ich das Gesicht.

„Das stimmt ja auch."

„Geht so, oder?" Ich schloss meine Augen wieder. Seit ich zurück war und die Turniersaison so mies gestartet war, hatte ich mich immer wieder gefragt, ob die anderen einfach aufgeholt hatten, während ich keinen Schritt nach vorne gemacht hatte. Je länger ich nichts Gescheites zustande brachte, desto mehr hatte sich der Gedanke aufgedrängt, dass auch meine Eltern merken mussten, dass ich aktuell an meine Grenzen stieß- die es eben scheinbar doch gab und die offenbar enger gesteckt waren, als ich und vielleicht auch sie mal vermutet hatten.

„Du bist ja verrückt." Paul seufzte. „Diese Idee, dass du nicht reiten kannst, die ist so dämlich, dass ich dazu nichts sagen will."

„Ich sage ja nicht, dass ich nicht reiten kann, nur, dass ich halt nicht so gut bin, wie man scheinbar so gedacht hat."

„Und wer bitte hat dir das gesteckt? Deine Eltern waren es sicher nicht."

„Als ob die das aussprechen würden.", murmelte ich.

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