Part 62

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Nach der Arbeit spritzte ich mir Wasser durchs Gesicht und kämmte meine Haare. Vorsichtig cremte ich mein Gesicht und meine Oberarme ein, die immerhin nicht mehr ganz so aggressiv rot leuchteten, aber kein bisschen weniger empfindlich waren. Ich schlüpfte in das Kleid, dass ich bei Lukas gekauft hatte. Es war cremeweiß, hatte Spaghettiträger und reichte mir nicht ganz bis zur Mitte der Oberschenkel. Es wäre sehr schlicht gewesen, wenn an der Taille nicht durchsichtige Spitze eingearbeitet gewesen wäre. Für mich war das beinahe gewagt. Es fühlte sich jedenfalls nicht nach Jeans und T-Shirt an. Kurz begutachtete ich im Spiegel, befand mich für okay, zog meine Sandalen an und stopfte mein Portemonnaie und den Einkaufszettel von meinem Vater in meine Handtasche. Eilig hastete ich die Treppe nach oben hoch, holte dort den Autoschlüssel und wäre auf dem Weg nach draußen fast mit Simon kollidiert, der verschwitzt und sichtlich erledigt gerade die Haustür öffnete.

„Wo willst du denn so eilig hin?", fragte er und sah mich überrascht an.

„Einkaufen und zum Friseur."

„Schade."

„Schade?", gab ich zurück. „Wieso?"

„Ich hätte dich sonst gefragt, ob du nochmal mit zum See willst. Nika ist auch dabei."

„Nächstes Mal wieder." Ich war schon fast an ihm vorbei.

„Kim?" Simon warf einen vorsichtigen Blick hinter sich. „Hast du das mit Paul noch klären können?"

„Denke schon." Ich lächelte. „Danke, dass ihr Felix mit nach Hause genommen habt."

„Kein Ding, jederzeit wieder."

„Danke jedenfalls." Ich lächelte ihm flüchtig zu und huschte an ihm vorbei durch die geöffnete Haustür. Dass er mir nachsah, bekam ich nicht mit.




Ziemlich erledigt schlug ich die Klappe des Kofferraums zu. Ich hatte fast eine Stunde gebraucht, um die Sachen von der Einkaufsliste zu finden. Jedenfalls hatte ich den vollen, schweren Einkaufswagen durch Regalreihen des Supermarkts geschoben, in denen ich noch nicht oft zuvor nach Dingen gesucht hatte. Was zum Henker machte man mit Speisestärke? Für mich sah das einfach nach Backpulver aus. Als ich mich auf den Fahrersitz fallen ließ, konnte ich nicht anders, als einen Blick in mein Spiegelbild zu werfen. Es war schon krass. Nicht nur mein Sonnenbrand, sondern meine Haare. Ich konnte nicht glauben, dass das meine Haare waren. Vorsichtig griff ich in die Spitzen, die gerade so meine Schultern berührten. Blonder Long Bob- das hätte ich mir selbst nicht träumen lassen. Hätte mir vor ein paar Wochen jemand gesagt, dass ich mich schmerzfrei von meinen langen Haaren trennen würde, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Aber irgendwie- ich drehte und wendete meinen Kopf- irgendwie war das einfach gut. Die Friseurin hatte gelacht, als ich ihr Lukas' Werk gezeigt hatte. „Ehrbar für einen Haarschnitt vom Bruder.", hatte sie gesagt. „Aber das muss man trotzdem in Ordnung bringen." Sie hatte mich gefragt, wie es zu der Aktion gekommen sei und ich hatte ihr nur gesagt, dass es eine Notfallaktion gewesen sei und ich dringend eine Veränderung gebraucht hätte. Sie hatte wissend genickt und mitfühlend „Trennung?" gefragt. Ich hatte stumm genickt und ihr lieber nicht erklärt, wovon ich da versuchte mich zu trennen. Sie hätte es wahrscheinlich auch nicht verstanden. Jedenfalls hatte sie gezaubert. Ich konnte selbst nicht fassen, wie anders ich damit aussah. Ein bisschen älter vielleicht und ganz sicher nicht mehr wie mein Turnier-Ich, dass in meinem Kopf untrennbar mit dem langen geflochtenen Zopf verbunden war. „Krass.", murmelte ich tonlos, als ich mir mit den Fingern durch die Haare fuhr. Ich wollte gerade den Motor starten, als mein Handydisplay aufleuchtete und eine Nachricht von Pia anzeigte.

„Zum Anbeißen. Sogar mein Egomane hat die Haare für gut befunden, liebste Kim-Marie."

„Kim-Marie?! Immer noch? Hat dein Egomane wenigstens seine Freundin verlassen?"



Kopfschüttelnd steckte ich mein Handy weg und parkte aus. Ich hasste es, wenn sie mich Kim-Marie nannte. Sie war die einzige, die sich das überhaupt noch traute. Meine Mutter hatte mich sowieso nie so genannt und mein Vater hatte es sich irgendwann von mir verbieten lassen. Diesen Doppelnamen hasste ich mindestens so sehr wie Kapern auf einer ansonsten leckeren Pizza. Pia hatte sich das nie nehmen lassen, wenn sie mich gut gelaunt provozieren wollte. Immerhin- der Egomane schien ihr gerade nicht die Stimmung zu verderben. Summend fuhr ich nach Hause und schaltete die Scheibenwischer ein, als die ersten dicken Tropfen eines schweren Sommerregens auf die Windschutzscheibe fielen. 

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